Peter Gathmann, Martina Paul

Narziss Goebbels

Eine psychohistorische Biografie
Cover: Narziss Goebbels
Böhlau Verlag, Wien 2009
ISBN 9783205784111
Gebunden, 320 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Mit 16 Bildtafeln. Joseph Goebbels, klein, zart, behindert, von der Mutter zum Liebling erkoren, in der Schule verspottet, auf der Universität vom bürgerlichen Parkett verwiesen, als Schriftsteller von Verlegern abgelehnt, zeitlebens gekränkt und um Anerkennung buhlend, erfährt sein vermeintliches Lebensglück 1925 durch die erstmalige Begegnung mit Adolf Hitler. Abgefallen vom katholischen Glauben, findet er in ihm seinen Heilsverkünder, dem er bis in den Tod dienen wird.
Das durch seine körperliche Behinderung massiv ausgeprägte Gefühl der Minderwertigkeit vertieft sich in den Erlebnissen des Kriegsuntauglichen, des Beziehungsunfähigen und des schriftstellerisch Herabgesetzten. Als Ausgleich setzt eine rastlose, ich-süchtige Jagd nach Erfolgen ein. Werden diese biografischen den historischen Daten gegenüberstellt und mit den Mitteln der Tiefenpsychologie untersucht, drängt sich ein Verständnisansatz zur Entstehung rechtsradikaler Persönlichkeiten geradezu auf. Dieses Buch begleitet den Leser von Goebbels" Anfängen bis zum Abschlusspsychogramm einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.05.2010

Nachdem er sich durch "die fachspezifischen Termini durchgequält hat", erfährt Rezensent Ludger Heid in der von Peter Gathmann und Martina Paul verfassten psychohistorischen Biografie "Narziss Goebbels" doch einiges über Hitlers Propagandaminister - und gibt es dann auch gerne wieder. Goebbels habe einen Klumpfuß gehabt (für den er sich später 150 Paar orthopädische Maßschuhe anfertigen ließ), habe den Ruf eines "Schürzenjägers" gehabt, sei aber für die Verbindung mit Hitler bereit gewesen, alles zu opfern. Dieser musste seinen narzisstischen Minister zeitweise sogar zurückrufen, wenn sich seine "lustvoll ausgelebten" Aggressionen in "hetzerischen Gewaltrufen" gegen Juden entäußerten; auf dem Trümmerhaufen seiner narzisstischen Bühne stehend richtete er diese gegen sich selbst. Nach der Lektüre wundert sich Gathmann schließlich erstaunt darüber, dass nicht schon früher jemand auf die Idee gekommen sei, Goebbels tiefenpsychologisch zu deuten. Zu einem wirklichen Urteil ringt sich Heid nicht durch.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.12.2009

Rezensentin Angela Gutzeit steht der Psychohistorie, wie sie der österreichische Professor für Psychiatrie, Peter Gathmann, und seine Mitautorin Martina Paul in ihrer Goebbels-Biografie betreiben, durchaus kritisch gegenüber. Ob sich tatsächlich Erkenntnisgewinn aus der Ausleuchtung von Goebbels' Kindheit für die Mechanismen von Nationalsozialismus und Holocaust ziehen lässt, scheint ihr zumindest fraglich. So sind für die Rezensentin dann auch die entsprechenden Kapitel, die sich mit Goebbels Kindheit, seinem schwierigem Vater-Verhältnis und seiner gestörten Beziehung zur Mutter befassen, die am wenigsten überzeugenden. Dafür kann Gutzeit den Argumentationslinien, die im verlorenen Ersten Weltkrieg, einer fanatisch katholischen Mutter, Goebbels beruflichem Misserfolg und seinem verkürzten Bein Gründe für dessen blinder Hitler-Verehrung und seinen Judenhass sehen, schon mehr abgewinnen. Und hier ist sie dann doch bereit, diese Nebendisziplin der Geschichtsforschung als erhellende Methode zu würdigen.