Paul Nizan

Das Leben des Antoine B.

Roman
Cover: Das Leben des Antoine B.
DuMont Verlag, Köln 2005
ISBN 9783832179267
Gebunden, 259 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Gerda Scheffel. Antoine Bloye wird im Leben weit kommen - so weit wie dies am Ende des 19. Jahrhunderts als Sohn eines Eisenbahners und einer Putzfrau in der engen französischen Provinz möglich ist. Mit Leidenschaft und Ergebenheit macht Antoine Bloye Karriere bei der Eisenbahn - jeder Schienenkilometer ein Beweis für den industriellen Fortschritt. Aber sozialer Aufstieg, Heirat und Macht über andere können nicht verhindern, dass die Stunde kommt: "Antoine hatte niemals Zeit gefunden, sich Rechenschaft abzulegen: Er wartete. Vielleicht wartete er darauf, zu entdecken, dass er glücklich war ?" Paul Nizans bedrückendes und begeisterndes Buch, das durch makellos unaufdringliche Prosakunst verführt, schildert die Misere eines zerrissenen und entfremdeten Lebens. Das Leben des Antoine B.: Ein zeitloses Buch über die Condition humaine aller Bürgerlichkeit.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.06.2005

Iris Radisch findet Paul Nizans fiktionales Vaterbildnis mit dem Titel "Das Leben des Antoine B." "mitreißend". Mit diesem Roman, so Radisch, reiht Nizan sich ein in die Reihe der Erfinder des Absurden um Albert Camus und Eugene Ionesco. Worum geht es? Um ein Leben, das nicht gelebt wird, weil es sich der Zweckrationalität des Industriezeitalters verschrieben hat. Nizan zeigt, wie sein Held, Antoine Bloye, nach und nach verbittert, resigniert, innerlich schrumpft, während er im äußeren Betrieb ein Eisenbahnwerk mit Uhrwerksregelmäßigkeit am Laufen hält. Was ihm bleibt, auf dem Totenbett, ist ein Leben, das nie so recht zur Welt gekommen ist. Gegen diese Entvitalisierung des "l'homme machine" empört sich der Autor, der in Bloye das Leben seines Vaters porträtiert hat. Für die Rezensentin ist dieser Text aus der Ära der Industrialisierung "wahrscheinlich ihre entscheidendste Hervorbringung" und überdies von Gerda Scheffel "mit spröder Eleganz" übersetzt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2005

Thomas Laux fühlt sich durch Paul Nizans ersten Roman von 1933 zunächst an Flaubert, dann an Zola erinnert, was er damit erklärt, dass sich das späte 19. Jahrhundert in der Geschichte um Aufstieg und Niedergang des Eisenbahners Antoine Bloye "bisweilen massiv in den Vordergrund" drängt. Das Buch beginnt mit dem Tod des Protagonisten, dessen Leben in der Folge minutiös nachgezeichnet wird. Hier wird ein "Durchschnittsfranzose"  dargestellt, der durch "natürlichen Eifer" vom einfachen Heizer zum Vorgesetzten aufsteigt und damit "zum Verräter seiner Herkunft und seiner Klasse" wird, fasst Laux zusammen, der außerdem spekuliert, dass die Hauptfigur eng an den Vater des Autors angelehnt ist. Der Rezensent ist beeindruckt, wie "unspektakulär" und dabei absolut "zwingend" der Autor Erfolg und Scheitern seines Protagonisten vorführt, und selbst wenn ihm die "Diktion" mitunter allzu "gravitätisch" daherkommt, was er der "kommunistischen Nomenklatur geschuldet" sieht, preist er das Werk des französischen Autors, der 1940 gefallen ist, als "nach wie vor lesenswert".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.02.2005

Hundert Jahre wäre Paul Nizan, Weggefährte Jean-Paul Sartres und Raymond Arons, in diesem Februar geworden. Verlagen bieten solche runden Geburtstage immer Gelegenheit, in den Fundus der Literaturgeschichte zu greifen und Vergessenes oder Verschollenes neu auf den Markt zu bringen. So nun auch Dumont. Nizan, einst prominenter Autor und kommunistischer Parteiarbeiter, später als Abtrünniger verfemt, beschreibt in seinem Roman "Antoine Bloye" die schrittweise Entfremdung, die ein Bahnarbeiter und eine Putzfrau in der französischen Provinz als Preis für ihren gesellschaftlichen Aufstieg zu zahlen haben. Eindringlich ist Nizans Sprache, befindet Jürg Altwegg, und die Übersetzerin, Gerda Scheffel, hat dafür eine stimmige deutsche Umsetzung gefunden. Gleichwohl hat der Rezensent diesen dialektischen Roman "nicht ohne Befremden zur Hand" genommen, und das kann nicht allein an dem "etwas unglücklichen" deutschen Titel gelegen haben: "Das Leben des Antoine B." Immerhin meint Altwegg, sei es der Roman, der "unter den ideologischen Schlachten am wenigsten gelitten" hätte.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.02.2005

Lothar Müller stellt in seiner Rezension des Romans "Das Leben des Antoine B.", der zum hundersten Geburtstag Paul Nizans erscheint, zunächst den französischen Autor vor. Nizan war Schulkamerad Jean Paul Sartres und überzeugter Marxist, teilt der Rezensent mit. Sein Roman erzählt von Antoine Bloye, der erst als Lokführer die technisierte Welt erlebt und später als Depotchef auch ihre "abstrakteren Elemente" am eigenen Leib erfährt, fasst Müller zusammen, der darin eine "Abrechnung" des Autors mit der "Vätergeneration" sieht, war doch der eigene Vater auch bei der Eisenbahn beschäftigt. Für ihn hat das Buch, das 1933 im französischen Original publiziert wurde, nichts von seiner "dunklen Faszination" verloren. Er preist die "unerhört dichte Beschreibung der Innenansicht des Eisenbahnzeitalters" und zeigt sich insbesondere von der Fähigkeit des Autors beeindruckt, den Menschen im durch Technik bestimmten Alltag zu schildern. Im "grandiosen" ersten Kapitel des Romans, in dem der Tod und die Beerdigung des Protagonisten erzählt wird, wird bereits deutlich, dass für Nizan am Ende keine marxistische Utopie steht, sondern lediglich der Tod, so Müller fasziniert.
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