Ursula Krechel

Shanghai fern von wo

Roman
Cover: Shanghai fern von wo
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2008
ISBN 9783902497444
Gebunden, 504 Seiten, 29,90 EUR

Klappentext

Da steht sie mitten in einer Restaurantküche in Shanghai und walkt den Teig, als ginge es um ihr Leben, und das tut es auch. Ein Strudel soll es werden, ein süßer natürlich, aber dann füllt sie, was noch übrig ist, mit zartem Gemüse, und auf einmal hat sie der chinesischen Küche etwas hinzuerfunden, was niemand mehr missen möchte: die Frühlingsrolle. Franziska Tausig ist eine von vielen, der Berliner Buchhändler Ludwig Lazarus ist ein anderer, und am Ende waren es achtzehntausend Juden, die seit 1938 eines der letzten Schlupflöcher noch nutzen konnten und so im fernen fremden Shanghai überlebten. Sie kamen ohne Visum und Illusionen mit einem Koffer und zehn Reichsmark in der Tasche, Anwälte, Handwerker, Kunsthistoriker, und wenn sie in dieser überfüllten Stadt und dem feucht drückenden Klima zurechtkommen wollten, dann waren Erfindungsgabe und Tatkraft gefordert. Nicht jeder war, nach dem, was hinter ihm lag und vor ihm, dazu imstande.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.02.2009

Jörg Drews hat zwar bereits autobiografische und dokumentarische Texte über die vielen deutschen und österreichischen Exilanten gelesen, die in den 30er Jahren vor den Nazis nach Shanghai flohen. Aber erst Ursula Krechels Roman, der einige jüdische und kommunistische Flüchtlinge porträtiert, macht das Leben in dieser seltsamen Enklave, die sich als Ghetto mit elendsten Verhältnissen entpuppte, wirklich vorstellbar, lobt der Rezensent. Drews betont die gründlichen Recherchearbeiten, die diesem Roman zugrunde liegen, und er ist vom zurückhaltenden und zugleich empathischen Tonfall sehr angetan. Eindruck hat ihm auch gemacht, dass Krechel die Rückkehr einiger Exilanten nach Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mitverfolgt und zeigt sich von der Art und Weise, wie man von Amts wegen mit den Rückkehrern umging, entsetzt. Genauso wie ihn die Geschichte der Franziska Tausig, die auf japanische Anweisung nur ganz allein den Sarg ihres Mannes auf den Friedhof begleiten durfte, sehr berührt hat. Auf diesen Seiten biete die Autorin "große, bewegende Prosa", preist Drews.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.01.2009

Fast dreißig Jahre Recherchen in Archiven, auf Konferenzen, in Briefwechseln und bei Treffen mit Überlebenden liegen diesem Roman über Schicksale nach Schanghai geflohener europäischer Juden zugrunde, berichtet Sarah Elsing. Die Lyrikerin und Essayistin Ursula Krechel hat diese Arbeit unternommen und ihre Funde zu einem Roman verarbeitet, den Elsing etwas genauer als "Mosaik aus Dokumenten, Briefen, Tonbandaufnahmen und Beschreibungen" beschreibt, mit dem die Autorin die Leben einer kleinen Gruppe von Personen nacherzähle. Krechel gelinge es dabei "auf einzigartige Weise", so die Rezensentin, überzeugende Figuren zu erzeugen. Krechel berichte "knapp und sachlich" die "Fakten" und erliege nicht der Gefahr, die Schicksale pathetisch zu überhöhen. Sie zeige jedoch auch, wie Elsing an Beispielen ausführt, ihr Können als Lyrikerin, indem sie "Bilder für das Unaussprechliche" finde. Und gerade in "präzisen Charakterisierungen und der Beschreibung kleiner, eindrücklicher Szenen" gelinge es Krechel, "berührende" und "todtraurige" Geschichten von Flüchlingen zu erzählen, die nach anfänglichem Elend und einer Gettoisierung in Schanghai zumeist noch eine bittere Rückkehr erwartete.
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