Zbigniew Herbert

Gewitter Epilog

Gedichte
Cover: Gewitter Epilog
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518410875
Broschiert, 80 Seiten, 16,36 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Henryk Bereska. Der Krieg ist noch nicht aus: "der schurke Parkinson hat so lange gewartet / bis er uns erwischte als wir lässig vor uns hintrotteten / die kragen aufgeknöpft die hände in den taschen / in gedanken im urlaub ... ", und nun gibt es nur noch "ein gemeinsames ziel: überleben". So spricht ein alter Mann, der das Ende ahnt, zu einem Freund und zu sich selbst. Der polnische Dichter Zbignew Herbert (1924-1998) hat in seinem Werk für das lyrische Ich oft den Decknamen "Herr Cogito" verwendet, auch sein bekanntestes Buch trägt ihn als Titel. Kurz vor seinem Tod hat Herbert diesen Herrn Cogito ein letztes Mal auftreten lassen, in der Gedichtsammlung "Gewitter Epilog". Auch in seinem Abschiedsbuch besichtigt der Autor sein Zeitalter, das politische sowie das private, etwa in dem Gedicht "Das Hohe Schloss", anlässlich einer Reise in "die verstummte stadt Lemberg", in der er geboren ist, die nun zur Ukraine gehört.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.10.2000

Peter Hamm nutzt die Besprechung von zwei Gedichtbänden zu einer eingehenden Würdigung des verstorbenen polnischen Lyrikers.
1) Zbigniew Herbert: `Herrn Cogitos Vermächtnis` (Suhrkamp)
Der Rezensent zählt diese Gedichte zu denen, die die Zeit überdauern werden und preist ihre `Anschauungskraft, Gedankenklarheit` und `Welt- und Menschenzugewandtheit`. Die `einzigartigen` Gedichte sieht er aus dem Lyrikschaffen der Zeit herausragen, zumal wegen ihres Widerstands gegen Vorgaben von oben.
2) Zbigniew Herbert: `Gewitter Epilog` (Suhrkamp)
Bei diesem Gedichtband fällt dem Rezensenten zunächst ein Übersetzungsfehler auf, der eine erhebliche Verzerrung des Sinns zur Folge hat. Überhaupt findet er bei dem sonst `verdienstvollen` Buch manches an der Übertragung ins Deutsche `misslich`. Trotzdem ist er auch von diesen Gedichten - kurz vor dem Tod Herberts entstanden - hingerissen. Er preist die ungekünstelte Sprache, die auf `Stimmungseffekte, Suggestion und Sophistik` gänzlich verzichtet. Statt dessen trete der Autor als `Danksager und Lobpreiser` der kleinen Dinge des Lebens auf.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.08.2000

Michael Braun hält in einem informativen Artikel Rückschau auf Leben und Werk des 1998 gestorbenen polnischen Lyrikers, der diesen - nun auch auf Deutsch vorliegenden - Gedichtband kurz vor seinem Tod noch selbst zusammengestellt hat. (Im übrigen verstarb auch zwischenzeitlich Herberts langjähriger Übersetzer Klaus Staemler, so dass Henryk Bareska diesen Band ins Deutsche übertrug. Ob zu seiner Zufriedenheit, darüber lässt Braun nichts verlauten.) Wie kein anderer habe Herbert im Spannungsfeld zwischen Dichtung und Philosophie gestanden, meint Braun; kein Wunder also, dass Herbert sein Alter ego, das auch wieder durch diesen Band führt, "Herr Cogito" nennt. Der Rezensent beschreibt Herbert als fundamentalen Skeptiker, der jeglichen Heils- und ideologischen Versprechungen abgeschworen hat. Ins Literarische übertragen heißt das für ihn: Verzicht auf Pathos und "ornamentalen Metaphernschmuck". Trotz Herberts pessimistischer Weltsicht sieht Braun gelegentlich "Bilder der Zuversicht" durchschimmern, die den lakonisch beschriebenen Lauf des Alltags durchsetzen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.08.2000

Mit dem Künstlertum der altwerdenden Dichter beschäftigt sich Kurt Oesterle in seiner Besprechung des letzten Gedichtbandes von Herbert, der 1998 starb. Er zitiert Gottfried Benn und André Malraux, aber nur, um Herbert von ihnen abzusetzen; seine Gedichte sind keine Belege, weder für die Bennsche "Edelreife" noch mit der von Malraux festgestellten Tendenz des Bruchs mit dem eigenen Werk. Vielmehr hat der polnische Dichter, dessen deutsche Übersetzung durch Henryk Bereska einmal mehr gelobt wird, sein "poetisches Instrumentarium konsequent bis zum Schluss" eingesetzt. Der Verzicht auf Düsterkeit und Klage, der Verweis auf Malerei und Philosophie sind seine Zeichen, und das Altern ist ihm "einzig eine Sache des Körpers". Denn das Dichten selbst, so Oesterle, ist ja schon immer Bewegung "in mehreren, vielen Zeiträumen und Lebensepochen zugleich". Das Motiv des Todes taucht dennoch auf, als Verlust des Ichs, einmal romantisch als sich vernebelnde Landschaft, dann als ein aus alten Fotos retouchierter Mensch, was Oesterle als Hinweis auf das Leben im Stalinismus deutet. Die "nüchterne, antilyrische" Dichtung Herberts, findet Oesterle, hat "als Erbin der Philosophie" auch diesen letzten Band noch geprägt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.07.2000

Franz Haas weist zunächst darauf hin, dass der 1998 verstorbene Zbignew Herbert oftmals einen "Herrn Cogito" als sein "lyrisches Ich" hat auftreten lassen, und dass dieser Herr Cogito auch in der vorliegenden Gedichtsammlung ein letztes Mal in Erscheinung tritt. Darüber hinaus klärt Haas die Leser darüber auf, welche Rolle Herbert als Lyriker in Polen einnahm bzw. ihm zugewiesen wurde. Denn als "Klassiker anerkannt" wurde er sowohl vom Regime als auch der Opposition für sich beansprucht. Herbert selbst jedoch habe dem Dichten selbst - ohne dabei völlig unpolitisch zu sein -Priorität eingeräumt. Der vorliegende Gedichtband erscheint dem Rezensenten wie ein "Abschiedsbuch", in dem Herbert nicht nur in politischer und privater Hinsicht auf seine Zeit, sein Leben zurückblickt, sondern auch "die gesamte Kultur des Abendlandes" mit einfließen lässt. Deutlich werde dabei, dass der Herr Cogito vor allem eine Aufgabe für sich sah: "Der Tyrannei mit Kunst zu trotzen".