Bücher der Saison

Frühjahr 2008

Die umstrittensten, am besten und am häufigsten besprochenen Bücher der Saison
21.04.2008. Reportagen: Richtung Osten, Richtung Westen, Richtung Küche
Kroatische Literatur, Frühlinge / Romane / Comics, Erzählungen, Lyrik, Hörbuch / Reportagen / Sachbücher


Reportagen Richtung Osten

Es gibt eine Sorte literarischer Reiseliteratur, deren Verfasser sich als "Flaneure" nur mit den Oberflächen der Fremde auseinandersetzen. Das Gegenteil davon, begeistert sich die SZ, legt nun Stephan Wackwitz mit seinen zwölf Texten zur "Osterweiterung" () vor. Zehn Jahre hat Wackwitz die Goethe-Institute in Krakau und Bratislava geleitet, ist vielfach im für den Westen lange schwer zugänglichen Osten gereist. So fundiert wie essayistisch fallen seine Text aus, in denen er von diesen Reisen berichtet, und zwar in einer den Rezensenten restlos überzeugenden Mischung aus "politischer Historie, Mentalitätengeschichte und persönlicher Erinnerung".

Zwei sehr kritische Auseinandersetzungen, die eine mit Polen, die andere mit Russland, werden von den Feuilletons empfohlen. Reinhold Vetter fragt "Wohin steuert Polen?" () und zieht vor allem Bilanz der nicht nur aus seiner Sicht verheerenden Kaczynski-Herrschaft. Die taz begrüßt das Buch als "willkommene Verständnishilfe". Edward Lucas, Russland-Korrespondent des Economist, geht in "Der Kalte Krieg des Kreml" mit dem "Putin-System" scharf ins Gericht. Die SZ hat sich nicht zuletzt von der "mitreißenden sprachlichen Verve" des Autors beeindrucken lassen. () Steffen Möllers Spiegel-Bestseller "Viva Polonia" () fand im Feuilleton nur laue Aufnahme.

Gewogen und für lesenswert befunden wurden auch zwei Bände mit Reportagen bzw. Kolumnen. Zu einem Buch versammelt wurden Martin Pollacks zwischen 1982 und 2007 entstandene Österreich- und Osteuropa-Reportagen mit dem Titel "Warum wurden die Stanislaws erschossen?" (). Die NZZ ist außerordentlich angetan vom uneitlen Stil des Journalisten und seinem Interesse an der Rolle des Individuums in der Geschichte. Ebenfalls sehr gelobt wird von der SZ der Österreicher Martin Leidenfrost, der ein Jahr lang Kolumnen aus der Slowakei schrieb, die nun als "Die Welt hinter Wien" am Stück nachzulesen sind. ()


Reportagen Richtung Westen

Als mustergültiges Beispiel des investigativen Journalismus wird rundum Jeremy Scahills Buch über die von den USA für den Irak-Krieg geheuerte Privatarmee der Firma "Blackwater" () gelobt. Sowohl in der Recherche als auch der Darstellung hervorragend findet die FR das Buch. Schlagend führe das Buch vor Augen, so die Zeit, wie die Verwendung einer solchen Privatarmee zur "Auflösung des staatlichen Gewaltmonopols" und damit zur "schleichenden Entsorgung der Demokratie" führt. Die taz weiß zu schätzen, dass Scahill nicht "skandalisiert", sondern "analysiert".

Tim Weiners Geschichte der "CIA" () erweist sich als außerordentlich ernüchternd, nicht weil sie schockieren will, sondern gerade, weil der Autor durchaus mit "Empathie", Neutralität und sorgfältiger Recherche glänzt. "Akribisch" nennt die Zeit Weiners Vorgehen und erkennt doch eine Geschichte fortgesetzen Versagens. Die SZ attestiert Weiner, er zeichne ein "realistisches Bild" jenseits von "Verteufelung und Verharmlosung" - aber auch ihrer Ansicht nach fällt es alles andere als glänzend aus.

Die Kultur rückt der Macht auf die Pelle, die Macht freut sich und die Kultur schreibt über die Macht. Konkret: Die französische Star-Dramatikerin Yasmina Reza ("Kunst") war mit dem Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy im Wahlkampf unterwegs und legt nun mit "Frühmorgens, abends oder nachts" () das Porträt eines Mannes vor, der den Job, den er so unbedingt wollte, dann auch bekam. Die Nähe aber ist, so jedenfalls der Eindruck der FAZ, der Autorin nicht schlecht bekommen, vielmehr erweise sie sich wieder einmal als schonungslose "Vivisekteurin" einer Figur unserer Gegenwart.


Richtung Küche

Bill Buford war Literaturchef des überaus renommierten New Yorker und kündigte seinen Job, um in der Küche des nicht minder renommierten Spitzenkochs Mario Batali in die Lehre zu gehen. Sein Schicksal in dieser Küche und anderen Etablissements als - so der Untertitel - "Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling" schildert er nun in seinem Buch "Hitze" (). Die Kritikerinnen von FAZ und FR sind vom Ergebnis hin und weg. Aus den Schilderungen eines "Höllenjobs" wird ein exquisiter Lesegenuss und über die Kunst des Kochens auf Spitzenniveau erfährt man, was man immer schon wissen wollte - oder vielleicht sogar lieber nicht. (Hier ein Auszug aus dem New Yorker.)


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