Thomas Steinfeld

Riff

Tonspuren des Lebens
Cover: Riff
DuMont Verlag, Köln 2000
ISBN 9783770149865
Gebunden, 274 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Bum. Tschak. Ein Auto hält vor einer Ampel, durch das Blech hört man ein Riff: Bum. Bum. Tschak. Begeistert schlägt der Fahrer auf das Lenkrad. Nur zum Schein ist unsere Welt immer berechenbarer geworden, auf den Tonspuren ihres Alltags führen die Menschen ein Doppelleben. Musik spielt pausenlos für das Ich ihrer Tagträume. Thomas Steinfeld erzählt in vierundzwanzig thematischen Stücken, wie Elemente der Musik, Figuren der Literatur und Motive des Films sich verbinden: Wochenlang zieht der Dichter Peter Handke über die spanischen Ebenen, auf der Suche nach einer Jukebox, die ihm, one, two, three, four, die Anmut seiner Jugend wiedergibt. Wenn die Welt in Feuer und Rauch aufgeht, schickt der Regisseur Michelangelo Antonioni die Gruppe Pink Floyd aus, um den Untergang zu besiegeln. Ein Schlager ist zu hören, wenn Humbert Humbert zum ersten Mal seine Hand über Lolitas Oberschenkel gleiten lässt. Ein Höllenlied wird gebrüllt, wenn Quentin Tarantinos Mörder den Revolver ziehen. Und Rainald Goetz erwürgt den Schlaf in sich, um im hämmernden Bass das Gesetz der wahren Hingabe zu finden. Überall ist diese Musik. Ein gerader Takt, drei schlichte Töne: ein Riff.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.04.2001

In 24 kleinen Rhapsodien verfolgt der Autor die populäre Ton-Spur als "Grundgeräusch der Moderne". Und er macht seine Sache gut, wie wir den Ausführungen von Manfred Papst entnehmen können. Steinfeld, schreibt er, beherrscht die Kunst der impressionistischen Skizze genauso wie das Anekdotische und den Umgang mit dem notwendigen Faktenmaterial (aus Künstlerbiografien und Romanen). Dass uns der Autor dabei wenig Neues zu erzählen hat, tritt für Papst dagegen in den Hintergrund, schließlich gehe es um die elegante feuilletonistische Darreichung und mehr um Bilder als um Argumente. Allerdings, Gescheites und Originelles hat Papst auch entdeckt: Den Titelessay z.B. oder die im Band enthaltene Skizze zum Polaroidfoto. Wo da jetzt die Musik spielt, sagt er uns aber nicht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.02.2001

"Tonspuren des Lebens" lautet der Untertitel zu "Riff". Dass der Autor, Literaturchef der FAZ, ein Fan elektronischer Musik sein könnte, vermutet man vielleicht nicht unmittelbar, doch seine Begeisterung für moderne Unterhaltungsmusik von Rock über Blues, Soul und Heavy Metall bis hin zu Rap und Rave ist offensichtlich intensiver als die eines "normalen" Fans, denn sie hat sein wissenschaftliches und historisches Interesse auf den Plan gerufen. In 24 Kapiteln erstellt Steinfeld eine "Empfindungsgeschichte der jüngsten Neuzeit", fasst Andreas Nentwich den Inhalt des Buches zusammen. Steinfeld hebe dabei die Bedeutung der Technik heraus. Es sei die Elektronik, die die Musik präge, die mit ihren zahlreichen Hilfsmittel "Macht über die Seelen" bekomme. Aber das ist längst nicht alles und wohl auch nicht das Interessanteste an "Riff". Zwei weitere Aspekte des Buches stellt Nentwich dem Leser vor: Der erste ist ein kurzer historischer Abriss, der zweite der Nachweis von zahlreichen Verflechtungen der populären Musik mit anderen kulturellen Bereichen. Dass Rock und Pop in jeglicher Form auf der Leinwand eine Rolle spielen, weiß jeder, aber Steinfeld weist auch Verbindungen zu Literatur und Malerei nach, erläutert Nentwich und nennt als Beispiele Handke und Warhol.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.01.2001

Gerrit Bartels lobt das Buch zunächst nachdrücklich, um dann etwas später doch Zweifel anzumelden. Die Untersuchung, in der der Autor den Spuren der Popmusik in Literatur, Film und bildender Kunst nachgeht, wird vom Rezensent als "aufschlussreich, angenehm unphilologisch" und "fein" zu lesen gepriesen. Der Autor folge mitunter "seltsamen Linien", indem er das Verhältnis von den Eagles zu Hans Castorp oder Marcel Prousts zu Phil Collins in den Blick nehme. Das macht dem Rezensenten Spaß und er folgt dem Autor bereitwillig in seinen Spekulationen. Doch insgesamt bemerkt er bei Steinfeld eine "Ambivalenz" der Popmusik gegenüber; er sei zwar "fasziniert" von ihr, spreche ihr aber den Kunstgehalt ab. Zudem sei sein Musikgeschmack und sein Musikinteresse in den sechziger und siebziger Jahren steckengeblieben. Was der Autor nach Meinung des Rezensenten fast völlig verschweigt, ist die Tatsache, dass es in der Popmusik wenigstens zum Teil auch um "Widerstand" ging. Dieser Aspekt werde "weiträumig ausgeblendet" bzw. ziemlich "unverständlich" angedeutet, moniert Bartels.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.12.2000

In "Riff - Tonspuren des Lebens" widmet sich Thomas Steinfeld einem zweifelsohne anspruchsvollen Gegenstand. Hier geht es, so Hans- Klaus Jungheinrich , um nichts geringeres als um die "Einbettung der Popkultur in ein umfassendes aktuelles ästhetisches Konzept, ja in eine integrale Lebenspraxis". So ganz scheint der Rezensent jedoch nicht zu wissen, was er von diesem Projekt zu halten hat. Einerseits spricht aus der Beschreibung von Steinfelds Bemühungen um die Verknüpfung von Film, Literatur, Fotografie, Bildender Kunst und Popkultur eine gewisse Sympathie, zum anderen ist der immer wieder aufblitzende ironische Ton nicht zu überhören. Jungheinrich wundert sich schließlich auch, dass die Frage, inwieweit Pop alles verdrängt, "Kultur insgesamt dazu tendiert, `Pop` zu werden", sich für Steinfeld gar nicht zu stellen scheint, ebensowenig wie die Frage nach der neuen Definition von Kategorien, denn das Schöne, das Wahre oder gar das Wunderbare würden ja nicht mehr so recht passen. "Pop mit Blümchen als Bildungsbürger-Schlafrock"?, fragt er abschließend provozierend.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.12.2000

Thomas Steinfelds Buch sei ein kluges Plädoyer für die Aufhebung der Trennung von U- und E-Musik, schreibt Edo Reents, das interessanterweise auf Denkweisen des 19. Jahrhunderts und der Romantiker zurückgreift, für die sich das romantische Lebensgefühl unmittelbar in der Musik widerspiegelte. "Vollendet hat sich die Romantik erst im 20. Jahrhundert", zitiert Reents den Autor, mit der Pop-Musik, die in alle Bereiche des Lebens eindringt und alle Lebenslagen musikalisch begleitet. Für den Autor, Literaturchef der FAZ, kein Anlass zum kulturkritischen Naserümpfen, er nimmt die Unterhaltungsmusik ernst, versichert der Rezensent. In 24 Kapiteln unternehme Steinfeld eher impressionistische Analysen dieses modernen, musikalisch stets präsenten Lebensgefühls, das er in Dialogen mit Literaten (Mann, Nabokov, Houellebecq), Filmemachern (Wenders, Pasolini) und Künstlern (Warhol, Corbijn) dieses Jahrhunderts näher beleuchtet. Manche Verknüpfung kommt Reents etwas willkürlich vor und einige sachliche Fehler hat er auch gefunden, die in einer neuen Auflage getilgt werden sollten. Dennoch: ein intelligentes und verständliches Buch.
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