Magazinrundschau - Archiv

The American Spectator

1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 24.05.2022 - American Spectator

Es wäre völlig abwegig, pauschal die russische Kultur zu verunglimpfen oder russische Künstler zu boykottieren. Aber einen Blick auf den Beitrag der berühmtesten Autoren zum Hass auf andere osteuropäische Völker und besonders auf die Ukraine, will Matthew Omolesky der russischen Literatur nicht ersparen. Er führt eine regelrechte Poetry-Battle auf, zitiert höchst peinliche und brutale Verse Joseph Brodskys gegen die ukrainische Unabhängigkeit und kommt auch auf Puschkin zurück, der zum Entsetzen seiner prowestlichen russischen Kollegen, aber auch des polnischen Dichters Adam Mickiewicz und seines ukrainischen Kollegen Taras Schewtschenkos blutrünstige Propagandagedichte geschrieben hat. Puschkins Panslawismus bedeutete, dass sich die osteuropäischen Länder dem imperialen Willen der Zaren unterwerfen sollten: "Puschkin schwelgte geradezu in der Rolle des 'Sklaven des Zaren der Welt' und befürchtete, dass der Status quo eines Tages ins Wanken geraten würde, indem er laut darüber nachdachte: 'Sollen die slawischen Ströme in das russische Meer fließen? Oder soll es austrocknen? Das ist die Frage.' Die russische Herrschaft über die gefangenen slawischen Völker war also eine existenzielle Frage. Entweder die Völker Mittel- und Osteuropas strömen (geopolitisch, kulturell und psychologisch) weiter nach Osten, oder Russland wird austrocknen wie der geschrumpfte, verseuchte, faulige, sterbende Aralsee. Taras Schewtschenko als Angehöriger einer dieser gefangenen Nationen sah die Welt ganz anders. Für ihn waren die Muridenkriege im Kaukasus ein schreckliches Blutvergießen, und in seinem Gedicht 'Der Kaukasus' von 1845, das ihm einen langen Aufenthalt im Exil einbrachte, notierte er auf ergreifende Weise:

Es fielen hier
Der Söldner ungezählte Scharen.
Und Tränen? Blut? Fürwahr genug,
Vollauf zu sätt'gen alle Zaren...
Sie zu ertränken samt der Brut
In Witwentränen..."