Sebnem Isigüzel

Am Rand

Roman
Cover: Am Rand
Berlin Verlag, Berlin 2008
ISBN 9783827008053
Gebunden, 416 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Türkischen von Christoph K. Neumann. Eine Mülldeponie am Rande von Istanbul. Hier lebt Leyla, die von den Obdachlosen die "Königin des Müllbergs" genannt wird, und hier versucht sie, ihr altes, makelloses Leben zu vergessen: Sie wuchs als Kind einer türkischen Diplomatenfamilie in Moskau auf und besuchte die Schachschule von Botwinnik, in der sie zu einer berühmten Schachspielerin ausgebildet wurde. Sie lernte sogar die Schachgenies Karpow und Kasparow kennen und trat gegen sie an. Kurz vor ihrer Einbürgerung musste Leyla nach Istanbul zurückkehren, um dort zu heiraten. Aber bald darauf richtete sich ihr Ehemann durch seine Alkoholsucht zugrunde. Leyla verließ die schöne Welt und schuf sich ein neues Leben - inmitten von Müll und in Vergessenheit geratenen Existenzen jenseits der Türme von Istanbul.
Eines Tages findet Leyla auf einem ihrer Streifzüge einen fast toten Mann im Müll. Sie nimmt ihn mit in ihre provisorische Lehmhütte, kümmert sich liebevoll um ihn und stellt sich mit der Zeit auch endlich der Tragödie ihres eigenen Lebens.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.05.2009

Anfangs begeisternd, später ermüdend. Für Ariane Breyer leidet dieses böse Märchen über eine lebensuntaugliche Träumerin einerseits an seinen Proust-Reminiszenzen, andererseits an den "weltfremden" und geschwätzigen Schilderungen des Überlebenskampfes der beiden Protagonistinnen. Das für Breyer durchaus erkennbare psychologische Potential der Figuren in diesem Roman wird von Sebnem Isigüzel leider mitunter unbeachtet gelassen und unter "allerlei selbstreflexiven Erzählexperimenten" begraben.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2008

In einer Mehrfachbesprechung zu neuerer türkischer Literatur kommt Tobias Völker auch auf den Roman "Am Rand" der Schriftstellerin Sebnem Isigüzels zu sprechen. Völker sieht das Buch als Teil einer neuen "Post-1980er-Literatur" , die provozieren will und den rasanten kulturellen Wandel widerspiegelt, den die türkische Gesellschaft trotz politischer Verschlossenheit in den letzten 30 Jahren durchgemacht hat. Der Militärputsch von 1980, der viele Autoren ins Exil trieb, bewirkte dadurch auch eine Emanzipation der Literaturszene: Themen wie Geschlechterrollen und Sexualität wurden nun aufgegriffen, berichtet Völker, die Schriftsteller mischten Privates mit Politischem, ohne sich einer Ideologie zu verschreiben. Isigüzels Buch hält Völker für "kantig, geradezu schroff"; die Autorin schreibe reißerisch, schräg und anklagend. Es geht um das Schicksal und die Begegnung zweier Heldinnen, einer Obachlosen und einer psychisch Kranken. Völker bedauert zwar, dass die Autorin stellenweise ins Ironische abdriftet und damit, wie er meint, der Wucht ihrer Worte im Wege steht. Doch das sei, wie er gleich einräumt, kein durchgehendes Manko - ein "magischer Realismus" überwiege.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.10.2008

Maike Albath lässt sich zunächst durchaus in den Bann von Sebnem Isigüzels Roman "Am Rand" ziehen, sieht sich aber zunehmend von einer formal allzu ambitionierten Erzählerstimme gestört. Die türkische Autorin erzählt parallel von Leyla, Diplomatentocher, Schachtalent und Königin der Istanbuler Mülldeponie, und der Musikwissenschaftlerin Yildiz, die eine Biografie über den verschwundenen Dirigenten "Karacan" verfasst. Anfangs ist die Rezensentin fasziniert von der Mischung von archaischem Märchenton und extremer, mitunter außerordentlich drastischer "Zeitgenossenschaft", die die mit allen Wassern strukturalistischer Texttheorien gewaschene Erzählerin an den Tag legt. Wenn aber gegen Ende die formalen Spielereien überhand nehmen und die Stimme der Erzählerin sich immer lauter und penetranter zu Gehör bringt, dabei konsequent die durchaus packende Hauptgeschichte dekonstruiert wird, ist es mit der Geduld der Rezensentin vorbei, und sie wünscht sich, Isigüzel hätte ihrer eigentlichen Geschichte "mehr vertraut", anstatt sich auf einen "Flirt mit erzähltheoretischen Diskursen" einzulassen.
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