Richard J. Bernstein

Denkerin der Stunde

Über Hannah Arendt
Cover: Denkerin der Stunde
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429440
Gebunden, 141 Seiten, 14,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. "Begreifen", schreibt Hannah Arendt in ihrem Hauptwerk "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft", bedeute, "sich aufmerksam und unvoreingenommen der Wirklichkeit zu stellen, was immer sie ist oder war". Zur Lebenswirklichkeit der 1906 geborenen Arendt gehörten Antisemitismus und Gestapo-Haft ebenso wie Flucht, Staatenlosigkeit und die Erfahrung, von der US-Regierung systematisch über den Vietnamkrieg belogen worden zu sein. 45 Jahre nach ihrem Tod gehören zu unserer Gegenwart die schrecklichen Zustände in Flüchtlingslagern auf Lesbos oder in Libyen, der Aufstieg autoritärer Bewegungen und ein US-Präsident, der selten die Wahrheit sagt. "Liest man Hannah Arendt heute", so Richard J. Bernstein, "überkommt einen ein fast schon unheimliches Gefühl zeitgenössischer Relevanz." Bernstein, der Arendt als junger Professor noch selbst kennengelernt hat, bietet anhand zentraler Themen einen kompakten Überblick über das Denken der Theoretikerin und zeigt, inwiefern ihr Werk die heutigen finsteren Zeiten erhellen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.2021

Rezensent Dieter Thomä empfiehlt dieses Buch des amerikanischen Philosophen Richard J. Bernstein als Wegweiser durch jene Werke Hannah Arendts, die gerade wieder an Aktualität gewinnen: Ganz gleich, ob Bernstein hier aus Arendts Aufsatz "Wir Flüchtlinge" von 1943, ihrer Analyse des Totalitarismus von 1951 oder aus ihrem Buch "Über die Revolution von 1963" zitiert - immer ist es für den Kritiker ein Fest, Arendt zu lauschen. Bernsteins "kluge" Erklärungen liest der Rezensent ebenfalls mit Gewinn, allerdings vermisst er hier jegliche Form von Kritik. Und darüber, was Arendt zum Verhältnis von Politik und Wirtschaft zu sagen hatte, hätte Thomä auch gern etwas gelesen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.11.2020

Rezensent Thomas Meyer versteht Richard J. Bernsteins Buch über Hannah Arendt als Plädoyer für offenes Denken, das den Irrtum nicht scheut. Der laut Meyer von Andreas Wirthensohn glänzend übersetzte und hilfreich kommentierte Band ist aber kein hagiografisches Dokument einer Freundschaft, erklärt Meyer. Gerade Bernsteins kritischer Ansatz jedoch macht das Buch für den Rezensenten interessant. Mit Blick auf das engagierte Schreiben Arendts deckt der Autor ihre Fehleinschätzungen damals gegenwärtiger Problemstellungen auf, etwa zum Thema Eichmann. Die Vorverurteilung des engagierten Denkens als des schlechteren Denkens kann der Autor widerlegen, meint Meyer.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.09.2020

In einer Doppelrezension denkt Rezensent Christian Thomas nach über die Aktualität von Hannah Arendts Reflexionen zu Flüchtlingen und Staatenlosigkeit. Bernstein wird von ihm ausführlich zitiert und Thomas bescheinigt dem Autor mindestens so "engagiert" zu sein wie Hannah Arendt selbst. Insbesondere die Problematik der Menschenrechte, die eben keine staatsbürgerlich verfassten Rechte und damit ohne staatlichen Schutz seien, stößt ihm besonders auf und er zieht Arendts Analysen heran, um auf den Grund dieser ihn empörenden Kalamität zu kommen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 10.09.2020

Rezensentin Hannah Bethke wird beim Lesen von Richard J. Bernsteins Arendt-Buch vor allem bewusst, wie wichtig es ist, Arendt im Original zu lesen. Bernsteins Versuch, Arendts Texte, vor allem ihren Aufsatz "Wir Flüchtlinge" von 1943, anschlussfähig für die Gegenwart zu machen, findet sie dagegen überflüssig und im Blick auf Arendts Aussagen "fast krampfhaft" und sinnenstellend. Bernsteins Verteidigung von Arendts Eichmann-Buch findet Bethke zwar überzeugend, und das Buch als Überblick für Arendt-Neulinge durchaus geeignet. "Ahistorische Aktualisierungen" aber braucht kein Mensch, stellt die Rezensentin fest.