In Frankreich erscheint in der renommierten Klassikerbibliothek "La Pléiade" endlich eine neue maßgebliche
Kafka-
Übersetzung, nachdem die erste Übersetzung durch den Autor Alexandre Vialatte über allzuviele Jahre auch aus urheberrechtlichen Gründen unangetastet blieb. Die neue Übersetzung folgt der aktuellen
Gesamtausgabe bei Fischer und wurde besorgt von dem Herausgeber
Jean-Pierre Lefebvre und einigen KollegInnen. In
En attendant Nadeau spricht Tiphaine Samoyault mit Lefebvre und
Georges-Arthur Goldschmidt über das Übersetzen von Kafka. Goldschmidt, der an der Ausgabe nicht mitwirkte, aber den "Prozess" ebenfalls übersetzt hat, überlässt dem Herausgeber über lange Strecken das Gespräch. Aber interessant liest sich, was er über seine
erste Begegnung mit Kafka sagt: "Ich habe Kafka im Jahr 1950 in Norddeutschland entdeckt. Mein Gefühl der Deplatziertheit (ich bin ein überlebender aus Versehen) hat mich gleich denken lassen: '
Kafka,
das bin ich.' Das hat mir einen Schlag versetzt, wie ich ihn niemals wieder verspürt habe. Diese Urschuld, in der ich mein Leben verbrachte, habe ich bei Kafka wiedererkannt, so wie die Erfahrung der Razzia, der willkürlichen Festnahme, die er in drei knappen Zeilen festzuhalten versteht. Die Übersetzung ist für mich wie eine Rückgabe von etwas, das ich erhalten hatte. Während der ganzen Zeit der Übersetzung war ich
von ihm durchdrungen, von dieser Kraft des Mangels und der Hoffnungslosigkeit die seinem Schreiben und seiner Sprache Leben geben. Erst die Hoffnungslosigkeit erzeugt diese Energie."
Goldschmidt
bespricht in der aktuellen Nummer von
En attendant Nadeau außerdem einen
Essay Nicolas Weills über die
"Schwarzen Hefte" Martin Heideggers. Über Heidegger schreibt er: "Das
Ressentiment, das im Werk des Denkers von Messkirch allgegenwärtig ist, verhindert von vornherein eine wirkliche Entfaltung seines Denkens. Der versperrte Zugang zum 'Sein', seine eigene Unfähigkeit, ist der Kern seines Denkens, das er immer nur wie von außen betrachtet. Dieses ursprüngliche und
nicht eingestandene Versagen wird als Ressentiment auf das jüdisch-metaphysisch 'Seiende' ausgegossen."