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Ukrainska Pravda

1 Presseschau-Absatz

Magazinrundschau vom 13.09.2022 - Ukrainska Pravda

Roman Kravets und Roman Romaniuk schildern in ihrer (auch auf Englisch publizierten) Reportage die ersten Stunden des Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und die zwei Tage davor. Deutlich wird dabei, wie schwer es der ukrainischen Regierung und dem Parlament fiel, zu akzeptieren, dass Putin den Krieg wollte. Noch nachdem der russische Präsident am 22. Februar die Unabhängigkeit der ostukrainischen Gebiete Donetzk und Luhansk verkündet hatte, glaubten sie nicht an einen Angriff. In seiner Antwort auf Putin erklärte Selenskyj noch am selben Tag: "'Wir sind seit langem auf alles vorbereitet, was auf uns zukommen könnte. Aber es gibt nichts, worüber Sie sich den Kopf zerbrechen müssten.' Selenskyjs Gewissheit, dass die Anerkennung der so genannten 'Volksrepubliken' sich als folgenlos erweisen könnte, war nicht nur eine rhetorische Ausschmückung. Diese Überzeugung wurde von seinem gesamten Team geteilt." Am selben Tag begannen die USA ihr Botschaftspersonal nach Polen zu evakuieren, etwa zur gleichen Zeit bat Putin in Moskau die Staatsduma um die Erlaubnis, die russische Armee außerhalb Russlands einzusetzen. Am Abend versammelte Selenskyj die Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen des Parlaments, um eine Verteidigungskoalition zu bilden. "Nach den Reden der Politiker erstatteten die Sicherheitsbeamten abwechselnd Bericht. General Walerij Fedorowytsch Saluschnyj, Oberkommandierender der Streitkräfte, erklärte, dass sich die Armee auf alle möglichen Szenarien vorbereite. Iwan Bakanow, Leiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine, und Verteidigungsminister Oleksij Reznikow hingegen glaubten nicht an die Möglichkeit eines ausgewachsenen Krieges. Ihrer Ansicht nach würde es höchstens zu psychologischen Spezialoperationen Russlands und einer Verschärfung der Lage im Donbas kommen. Der letzte Redner war Kyrylo Budanow, Leiter der Hauptverwaltung für Nachrichtendienste. Den Teilnehmern der Sitzung zufolge machten Selenskyj und sein Team jedoch den Eindruck, dass sie Budanov nicht wirklich zuhörten. Dabei war seine Rede, wie sich innerhalb von eineinhalb Tagen herausstellen sollte, die wichtigste und genaueste. Budanow nahm eine Karte aus seinen Unterlagen und begann den Anwesenden Dinge zu erzählen, die ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließen: Die Russen könnten einen Krieg außerhalb des Donbas beginnen; Cherson und Charkiw seien bedroht; Kiew sei bedroht; die Russen könnten versuchen, von Tschernobyl aus einzudringen. 'Budanow hat schreckliche Dinge gesagt. Aber weil hohe Beamte auf das, was er sagte, fast mit Irritation reagierten, nahmen auch andere ihn nicht ernst. Sie verhielten sich zu Budanow, als wäre er ihr kleiner Bruder.' So erinnert sich einer der Anwesenden an die Atmosphäre nach Budanovs Rede."