Der polnische
Schriftsteller Szczepan Twardoch erzählt in der
NZZ von seinen Erlebnissen an der
Kriegsfront in der Ukraine. Zwar ist er an sich nur als Beobachter dort, doch immer wieder sucht er die Nähe zu den Soldaten, robbt durch den Schlamm oder hilft mit, wenn es darum geht, Granaten an Drohnen zu befestigen. Er erinnert sich daran, wie Russland in Polen stand, 1945, und denkt, "dass das, was sich in Preiswitz ereignet hatte, heute wieder geschieht, in Butscha, Irpin und überall dort, wo ein russischer Soldat seinen Fuß hinsetzt, heute nicht anders als vor achtzig Jahren. Ich habe deshalb von meiner Familie her
Rechnungen mit diesem blutigen Imperium offen. Diese Rechnungen machen jetzt die Streitkräfte der Ukraine geltend, so empfinde ich das, indem sie um ihre Freiheit und ihr Leben und das Recht kämpfen, nicht in einem Massengrab zu enden, nicht - ob als Mann oder Frau - vergewaltigt zu werden, aber sie kämpfen bei dieser Gelegenheit auch darum, dass meine Söhne nicht werden kämpfen müssen. Meine Familienerinnerung ist geprägt von
Wehrlosigkeit gegenüber russischer Grausamkeit. Beeinträchtigt das meine Glaubwürdigkeit?"
In der
FAS kommt die
Schriftstellerin Ronya Othmann nochmal aufs
African Book Festival Berlin zu sprechen, das den früheren Dschihadisten und Al-Qaida-Kämpfer
Mohamedou Ould Slahi nun doch nicht zum Kurator berufen wird (
unser Resümee). Für eine frühere Intervention (
unser Resümee) ist Othmann auch seitens des Festivals mitunter übel mit den einschlägigen Begriffen belegt worden. Lachhaft findet sie es, dass immer wieder von "unbelegten Vorwürfen" die Rede sei - und auch Slahis Ausstieg aus dem
Dschihadismus werde von vielen zu voreilig geglaubt. "Wie denn seine ideologische Distanzierung vonstattenging, möchte man Slahi gern fragen, ihn, der schon in Mauretanien begeistert Abdullah Azzams Dschihadismus-Kassetten hörte. (Den
Antisemitismus, den hat er noch nicht abgelegt, wie seiner Twitterei zu entnehmen ist.) Und wären einem Aussteiger nicht
die Opfer des Islamismus eine Erwähnung wert? Slahi jedenfalls nicht, wenn man seine Interviews liest oder seine Social-Media-Kanäle durchforstet. ... Die Festivalleitung schien das alles nicht zu interessieren. Hauptsache, er hat ein paar Preise gewonnen. Zu schön ist die Story und, wenn wir ehrlich sind, auch
ein bisschen deutsch: Houbeini der Geläuterte, der seinen Peinigern vergibt.
Großes Versöhnungskino. Und was den Dschihadismus betrifft: Waren wir nicht alle mal
jung und dumm?"
Die
SZ fragt im Zuge der
Dahl-
und Bond-Debatte Künstlerinnen und Künstler aller ästhetischen Gewerke, ob sie an ihren Arbeiten nachträglich etwas ändern würden. Mitunter hat das
Sibylle Berg schon getan, erzählt die
Schriftstellerin - aber nicht aus Prinzipiengründen. Denn "Kunst muss alles dürfen. Wehtun, aufregen, verunsichern, Hass erzeugen. Wenn wir beginnen, Kunst zu zensieren, limitieren wir damit
die Erweiterung unserer Gedanken. Wir schneiden uns von einer philosophischen Weiterentwicklung ab. Ich finde Hinweise und Einordnungen zu Werken verstorbener AutorInnen gut. Wer sich von Kunst verärgert und provoziert fühlt, kann dem Ausdruck verleihen." Aber "Triggerwarnungen und Begradigungen, wie sie viele Verlage heute verlangen, oder die Absage von Aufführungen sind eine
Bevormundung des Publikums. Kunst, die bewusst rassistische, sexistische Stereotype benutzt, ist peinlich aus der Zeit gefallen - unmodern. Aber wir sollten uns alle klar darüber sein, dass Kunst nicht systemrelevant ist."

Weitere Artikel: Mia Eidlhuber vom
Standard spricht mit
Judith Hermann über deren Blick aufs eigene Schreiben, über das sie in ihrer eben
erschienenen Poetikvorlesung nachgedacht hat. Auch die
WamS hat mit Hermann gesprochen.
Sergei Gerasimow schreibt in der
NZZ weiter Kriegstagebuch aus
Charkiw. Michael Wurmitzer
erzählt im
Standard von seiner Begegnung mit der
Schriftstellerin Bernardine Evaristo. Timur Vermes staunt in der
WamS über die Sammlung des
Comichistorikers Alexander Braun, der daraus Sammlungen und Kataloge kuratiert.
Besprochen werden unter anderem
Blake Baileys in den USA zurückgezogene, auf Deutsch nun aber erscheinende Biografie über
Philip Roth (
NZZ, dazu passend hat
Dlf Kultur das Roth-Feature des Rezensenten
wieder online gestellt),
Marlen Hobracks "Schrödingers Grrrl" (
BLZ),
Helga Schuberts Erzählung "Der heutige Tag" (
SZ), die
Zürcher Ausstellung "Satanische Verse & verbotene Bücher" im Zürcher Literaturmuseum Strauhof (
NZZ), die Ausstellung "
Thomas Mann. Achtung Europa!"
im Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich (
NZZ),
Étienne Davodeaus Comic "Das Recht der Erde" (
taz),
Birgit Birnbachers "Wovon wir leben" (
taz) und
Randall Kenans "Der Einfall der Geister" (
FAZ).