Tony Judt

Das Chalet der Erinnerungen

Cover: Das Chalet der Erinnerungen
Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 9783446238152
Gebunden, 224 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Von London über Paris nach New York: Tony Judt hat die Schauplätze seines Lebens in einer einzigartigen Autobiografie festgehalten. Ans Krankenbett gefesselt, reiste er im Kopf noch einmal an Orte in den USA und Europa und verwandelte seine Erlebnisse in kleine Essays. In wenigen Sätzen kann der Historiker die Atmosphäre im London der ersten Nachkriegsjahre beschwören, genau erinnert er sich daran, wie ein Fremdenführer im München der 60er Jahre noch nichts von Dachau wissen wollte. Dieses Buch ist das Vermächtnis eines Intellektuellen, der wie kaum ein anderer unsere jüngste Vergangenheit und Geschichte beobachtet und reflektiert hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.04.2012

Dieses Vermächtnis Tony Judts in Händen staunt Matthias Weichelt über die mnemotechnischen Raffinessen des Autors. Judt, erkrankt an einer unheilbaren Störung des motorischen Nervensystems, imaginiert sich zum Zweck der Erinnerung an seine nächtlichen Lebensbilder zurück in eine Schweizer Berghütte, in der er als Kind mit seinen Eltern einen Urlaub verbracht hat. Die Topografie der Hütte ermöglicht ihm ein "Ablegen" und Wiederfinden der Geschichten, die er anderntags zur Niederschrift diktiert. Das Ergebnis, eine Zusammenschau von Privatem und Politischem, Erinnerung und Gefühl, Verstand und Intuition, überzeugt Weichelt durch seine poetische Kraft und seinen existentiellen Ernst, aber auch durch die ironische Melancholie, wenn Judt sich an seine Studienjahre, an das London der 50er Jahre oder an vergangene Sommer im Kibbuz erinnert. Und in allem spürt er noch den Furor - gegen falsch verstandene Identität etwa oder gegen den Sprachverfall.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.04.2012

Ziemlich angetan ist Rezensent Robert Misik von diesem autobiografischen Essayband des 2010 verstorbenen britischen Historikers und Intellektuellen Tony Judt. Er berichtet, dass der Autor an der Nervenkrankheit ALS litt und in den letzten Jahren seines Lebens eine beeindruckende Produktivität entfaltete, aus der u.a. "Das Chalet der Erinnerungen" hervorgegangen ist. Die Essays dieses Bands findet Misik ungemein packend, was er nicht zuletzt darauf zurückführt, dass Judt akademische Gepflogenheiten hinter sich gelassen hat und eher als "Erzähler und Schriftsteller" denn als "Geschichtsprofessor" auftritt. Thematisch umfassen die Essays nach Angaben Misiks ein weites Spektrum, sind teils Lebenserinnerungen, teils politische und intellektuelle Stellungsnahmen. Nicht zuletzt sieht er den Band als "Rückblick eines Sechziger-Jahre-Linken", der sich sowohl kritisch mit der eigenen Generation als auch mit den Konservativen und Neoliberalen auseinandersetzt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.02.2012

Die Autobiografie des 2010 an einer Nervenkrankheit verstorbenen Historikers Tony Judt ist für den beeindruckten Martin Meyer ohne Zweifel ein zukünftiger “Klassiker der Erinnerungsliteratur". Nicht nur das Wissen des Autors um seinen nahenden Tod und die schwierigen Entstehungsumstände - Judt konnte nicht mehr selbst schreiben und musste das Buch unter erheblichen Behinderungen diktieren - machen dieses Buch besonders, betont der Rezensent. Judts “geniale" Idee, in seinen Erinnerungen wie in einem Schweizer Chalet herumzuwandern und die verschiedenen Themen, die sein Leben beherrschten, in einzelnen Räumen zu ordnen, verknüpft die vielen Lebensfäden zu einem dichten Gewebe, so Meyer gefesselt. Und derer gab es viele, wie uns der Rezensent vor Augen führt: Judt erinnert sich an Kindheit und Jugend, seine frühe Sympathie für den Marxismus, von dem er sich spätestens in seiner Cambridge-Zeit abwandte, oder seine kontroverse Auseinandersetzung mit Israel und seinen jüdischen Wurzeln. Charakteristisch für Judt ist in den Augen des Rezensenten der genaue und an der Anschauung geschulte Blick auf die Dinge und sein scharfes Gespür für Veränderungen und Verschiebungen in unserer Welt. Ein wahrer “Glücksfall", dass der Autor dieses Buch noch schreiben konnte, preist Meyer, und wegen seiner “Geistesstärke und Menschlichkeit", die aus diesen Erinnerungen sprechen, ein “Trostbuch" noch obendrein.
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