Michael Rutschky

Gegen Ende

Tagebuchaufzeichnungen 1996-2009
Cover: Gegen Ende
Berenberg Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783946334491
Gebunden, 360 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Zusammengestellt von Michael Rutschky und Kurt Scheel. Mit einem Nachwort von Jörg Lau. So wie Michael Rutschky als der intellektuelle Coach einer ganzen Publizistengeneration galt, so (selbst-) ironisch ist er mit dieser Rolle umgesprungen. In diesen noch von ihm selbst und seinem Freund Kurt Scheel ausgewählten Tagebuchnotizen aus der Zeit des beginnenden Alters ist diese Selbstdistanz zum Thema geworden, für eines der letzten - komischen und un-komischen - Kapitel seines Lebensromans. Hier hat Rutschky seine intellektuell hoch gerüstete Umgebung durchleuchtet, Freunde, Feinde und zufällig durchs Objektiv laufende Gestalten und Landschaften. Vor allem aber er selbst und seine Ehe werden mit den Kontrasten des auf die Berliner und Kreuzberger Umgebung schrumpfenden Alltags belichtet. Die Lektüre dieser Prosa dürfte nicht nur für Fans dieses Autors milde ausgedrückt überraschend sein.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.04.2019

Walter van Rossum schaut gleichgültig auf diesen dritten Band der Tagebücher des 2018 verstorbenen Michael Rutschky. Wie der Autor darin über Weggefährten herzieht und sich selbst bei Mittagsschlaf, Gassigehen und Masturbation beobachtet, lässt ihn eher kalt. Schade ums Papier, scheint er zu denken und sich zu sehnen nach einer Zeit, als der Autor noch aus knappen Alltagsbeobachtungen gesellschaftliche Gesinnungslagen herauspräparieren konnte. Vorbei, seufzt der Rezensent. Nunmehr nur noch Lauwarmes ohne Biss oder Schlüsse, ein "sterbenslangweiliger" Plot und ein hässliches Selbstporträt, findet er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.03.2019

Sehr berührt ist Rezensent Mark Siemons von der Lektüre dieses Buchs. Neben dem Eigentlichen, also Rutschkys Notizen aus den letzten 20 Jahren seines Lebens, sind auch die Vor- und Nachworte zweier Freunde dafür verantwortlich: das Scheelsche Vorwort, in dem er erschüttert vom Verletzenden der Notizen gegenüber Freunden, auch ihm selbst, schreibt, und das Nachwort von Jörg Lau, das über Scheels Freitod nach dem Einhändigen von Manuskript und Nachwort berichtet. Die Notizen selbst scheinen, so der Rezensent, das Entsetzen der beiden Freunde nicht ganz zu belegen, auch wenn das Tagebuch-Ich, ein "R." tatsächlich wenig pfleglich mit den Gegenständen seines Beobachtung umgehe - vielleicht seien solche Passagen aus dem mehrere tausend Seiten umfassenden Nachlass aber gestrichen worden. Alle Beobachtungen des Autors, sein bis zum Schluss andauernder "Erfahrungshunger" - so der Titel von Rutschkys Buch, mit dem er 1980 bekannt wurde -, machen auf den Rezensenten am Ende jedoch den Eindruck, dass ihn das Erfahrene und Gesehene letztlich nichts angeht. Siemons gibt ein paar schöne Beispiele und moniert, das beziehungs- und urteilslose Wahrnehmen mache sie leider oft nahezu belanglos. Wenig sympathisch wirkt auf ihn die tatsächlich im Verlauf der Lektüre zunehmende Abwertung von Bekannten und Unbekannten, der "Etikettierungszwang" nehme überhand. Das Eingeständnis von "R.", es sei bei einem kurzen Urlaub in Wirklichkeit und wie immer um "Erlösung" gegangen, berührt den Rezensenten dann aber doch wieder.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.03.2019

Harry Nutt liest den dritten Band von Michael Rutschkys Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1996-2009 mit dem "unentschieden-soziologischen" Blick des Autors. So erscheinen die Texte ihm aufregend und verstörend zugleich. Verstörend findet er die auffällige Häufung von Krankheit und Tod, Depression und Düsternis. Aufregend wiederum, wie Rutschky diese Dunkelheit erzählerisch bzw. soziologisch und mit feiner Ironie zu bannen weiß und zum Leuchten bringt. Das Buch ist für Nutt auch ein Wimmelbild der Berliner Boheme, das sich der Rezensent mit Respekt und ein bisschen Furcht anschaut.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.02.2019

Recht finster liest sich, was Michael Braun über diesen dritten Band der Tagebuchaufzeichnungen Rutschkys berichtet. Der nach außen liebenswürdig und heiter wirkende Essayist, notiert der Rezensent, ergeht sich hier in erbarmungslos präzisen Beobachtungen seines eigenen Verfalls und boshaften Notaten über Gefährten wie Kurt Scheel, den Zeit-Redakteur Jörg Lau (der ein Nachwort für den Band verfasst) und andere, die von der genauen Ausgestaltung seines Innenlebens womöglich gar nichts gewusst hatten. Auch um den Status scheint es zu gehen. Die Erfolge seines Karrierebeginns wiederholten sich für Rutschky nicht, andere hatten in seinen späten Jahren mehr Erfolg. Der Band ist noch herausgegeben von Kurt Scheel, der sich wenige Monate nach Rutschkys Tod das Leben nahm, berichtet Braun. Eine besondere Rolle spielen in dem Band auch Katharina Rutschky, mit der Rutschky ein in Berlin berühmtes Paar bildete, und Rainald Goetz, zu dem Rutschky laut Braun eine unglückliche Liebe empfand.