Karl Schlögel

American Matrix

Besichtigung einer Epoche
Cover: American Matrix
Carl Hanser Verlag, München 2023
ISBN 9783446278394
Gebunden, 832 Seiten, 45,00 EUR

Klappentext

Was macht Amerika aus? Karl Schlögels besonderer Blick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts: die großen Jahre der USA Karl Schlögel hat als Historiker den Osten nach Europa zurückgebracht. Er hat aber auch intensiv die USA bereist, wo ihn die Weite des Landes genauso faszinierte wie in Russland. "American Matrix" erzählt, wie Nordamerika von Eisenbahn und Highway erschlossen wurde, Städte und Industrien aus dem Nichts entstanden, Wolkenkratzer in den Himmel schossen - Errungenschaften einer Gesellschaft, die sich frei von allen Traditionen fühlte. Das Versprechen des American Way of Life veränderte die Welt genauso wie das sozialistische Experiment.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 03.02.2024

Ein "Meisterwerk der Erzählkunst" nennt Michael Hesse das Buch des Osteuropa-Historikers Karl Schlögel über Amerika: Schlögel verbindet darin eigene Streifzüge durch die USA mit den Erfahrungen bekannter Reisender wie den russischen Schriftstellern Ilf und Petrow oder dem Soziologen Max Weber. Wir erfahren einiges über die Entstehungsgeschichte des Hoover-Damms, etwa, dessen New-Deal-Architektur den Demokraten hugeschreiben wird, obwohl sie den Republikanern zu verdanken ist, aber auch über die Abgründe des Kommunismus, so Hesse, denn Schlögel vergleicht fortwährend die USA mit der UdSSR. Er empfiehlt das Buch vor allem jenen, die die "tiefen Risse in der US-amerikanischen Gesellschaft" besser nachvollziehen wollen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.10.2023

Rezensent Robert Misik schwärmt für Karl Schlögels "packendes" Buch über den Mythos Amerika. Dabei beobachtet der Autor selbst laut Misik eher zurückhaltend und lässt andere für sich sehen: Tocqueville, Weber, Kerouac oder sowjetische Autoren, die in den USA der 1930er Vorbilder suchten und fanden, um in der Heimat einen "Soviet Americanism" zu etablieren. Schlögels umfangreiche Expedition ist für Misik eher "Lektürebericht", aber nicht darum nicht weniger spannend. Durch die Augen der Amerikareisenden vor ihm, erläutert Misik, erschließt uns der Autor das Land, das Campusleben, die Architektur, Hollywood, den Sport, die Gewalt, den Rassismus. Höchst erhellend, findet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.2023

Etwas zwiespältig, aber am Ende versöhnlich klingt Dieter Thomas Kritik des vorliegenden Wälzers. Bis zu einem gewissen Grad kann er Schlögels Faszination für das Monumentale folgen. Besonders gelungen scheint ihm der Band, wenn Schlögel etwa, bewaffnet mit einem alten Baedeker, Max Weber bei seiner Expedition in die Schlachthöfe von Chicago folgt. Aber der Hang zum Monumentalen macht die Lektüre für Thoma teilweise auch zäh: Er diagnostiziert bei Schlögel ein "Desinteresse an der Zeit". Schlögel reist für ihn durch das amerikanische 20. Jahrhundert, ständig auf der Suche nach "Wucht" und "Erhabenheit" und nach dem Vergleich mit der Sowjetunion. Aber was Thoma dabei ein wenig abhanden kommt, sind die Menschen, die Akteure, aber auch zeitliche Formen der Kunst wie Musik oder Film. Teilweise erscheint ihm das Buch auch redundant und ein wenig nachlässig redigiert. Dennoch: Am Ende gibt Thoma eine Leseempfehlung, denn eines kann er nicht leugnen: Er hat bei der Lektüre eine Menge gelernt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.10.2023

Rezensent Ronald Düker ist fasziniert von Karl Schlögels Buch über die USA, das das Land von seiner gigantischen Weite her denkt. Schlögel arbeitet auch andere Amerika-Betrachtungen auf, erfahren wir, von Alexis de Tocqueville über Adorno bis zu den sowjetischen Autoren Ilja Ilf und Jewgeni Petrow, die in den 1930er Jahren die USA bereisten und ebenfalls den Raum, beziehungsweise die Highways ins Zentrum stellten. Schlögel selbst war früher Maoist, erläutert Düker, und sein Buch verarbeitet auch den Gesinnungswandel, den eine Amerikareise, die Begegnung mit weiten Landschaften und freundlichen Menschen, bei ihm auslöste. Besonders gut gefallen Düker Passagen, die das New-Deal-Amerika Roosevelts und die stalinistischen Industrialisierungsprogramme als Parallelprojekte beschreiben, die teilweise auch in Austausch miteinander entstanden. Toll ist die Materialfülle, schließt die Rezension, auch wenn der Tonfall ein wenig nostalgisch ist; über das Amerika von Elon Musk und Donald Trump verliert Schlögel auffällig wenig Worte, findet Düker.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 28.09.2023

Mitgetragen wie von einer sanft rumpelnden Eisenbahn durch die Prärie lässt Wolf Lepenies dieses Buch Revue passieren, dessen Monumentalität der "American Matrix" wohl nur angemessen ist. Lepenies stellt Karl Schlögel als einen Historiker der Räumlichkeit vor: Die Geschichte Amerikas schildere Schlögel als eine der Raumbewältigung. Und Lepenies zitiert die wunderbare Formel von Gertrude Stein über die amerikanischen Highways, die er sicher auch bei Schlögel gefunden hat: Sie sprach von ihnen als "Raum der Zeit, der immer in Bewegung ergriffen ist". Besonderes Augenmerk scheint Schlögel, der nun mal vor allem ein Russland-Historiker ist, auf die Konkurrenz zwischen der Sowjetunion und Amerika zu legen. Stets hat sich die Sowjetunion, was ihre Zukunftsvisionen anging, an Amerika gemessen, nicht an Europa. Und in vielen Etappen der industriellen Modernisierung beider Länder erkennt Schlögel eine "unangestrengt-natürliche Übereinstimmung", so der Rezensent. Von Schlögel lernt er auch, dass Protagonisten der amerikanischen Moderne wie Frank Lloyd Wright in der Kritik am "Manhattanism" und "Skyscraperism" Amerikas mit stalinistischen Kritikern übereinstimmten. Und dass die Modernisierung der Sowjetunion sich auch amerikanischer Hilfe verdankte, etwa den Autowerken, die Henry Ford baute. Das Buch endet ein bisschen abrupt, bedauert der Rezensent, der gern auch noch eine Perspektive ins kommende "chinesische Jahrhundert" gewiesen bekommen hätte.