Sayed Kashua

Tanzende Araber

Roman
Cover: Tanzende Araber
Berlin Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783827004918
Gebunden, 278 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler. In ein jüdisches Internat wird der Held dieses Romans gesteckt. Als hochbegabter Schüler erhält er den begehrten Platz und sitzt nun als einziger Araber in einer Klasse voller jüdischer Kinder, die alles anders machen als er - selbst wenn es darum geht, wie man ein Hühnchen isst. Aufgewachsen ist er in dem arabischen Dorf Tira, mit der Legende seines 1948 ums Leben gekommenen Großvaters und einem ehrgeizigen Vater, der in seiner Jugend die Universitätscafeteria in die Luft gejagt und dafür zwei Jahre im Gefängnis gesessen hat und nun hofft, dass sein Sohn Pilot wird oder zumindest der erste Araber, der eine Atombombe baut. Der Sohn stellt sich allerdings als "Feigling" heraus.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.04.2003

Keine falsche Pietät, dachte sich wohl ein begeisterter Ludwig Ammann und berichtet, dass "Tanzende Araber", der erste in Hebräisch verfasste Roman eines muslimischen Schriftstellers, in Israel "wie eine Bombe einschlug". Kashua, Kolumnist und Filmkritiker, sei dort ein überaus erfolgreicher Außenseiter, der in seinem Debüt eine Figur geschaffen habe, die genau die Selbstverleugnung verkörpere, die dafür nötig ist. Ein selbstironisches Werk also: Der Held - ein Antiheld eher - passt sich so sehr an die jüdische Mehrheitsgesellschaft an, dass er sein Leben nur als Witz erzählen kann. Das wiederum, schreibt Ammann, eröffnet einen hellsichtigen, nichts und niemanden verklärenden Blick auf Israel - wer total desillusioniert ist, muss keinen in Schutz nehmen, und am wenigsten sich selbst. So transportiere der Opportunismus zugleich hinterhältige Kritik, erklärt Ammann und applaudiert: "unverschämt gut, ein sich steigerndes Vergnügen - trotz bitteren Wahrheiten."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.11.2002

In diesem Roman über Israel und Palästina führt die Demütigung nicht zu Zorn, sondern zu Selbsthass. Ein palästinensisches Wunderkind, dass nach den Vorstellungen des Vaters die erste arabische Atombombe bauen sollte, wird von einem israelischen Soldaten aus dem Bus gekickt und dann zum "Assimilationsfanatiker". Der Junge lernt nahezu perfekt hebräisch, schaltet bei den Verkehrskontrollen den israelischen Militärfunk ein und entwickelt sich, so der Rezensent Ulrich Baron, zum "ersten palästinensischen Stadtneurotiker". Der Autor des Buches, Sayed Kashua, ist israelischer Araber und von Beruf Filmkritiker. Sein Debütroman ist, so der Rezensent, nach "den gängigen Mustern autobiografischen Erzählens verfasst". Da der Wohnort des Autors (Beit Safafa) mit dem der Romanfigur (Beit Zafafa) nahezu übereinstimmt, vermutet der Rezensent, dass es sich bei dem Wunderkind um ein "alter ego seines Schöpfers handelt". Das Buch sei keine Meisterleistung, trage aber trotzdem zur "thematischen und perspektivischen Bereicherung" der israelischen Literatur bei.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.10.2002

Sehr differenziert setzt sich Stefan Weidner mit dem Erstling des arabisch-israelischen Autors Sayed Kashua auseinander, der seines Wissens Neuland betritt, insofern er - anders etwa als Emil Habibi - auf hebräisch schreibt. Es gelänge Kashua nicht, bedauert Weidner, dieses Neuland in literarischer Hinsicht fruchtbar zu machen. Der Autor verleihe seinem Antihelden "kein Bewusstsein, keine Seele, keine Sprache". Nicht einmal einen Narren oder echten Trottel wolle uns Kashua schenken, so dass die ganzen inneren Verrenkungen eines palästinensischen Israeli, der in einem israelischen Eliteinternat landet und vergebliche Anpassungsbemühungen unternimmt, kaum nachvollziehbar seien. Dabei bietet die Geschichte, mit autobiografischen Zügen ausgestattet, ausreichend Problemstoff, meint Weidner. Ihm ist die "erzählerische Selbstverstümmelung" des Autors nicht geheuer, da er nirgendwo einen Anflug von Selbstironie entdecken kann. So kommen die arabisch-israelischen Menschen - mit Ausnahme der Frauen - in dem Buch seiner Meinung nach einfach bloß schlecht weg.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2002

Eine "Sensation in der israelischen Literaturszene" war dieses Buch bei Erscheinen, lässt Rezensentin Katharina Granzin die Leser wissen. Diese Aufmerksamkeit ist wohl zu einem guten Anteil darauf zurückzuführen, dass zuletzt vor 15 Jahren ein israelisch-palästinensischer Autor einen Roman auf Hebräisch veröffentlicht hat. Aber auch abgesehen davon ist nach Granzins Meinung das Buch die Aufmerksamkeit durchaus wert, denn dem Autor gelingt nicht weniger, "als den Israelis die Geschichte einer ganzen Generation junger Araber ins Lesebuch" zu schreiben". Die Schwierigkeit für junge Araber mit israelischer Staatsangehörigkeit, in der israelischen Gesellschaft wirklich anzukommen, beschreibt der 27-jährige Autor "in meisterhaft lakonischen Szenen". Doch trotz dieser vordergründigen Abgeklärtheit und der "ironischen Leichtigkeit", die sich durch diese Erzählung zieht, entdeckt Granzin "einen verzweifelten Unterton" und ein Gefühl von Zerrissenheit in der Geschichte von einem "der irgendwo dazwischen tanzt".
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