Tommy Orange

Dort dort

Roman
Cover: Dort dort
Carl Hanser Verlag, München 2019
ISBN 9783446264137
Gebunden, 288 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Hannes Meyer. Jacquie ist endlich nüchtern und will zu der Familie zurückkehren, die sie vor vielen Jahren verlassen hat. Dene sammelt mit einer alten Kamera Geschichten indianischen Lebens. Und Orvil will zum ersten Mal den Tanz der Vorfahren tanzen. Ihre Leben sind miteinander verwoben, und sie sind zum großen Powwow in Oakland gekommen, um ihre Traditionen zu feiern. Doch auch Tony ist dort, und Tony ist mit dunklen Absichten gekommen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 30.01.2020

Dieser Roman bietet keine Wohlfühllektüre, warnt Rezensent Eberhard Falcke. Tommy Orange erzählt in seinem grandiosen Debütroman vom Alltag der assimilierten Ureinwohner Amerikas und von ihrer brutalen Vergangenheit. Dabei gelingt es ihm, stets die Waage zu halten zwischen "sozialkritischer Anklage und nüchterner Bestandsaufnahme", zwischen Elend und Stolz seiner Figuren, zwischen Erzählung und Essay, so Falcke. Der Autor, der sich selbst den Chayenne und Arapaho-Stämmen zugehörig fühlt, hüte sich jedoch davor, seine Figuren als mitleiderregende Vertreter eines gemeinsamen Schicksals zu porträtieren. Stattdessen zeigt er sie als individuelle und facettenreiche Menschen, die sich ein möglichst gutes Leben zu erkämpfen versuchen, lobt Falcke, der "Dort dort" so differenzierend wie spannend findet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.10.2019

"There, there" heißt so viel wie "Ist schon gut", erklärt Cornelius Dieckmann, der Tommy Oranges Debütroman eine hymnische Besprechung widmet. Denn Orange gelinge es, den Leser tief ins "indianische Bewusstsein" blicken zu lassen, dabei das Schicksal der "Native American Indians" und den weißen Rassismus in den hier versammelten Miniaturen weder klagend noch "triumphal" anzudeuten und zugleich von der Identität moderner Natives zu erzählen, staunt der Kritiker. Er folgt hier aus verschiedenen Perspektiven einer Gruppe junger Natives, die sich alle unabhängig voneinander auf ein Powwow, ein indianisches Fest, vorbereiten und sich sehr unterschiedlich mit ihrer Identität auseinandersetzen. Vor allem aber bewundert Dieckmann, wie der Autor das Verhältnis und die Missverständnis zwischen den Natives schildert: Es gibt "Wortführer" und es gibt "Zuhörer", lernt er und liest den Roman auch als "polemischen Essay" gegen Fremddefinition.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.09.2019

Rezensent Harald Eggebrecht bleibt das Lachen im Hals stecken beim Lesen von Tommy Oranges Roman über den Clash zwischen indigenen Amerikanern und weißen Eindringlingen. Zwölf traumatische Lebensgeschichten von Ureinwohnern weiß der Autor laut Eggebrecht so miteinander zu verbinden und in ihrer ganzen Drastik zu erzählen, dass sie dem Leser nicht als Pathos oder Klage, sondern als brennender Zorn begegnen. Den Indigenen gibt der Autor damit eine eigene Stimme, versichert Eggebrecht. Energiegeladen, filmisch strukturiert, poetisch, witzig und fesselnd, findet der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 12.09.2019

Tommy Oranges Debütroman ist wahrscheinlich das erbarmungsloseste Buch über die Geschichte der Native Americans, das je geschrieben wurde, vermutete Rezensentin Susanne Messmer. Von den zwölf Figuren, die Orange nacheinander vorstellt, kann sich nur der junge Orvil einen winzigen Rest Hoffnung bewahren, so Messmer - ein verzweifelter Glaube daran, selbst die Erinnerung zu verkörpern, die er nicht mehr hat. Tommy Orange zeigt das Leben und die Probleme der Native Americans schonungslos und in aller Härte, so Messmer. Auch Ästhetisierungen wie zum Beispiel das Klischee vom "edlen Wilden", sind in erster Linie Abgrenzungsmechanismen der Anderen und kein "Mittel, den Menschen ihre Würde zurückzugeben", lernt sie. Mit seinen knappen, direkten und eindrücklichen Beschreibungen gelingt dem Autor ein Stück wertvolle Aufklärungsarbeit, lobt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.09.2019

Berührt und bewegt liest Rezensentin Angela Schader diesen Roman, in dem sie eine "wohlabgewogene Mischung aus Wut und Klarsicht" entdeckt. So dringlich hat sie Identitätsfragen selten behandelt gesehen: Tommy Orange erzählt in "Dort dort" vom heutigen Leben der Cheyenne, das in seiner Trostlosigkeit der Rezensentin ans Herz geht: Alkoholismus, Armut, junge Frauen, die sich selbst das Leben nehmen, junge Männer, die ohne Chance ins Leben starten. Wie die Rezensentin erklärt, führt Orange ein ganzes Ensemble von Figuren dem Finale entgegen, dem großen Powwow in Oakland, und sie verrät, dass sich dieses Finale sehr gewaltvoll gestalten wird. Bis dahin hat sie einen Roman gelesen, dessen Konstruktion mitunter durchscheint, der sie aber dennoch durch Raffinesse und die quälenden Fragen, die er aufwirft, beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 31.08.2019

Rezensentin Judith von Sternburg annonciert ein außergewöhnliches Debüt mit diesem Roman von Tommy Orange, der - selbst Sohn einer weißen Mutter und eines Vaters vom Stamm der Cheyenne - vom Leben der nordamerikanischen Natives erzählt. Die Kritikerin begleitet hier zwölf Menschen, die zu einem Powwow, einem Fest von Native Americans, nach Oklahoma reisen und bewundert, wie der Autor aus verschiedenen Perspektiven und in "feinen Abstufungen" von sehr unterschiedlichen, aber stets gebrochenen Lebensläufen erzählt. Dass es registrierte, nicht registrierte und nicht berechtigte Stammesmitglieder gibt, lernt die Rezensentin hier ebenso, wie sie erfährt, dass auch die Schichtzugehörigkeit eine Rolle spielt. Was Tradition für die Natives bedeutet - und nicht bedeutet, liest Sternburg in diesem, wie sie findet, fesselnden und "intensiven" Roman ebenfalls.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 24.08.2019

Tommy Orange ist Sohn einer weißen Mutter und eines Vaters vom Stamm der Cheyenne, klärt Rezensentin Gabriele von Arnim auf. Der junge Autor weiß also, wovon er schreibt, wenn er in seinem Debütroman die Geschichte von zwölf Native Americans erzählt, die zum Teil ganze normale Stadtleben als Postbotin, Drogenberater oder Filmemacher führen, darüber hinaus aber mit Alltagsrassismus und Identitätssuche konfrontiert sind. Ein traditionelles Fest in Oakland, ein "Powwow" eint die Lebenslinien der Heldinnen und Helden, den ein jeder und eine jede bereiten sich auf eigene Weise darauf vor: Die einen organisieren, die anderen üben mit YouTube indigene Tänze, wieder andere planen einen Coup mit Pistolen aus dem 3D-Drucker, resümiert Arnim. Wie Orange ohne Klischees, dafür mit umso mehr Einfühlungsvermögen von seinen ebenso "brutalen" wie "naiven" Figuren erzählt, gefällt der Kritikerin gut.