Ray Loriga

Kapitulation

Roman
Cover: Kapitulation
CulturBooks, Hamburg 2022
ISBN 9783959881555
Gebunden, 200 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Alexander Dobler. Eine mitreißende Geschichte über kollektive Manipulation und den Kampf um Selbstbehauptung in einem totalitären System. Zehn Jahre sind seit dem Ausbruch des Krieges vergangen, und der Erzähler weiß noch immer nicht, wofür seine im Krieg verschollenen Söhne überhaupt gekämpft haben. Er und seine Frau befolgen Befehle und bewirtschaften ihren Hof, bis angeordnet wird, dass alle Bewohner der Gegend in die neue Hauptstadt umziehen müssen. Diese Stadt erscheint zunächst als wahres Paradies. Unter einer atemberaubenden Glaskuppel findet sich ein endloses Gewirr aus durchsichtigen Straßenzügen, Gebäuden, Geschäften. Für alles Lebensnotwendige ist gesorgt, und die Frau lebt sich schnell in ihr neues Leben ein. Doch der Mann findet keine Ruhe in dieser vollkommenen Transparenz, in der es weder Geheimnisse noch blickdichte Mauern gibt. Wer gegen die unausgesprochenen Regeln verstößt, muss mit den schlimmsten Konsequenzen rechnen, wie der Erzähler bald feststellt. Wird er am Ende kapitulieren und sich einfügen, oder gelingt ihm die Flucht aus diesem Alptraum?

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.10.2023

Prächtig amüsiert hat sich Rezensentin Marlen Hobrack bei der Lektüre von Michel Decars Kleinkünstler-Roman. Hauptfigur László Carassin leidet so offensichtlich an Selbstüberschätzung, dass er auf den Leser nur liebenswürdig wirken kann, meint Hobrack. Der nicht gerade erfolgreiche Kleinkünstler gewinnt zur Abwechslung 7.500 Euro und geht damit erstmal nach Bulgarien, um seinen Lebensabend dort zu verbringen - was mit der Summe ja kaum gelingen kann, spöttelt Hobrack. Decar schafft es, so Hobrack, in Zeiten der "massenmedialen Dauerbeschallung" in kurzweiliger Art und Weise einen sympathischen Dichter zu kreieren, der diesem Trend trotzt - und in seinem Scheitern nahbar wirkt. Außerdem mutet der Roman, lesen wir, an vielen Stellen so an, als würde nun eine höhere Handlung, etwa ein Krimi, beginnen, was genauso schnell wieder versandet. Decar gelingt somit eine perfekte Definition von Literatur selbst: "Nichts ist signifikant, alles ist überdeterminiert", schließt Hobrack.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.11.2022

Eine fast namenlose Parabel über die Sinnlosigkeit und den Schrecken des Krieges habe Ray Loriga vorgelegt, meint Rezensentin Anna Flörchinger. Der Protagonist erzähle in drei Großkapiteln, wie er zunächst noch an das System glaube, daran, dass die kriegsbedingt befohlene Umsiedlung zu seinem Besten sei. Das stelle sich im Laufe der Geschichte als falsch heraus, verrät die Rezensentin. Die Absurdität der Geschichte nehme zu, gleichzeitig erfahren die Leser*innen nur in Nebensätzen, was eigentlich passiert. Vor allem auch, wie es den beiden Söhnen des Protagonisten und seiner Frau geht, Pablo und Augusto (sie haben im Gegensatz zu allen anderen Figuren Namen), die als Soldaten in diesem Krieg kämpfen, der Protagonist und Rezensentin zugleich immer sinnloser und unnötiger erscheint, je mehr die Handlung fortschreitet. Die Zustände der Odyssee-artigen Zwangsumsiedlung werden als frustrierend beschrieben und es wird deutlich, wie sehr Loriga Flörchinger ermöglicht, den Erkenntnis- und Verzweiflungsprozess des Ich-Erzählers bis zur Frage einer möglichen Kapitulation mitzuempfinden.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2022

Ray Lorigas "Kapitulation" ist eine Dystopie. Der Roman erzählt von einer Welt, die von Krieg und Wassermangel geprägt ist. Nach und nach werden die Menschen in eine neue, durchsichtige Stadt umquartiert, referiert Rezensentin Lisa Berins. Dort geht es ihnen besser, aber langsam wird auch immer klarer, wie gefährdet die sind, die sich den Regeln widersetzen. Dass es für den Erzähler nicht gut ausgeht, hat er trotz seiner Charakterschwäche nicht verdient, findet die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 04.10.2022

Rezensent Thomas Wörtche stellt erschrocken fest, dass die Lebensbedingungen in Ray Loringas dystopischem Roman längst Realität sind, in China und anderswo. Was geschieht, wenn Wohlstand gegen Freiheit gehandelt wird, zeigt der Text von 2017 anhand einer kriegsmüden Gesellschaft, die der Verlockung eines auf Konformismus getrimmten Systems erliegt. Als der Erzähler ausbrechen will, wird er ruhiggestellt. Was der Autor davon hält, ahnt der Leser laut Wörtche anhand der "üblen Pointe" am Schluss. Ein Roman, der leider aktuell überall spielen kann, glaubt er.