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1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 28.06.2004 - Palabra

Was ist eigentlich mit den Chiquita-Bananen? Klebt da immer noch das Blut lateinamerikanischer Plantagenarbeiter dran, wie schon in "Hundert Jahre Einsamkeit" nachzulesen und danach in Mittelamerika so oft recherchiert? Darf man die Dinger ohne schlechtes Gewissen essen? Nicht unbedingt, zumindest nicht, wenn auf ihnen Colombia steht, sie also aus Kolumbien kommen, wie eine Recherche von Ignacio Gomez belegt. "Trotz der Existenz einer Reihe unabhängiger Produzenten, kontrolliert dieses Unternehmen praktisch die gesamte Wirtschaft der Region Uraba, ganz ähnlich wie es ihre Vorgängerin United Fruits in den zwanziger Jahren in Cienaga tat", schreibt Kolumbiens profiliertester investigativer Reporter. Mehr noch: der kolumbianische Ableger von Chiquita Brands war in den vergangenen Jahren nicht nur in einen Bestechungsskandal, sondern auch in einen großen Waffenschmuggel für rechtsradikale paramilitärische Gruppen verwickelt, die zudem auch noch 100.000 Dollar Schutzgeld erhielten. Nachdem schon die New Yorker Börsenaufsicht eine Strafe verhängte, ermittelt nun auch das US-amerikanische Justizministerium.

Nachzulesen ist das alles in Palabra, einem gerade in Kolumbien gestarteten Nachrichtenmagazin-Projekt. Kein leichtes Unterfangen in einem Land, in dem sich derzeit nur eine nationale Tageszeitung sowie eine Handvoll Zeitschriften halten können. Um Unterstützung zu finden (mehr dazu hier), wurde erst einmal eine Nullnummer erstellt, die seit dieser Woche auch im Netz zugänglich ist. Offensichtlich ist das Bemühen über ein anderes, nicht-offizielles Kolumbien zu schreiben: unter anderem finden sich dort ein Reisebericht über den Amazonas, Reportagen aus Koka-Anbaugebieten (hier) und paramilitärischen Hochburgen (hier), aber auch Bestandsaufnahmen des kolumbianischen Hip-Hop (hier) sowie der örtlichen Swinger-Clubs (hier).

Aufmachung und Stil sind noch verbesserungswürdig, aber dafür lässt sich sich die Geschichte von Dalton Howard nachlesen, eines liebenswerten siebzigjährigen Mannes, der das Meer hasst, obwohl er sein ganzes Leben auf Old Providence, einer kleinen, Kolumbien zugehörigen Karibikinsel verbracht hat. "Auch kann er nicht fischen, und Boote mag er sowieso nicht", berichtet Cristian Valencia. Wie sich dann herausstellt, ist das durchaus nachzuvollziehen: Dalton Howard war als Kind 1943 mit seiner Mutter auf einem Segelboot unterwegs, als dort -sozusagen am Ende der Welt - ein deutsches U-Boot aufkreuzte und angriff. Er bekam einen Lungenschuss ab, das Segelboot sank.