Tor Age Bringsvaerd

Die wilden Götter

Sagenhaftes aus dem hohen Norden
Cover: Die wilden Götter
Die Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783821845043
Gebunden, 311 Seiten, 29,65 EUR

Klappentext

Deutsche Fassung von Tanaquil und Hans Magnus Enzensberger. Mit 77 Zeichnungen, Initialen und Vorsatz von Johannes Grützke. Nehmen wir kein Blatt vor den Mund: Die deutsche Geschichte hat uns manches versaut. Zu ihren Opfern zählt auch eine der erstaunlichsten Götterwelten der Welt: die nordische Mythologie. Von Richard Wagner ebenso genial wie schwerfüßig auf die Opernbühne verschleppt, von Chauvinisten und Rassisten vereinnahmt, von den Nazis bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, fristet sie bis heute ein Schattendasein in der rechten Ecke. Wie tölpelhaft das war und ist, zeigt der Norweger Tor ge Bringsvaerdmit seiner rasanten Nacherzählung, die auf genauer Quellenkenntnis beruht und mit allen herrschenden Klischees aufräumt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.01.2002

Die "nordische Götterszene" ist wieder "zur Besichtigung freigegeben" und das soll sich schnell herumsprechen, wünscht sich Rezensentin Kristina Maidt-Zinke. Denn von Wagners Interpretationen oder der folgenden Rezeption durch Rassisten und Nazis sei die Sammlung altnordischer Götter- und Heldenlieder in Wahrheit "um Seemeilen entfernt". Maidt-Zinke ist ganz begeistert von Tor Age Bringsvaerds Version der Edda, in der die Götter so herrlich menschliche Züge und Fehler haben und immer für eine böse Überraschung gut sind. Zwar ginge bei einer modernen Prosafassung immer etwas von der Stimmung des Originals verloren, aber diese Enzensberger-Übertragung vermittle dennoch etwas von dem "eigenartigen, leicht ironischen Understatement-Ton" der altnordischen Dichtung. Reichlich Hintergrundinformationen gibt es außerdem in dem Kommentar von Tanaquil Enzensberger zur Quellen- und Rezeptionsgeschichte, ein detailliertes Register und vor allem die Illustrationen von Johannes Grützke runden dieses Werk von "mitreißender Lebendigkeit" ab, schwärmt die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.12.2001

Wolfgang Müllers Rezension hat eine Vorgeschichte: der Island-Experte der taz ersteigerte bei einem Berliner Antiquar ein vergilbtes Exemplar der ersten deutschen "Edda"-Übersetzung aus dem Isländischen, die von einem gewissen Jacob Schimmelmann stammte und ein "abstrus-wirres Machwerk" war, weil er u.a. das gute Stück von dem Vorwurf der Unchristlichkeit befreien musste. Müller berichtet auch von den nachfolgenden Übersetzungen, die mal mehr und mal weniger das Germanentum in den Vordergrund stellten. Von der Vereinnahmung durch die Nazis habe sich das Werk bis heute nicht erholt, stellt Müller fest, weshalb er die Neuerzählung des altisländischen Mythenstoffes besonders begrüßt, die den eigentlichen Anlass zu diesem Artikel gibt: frisch, lebendig, klar verflechte der norwegische Autor Bringsvaerd die komplizierten Erzählstränge der "Edda" mit ihren aberwitzigen Metamorphosen. "Die wilden Götter" haben ab jetzt einen Ehrenplatz in seinem Regal, gleich neben der vergilbten "Edda" von Schimmelmann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.11.2001

Die Nacherzählung der Göttermythen aus der "Edda" des norwegischen Schriftstellers Tor Age Bringsvaerd geht in zweifacher Hinsicht über das Original hinaus, so Hermann Wallmann: Zum einen schreibe der Autor keine Nachdichtung, sondern lege eine "prosaische Version" vor, zum anderen gehe er mit dem Epos frei um, womit er sich von philologischer Genauigkeit löse. Der Rezensent bedauert, dass einige frühere Romane von Bringsvaerd vergriffen bzw. aufgrund des Desinteresses der Verlage gar nicht erst auf deutsch erschienen sind. Er lobt den Anspruch des Autors auf "Destabilisationsliteratur", die in den früheren Romanen ganz deutlich zu Tage trete. Das Nachwort verweist, so Wallmann, auf die Rezeptionsgeschichte der norwegischen Göttermythen, die wie die Herausgeberin Tanaquil Enzensberger schreibt, von Wagner umgedeutet wurden und auch von neofaschistischen Strömungen instrumentalisiert wurden. In seiner positiven Besprechung des Buches verweist Wallmann beharrlich auf eine "postmoderne Paraphrase" der nordischen Schöpfungsepen: Auf H.C. Artmanns 1982 erschienenes Buch "Die Sonne war ein grünes Ei, Von der Erschaffung der Welt und ihren Dingen".