Zeruya Shalev

Schicksal

Roman
Cover: Schicksal
Berlin Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783827011862
Gebunden, 416 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Atara ist zum zweiten Mal verheiratet, mit ihrer großen Liebe, doch neuerdings scheint Alex sich immer weiter von ihr zu entfernen. Noch größere Sorgen macht ihr der gemeinsame Sohn, ein Elitesoldat, der nach dem letzten Einsatz kaum mehr das Haus verlässt. Vielleicht um ihre Familie besser zu verstehen, vielleicht um ihr zu entkommen, sucht Atara Rachel auf, die erste Frau ihres Vaters, das große Tabu in Ataras Kindheit ... Die Idealistin Rachel scheint die Vergangenheit zu verkörpern - sie kämpfte mit dem Vater in der Untergrundmiliz gegen die Engländer und für einen israelischen Staat. Doch die Begegnung der beiden Frauen mündet in eine Katastrophe in der Gegenwart.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.08.2021

Rezensentin Sandra Kegel ist schwer beeindruckt davon, wie Zeruya Shalev in diesem Roman das Unverständnis des Menschen gegenüber der Geschichte und gegenüber dem eigenen Schicksal gestaltet und dem Leser vermittelt. Die politische und gesellschaftliche Realität Israels verknüpft sie dabei geschickt mit den Biografien ihrer Protagonistinnen, erklärt Kegel. Der hohe Ton der Erzählung um zwei Frauen verschiedener Generationen und die mannigfachen Verflechtungen ihrer von Gewalt, Sehnsüchten und Verrat geprägten Familiengeschichten scheint Kegel durchaus angebracht. Genau und immer wieder mit schlagenden Gleichnissen entfaltet die Autorin die familiären Dramen ihrer Figuren, staunt sie.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.07.2021

Rezensentin Irene Binal zeigt sich berührt von Zeruya Shalevs Roman "Schicksal". Darin wendet sich die israelische Autorin zum ersten Mal direkt der Geschichte ihrer Heimat zu, erklärt Binal. Den Ausgangspunkt ihrer Erzählung bildet die Biografie ihres Vaters, der kurzzeitig bei den radikal-zionistischen Lechi aktiv war, die in den vierziger Jahren gegen die britische Mandatsherrschaft kämpften. Um dessen Erzählungen und ihre eigenen Erinnerungen zu verarbeiten, entwirft die Autorin zwei Frauenfiguren, welche je eine der Generationen repräsentieren: Mittels dieser Figuren gelingt es ihr, ein "Panorama" der konfliktreichen israelischen Geschichte zu zeichnen und gleichzeitig Voraussetzungen für das Lösen dieser Konflikte zu skizzieren. Erinnern, Hinterfragen udnd Verstehen durchdringen einander, erkennt die Rezensentin. Von dem Austausch erzähle Shalev bedacht und präzise, dabei knüpfe sie unterschiedliche Geschichten zu einem feingliedrigen Gewebe aus Privatem und Politischem, lobt Binal.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.06.2021

In Zeruya Shalevs Romans sind eine persönliche Familiengeschichte und der politische Konflikt Israels aufs Engste miteinander verwoben, meint Rezensentin Sarah Pines. Die in Jerusalem wohnhafte Autorin erzählt hier, ganz im Sinne ihrer "sachten Besessenheit" mit Israel, so Pines, aus der Perspektive der knapp 50-jährigen, in zweiter Ehe in Haifa lebenden Atara von deren gewalttätigem Vater, der in den 40er Jahren als Teil der zionistischen Untergrundgruppe "Lechi" gegen die britische Besatzung in Palästina kämpfte. Inszeniert werde die Handlung dabei in Form eines Gesprächs zwischen Atara und Rachel, der ersten Ehefrau von Ataras Vater, erklärt Pines. Wie die Autorin mit ihrer "gedrängten" Sprache die innere "Enge" in der Ehe zwischen Atara und ihrem Mann, aber auch die Enge des gebeutelten Landes Israel verdeutlicht, scheint die Rezensentin zu beeindrucken. Ein Buch wie eine "Umarmung des gebrechlichen Jetzt", so Pines.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.06.2021

Laut Nils Minkmar will Zeruya Shalev einfach zu viel mit ihrem Roman. Wie sich Israels Geschichte und Geschichten in die Literatur "drängen", ist für ihn am neuenText gut zu studieren. Die Geschichte zweier Frauen in Israel wird für Minkmar zur Familien-Archäologie von Lügen und Gewalt und zur "historischen Pädagogik" über die Widerstandsorganisation Lechi. Die "gnadenlos" erzählte Patchworkfamiliengeschichte aus der Gegenwart, die der Roman laut Minkmar auch bietet, hätte dem Rezensenten allerdings durchaus genügt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 03.06.2021

Rezensent Carsten Hueck schätzt Zeruya Shalevs Kenntnis religiöser Schriften und ihr Wissen um die Geschchte Israels. Von beidem profitiert Shalevs neuer Roman um zwei unterschiedlichen Generationen entstammende israelische Frauen nach Huecks Meinung. Wie Shalev die von Generation zu Generation weitergegebenen religiösen und politischen Konflikte sichtbar macht, "eindringlich und suggestiv", findet Hueck unbedingt lesenswert. Anne Birkenhauers Übersetzung von Shalevs poetisch, spirituell und psychoanalytisch inspiriertem Roman lobt der Rezensent als "feinfühlig".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 02.06.2021

Rezensentin Miriam Zeh ist ganz hingerissen von diesem Roman. Zeruya Shalev erzählt hier von zwei Frauen, die eine 90, die andere 50 Jahre alt, von Liebe, Elternschaft und der Gründung des Staates Israel. Sie lobt die psychologische Einfühlung der Autorin in ihre Figuren. Zugleich sei "Schicksal" ein eminent politischer Roman mit einer "Vielzahl von Perspektiven", die eine militante israelische Kämpferin ebenso einschließt wie Siedlungskritiker und Liberale. Das führt zu scharfen Auseinandersetzungen, aber nicht zu Gewalt. Wenn es doch nur in der Realität auch so wäre, seufzt Zeh, die daneben noch ein ausdrückliches Lob an die Übersetzerin Anne Birkenhauer sendet.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.05.2021

Rezensent Carsten Otte hangelt sich gerne durch das dichte Erzählgeflecht, das Zeruya Shalev in ihrem neuen Roman entwirft. Aus der Perspektive Ataras, einer fast 50-jährigen Frau in Israel, wird hier die Geschichte von deren Vater Meno und seiner ersten Frau Rachel erzählt, die in den 1940er Jahren in einer Terrorgruppe gegen die britische Besatzung in Palästina kämpften und schließlich abrupt auseinandergerissen werden. Die Mischung aus Liebesdrama und "anspruchsvollen" politischen und religiösen Hintergründen, die Shalev bereits in ihren Vorgängerromanen geschaffen habe, scheint für den Rezensenten gut zu funktionieren. Auch das zuweilen kritisierte Pathos der Autorin hält er hier für dem Stoff angemessen und lobt Shalevs "beschwörende", "rauschhaft-künstliche" Sprache. Schade nur, dass sie von Anne Birkenhauer etwas altmodisch übersetzt worden sei, findet Otte. Der moderne Ton von Mirjam Pressler, der bisherigen Übersetzerin Shalevs, hat ihm da deutlich besser gefallen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.05.2021

Rezensentin Ursula März hat ein Problem mit Zeruya Shalevs neuem Roman. Die Geschichte über unentrinnbare Familienkonstellationen, die Shalev zwischen einer Architektin aus Haifa und der Geschichte ihres Vaters und seiner ersten Ehefrau als Mitgliedern der zionistischen Untergrundorganisation Leki konstruiert, scheint März allzu sehr auf eine Mystifizierung der ewigen Wiederkehr hinauszulaufen. Dass sich Familiengeschichte wiederholt, möchte März gerne glauben, und Shalev erzählt davon auf mitreißende Weise, findet sie. Doch mit der Verquickung von persönlicher und politischer Geschichte kommt März in diesem Fall nicht zurecht, weil sie der Geschichte Israels ebenfalls "etwas schicksalhaft Untentrinnbares" verleiht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 23.05.2021

Rezensentin Julia Encke hat sich mit Zeruya Shalev zum Videocall getroffen, um mit der israelischen Autorin über den Nahost-Konflikt und ihren neuen Roman zu sprechen. Den hält die Kritikerin für "hochaktuell" - und frei von Illusionen. Erzählt wird die Geschichte der Architektin Atara, die nach dem Tod des Vaters von dessen erster Liebe etwas über die gemeinsame Zeit der beiden im Untergrund erfahren will: Ataras Vater war - wie auch Shalevs Vater - Mitglied der "Lechi", einer zionistisch militärischen Untergrundorganisation in Palästina, deren terroristische Anschläge sich gegen die britische Mandatsherrschaft über Palästina richteten, informiert die Rezensentin. Allein wie Shalev in ihrem neuen Roman die Ereignisse der Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft, ringt Encke größte Anerkennung ab. Vor allem aber staunt sie über den neuen Ton der Autorin, die hier nicht mehr in langen "Kaskadensätzen" subjektives Empfinden schildert, sondern vielmehr knapp skizziert.