Tanja Langer

Der Morphinist oder Die Barbarin bin ich

Roman
Cover: Der Morphinist oder Die Barbarin bin ich
Luchterhand Literaturverlag, München 2002
ISBN 9783630871158
Gebunden, 377 Seiten, 22,50 EUR

Klappentext

"Immer war es am Ende meiner Schwangerschaften, daß er aufkreuzte und sich in meinen Träumen festsetzte, mich dickbäuchig und schwerfällig in Bibliotheken trieb." Bei diesem "er" handelt es sich um Dietrich Eckart, der 1923 am Obersalzberg wenige Tage nach dem Marsch auf die Feldherrnhalle in München starb. Ihn, den Vordenker und ersten Propagandisten der Nazis, bekommt die Erzählerin nicht aus dem Kopf. Sie muss der Frage folgen, weswegen dieser verdrehte Geist sich jenen mörderischen Antisemitismus, der im Völkermord endete, als erster ausgedacht hat...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.04.2002

Dietrich Eckart war, wie Martin Halter mit einem etwas geschmacklosen Vergleich formuliert, "der Johannes des nationalsozialistischen Messias", ein Vorarbeiter der Bewegung also. Ja, mehr als das: er schrieb nicht nur deutschnationale Lyrik ("so schön wie von Goethe", meinte Hitler), gab den "Völkischen Beobachter" heraus, er hat, so Halter, Hitler entdeckt und geformt. Eckart war aber auch "Alkoholiker und Morphinist" und für alle Parteizwänge ganz untauglich. Tanja Langer nun will die Vorgeschichte des Nationalsozialismus an dieser Figur erzählen, und zwar ganz ohne Hitler. Manches an dem Buch gefällt dem Rezensenten, etwa, trotz mancher Längen, die" biografischen Passagen" im zweiten Teil. "Schwer erträglich" findet Halter jedoch den ständigen Versuch, Parallelen zwischen Eckart und der Erzählerin herzustellen, die dann aufs Barbarische unserer Gegenwart am Beispiel des barbarischen Eckart verweisen sollen. Im ganzen, so Halters bedauerndes Fazit, ist Langers literarisches Vorhaben "gescheitert".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.04.2002

Ein glatter Verriss! Rezensent Andreas Nentwich ist zwar durchaus bereit anzuerkennen, dass es ein "ehrenwertes Vorhaben" sei, die NS-Ideologie durch das Hineindenken in einen ihrer Vordenker verstehen zu wollen. Ansonsten lässt Nentwich jedoch kein gutes Haar an diesem zweiten Roman von Tanja Langer, deren gefeiertes Debüt "Cap Esterel" 1999 ihm eigentlich auch schon nicht besonders gefallen hat. Die Sprache Langers findet der Rezensenten schier unerträglich. Pathetisch, gefühlsschwanger, "vom Jargon der Selbsthilfegruppe ins lexikalische Referat" - das sind nur einige der Vorwürfe. Mit dieser Sprache werde der Leser auch inhaltlich vom Regen in die Traufe und zurück getrieben: von lauter vagen Vermutungen zur NS-Ideologie zu den "Seelenergießungen" der Autorin. Kein wahres Vergnügen also.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.03.2002

Um vorsätzliche Irreführung handelt es sich mal wieder bei der Gattungsbezeichnung, klagt Rezensent Thomas E. Schmidt. Nie und nimmer sei das ein Roman, die Struktur ist offen, es handle sich in großen Teilen um "allerpersönlichste", allerdings auch "gelegentlich preziöse Selbstbeobachtung der Erzählerin". Darüberkopiert, übers Selbstbeobachtete, ist die Geschichte des antisemitischen Hitler-Mentors Dietrich Eckart. Am faszinierten Verhältnis der Erzählerin zu dieser Figur soll eine "Mentalität" erinnert, nicht historisch Ereignetes berichtet werden. Das allerdings gelingt, findet der Rezensent, nur halbwegs. Viel exemplarischer hätte Langer die Darstellung Eckarts anlegen müssen, viel strenger auch dem bloß Belanglosen des ins Tagebuchhafte spielenden Notats widerstehen sollen. So aber gerät das mutige Unternehmen, bedauert Schmidt, "immer wieder an den Rand des Misslingens".