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Rubrik: Literarischer Rettungsschirm für Europa - 14 Artikel - Seite 1 von 2
Literarischer Rettungsschirm für Europa 01.10.2012 […] mit der Nike von Samothrake auf dem Cover. Oder schwarze Bände von Existentialisten, die mit Imitationen einer Druckerschrift geschmückt waren. Ab und zu brachte mein Vater ein besonderes Geschenk für mich mit: einen Bildatlas des menschlichen Körpers unter dem Titel "Merkwürdige Maschine" oder ein Album mit Luftschiffen, angeführt von der "Hindenburg".
All das gab es in polnischen Übersetzungen. Das […] Buchhandlungen nicht fehlen, auch wenn sie nur in "spezialisierten" Geschäften geführt wurden.
Ich war sicher ein Teil des Projektes meines Vaters.
Mehr sogar, mir scheint, er realisierte es für mich. Er hat selbst nicht viel davon gelesen, weil er zu der seltenen Sorte der Menschen in der Sowjetunion gehörte, denen Zeit zum Lesen fehlte. Bücher kaufen, das Kind vom Kindergarten abholen, ihm Polnisch […] versuchte ich mir die Maske eines Amateur-Psychoanalytikers aufzusetzen, "es interessiert dich, weil es an deine Welt erinnert und dir selbst so etwas theoretisch auch passieren kann." - "Danke, dass du für mich Amerika entdeckt hast", lachte der Bekannte. Nein, als Psychoanalytiker würde ich es nicht weit bringen.
Aber es scheint mir heute tatsächlich so zu sein, dass Europa am "Mean World Syndrom" leidet: […] Von
Ostap Slyvynsky
Literarischer Rettungsschirm für Europa 30.09.2012 […] Der Fahrer beruhigt meinen Mann:
"Gleich nach der Grenze steigen eine Frau und ihr Sohn aus, dann kriegen Sie Ihre Plätze …"
Wütend setze ich mich auf den ersten freien Sitz. Mein Mann sitzt irgendwo vorne. Nie wieder mit dem Bus, nie wieder - ich versuche mich zu beruhigen. Dann schaue ich nach links, zu meinem Sitznachbarn. Ich bin erstaunt. Das ist doch Josef K.!
"Entschuldigen Sie", sage ich, "sind […] Professor für serbische Sprache und Literatur, der, wie ich später erfahren habe, so oft von Kafka sprach, dass ihm die Schüler den Namen Josef K. verpasst hatten. Da er schweigsam war, überraschte mich seine heftige Reaktion darauf, dass der Fahrer von jedem Fahrgast eine Mark verlangte, da das Benzin über Nacht teurer geworden war und er nicht vorhatte, 50 Mark aus eigener Tasche zu bezahlen.
"Wie […] stinkt man irgendwann selbst danach", meinte er wütend.
Von meiner Heimat habe ich kurz vor der Grenze zu Ungarn Abschied genommen, in der Kabine eines türkischen Klos, an dessen Tür "Serbien bringt mich um" stand. Obwohl es auf der Toilette weder warmes Wasser noch Seife, noch Papierhandtücher gab, musste man für die Benutzung natürlich bezahlen. Ich hatte mir etwas anderes gewünscht.
Wenn ich in […] Von
Dragana Mladenovic
Literarischer Rettungsschirm für Europa 25.09.2012 […] Für mich bedeutet Europa dies, die plötzliche und immer wieder von Neuem auf mich einstürzende, unermesslich schwere Freiheit, ich durchlebe sie tagtäglich von Neuem, in kleinen wie in großen Dingen, ich durchlebe sie, wenn ich eine zweifarbige Zahnpaste auf meine Zahnbürste drücke, wenn ich, ohne nachzudenken und unumwunden, aussprechen kann, was mir gerade in den Sinn kommt, oder wenn ich mich an […] denken und zu sagen habe, keiner zwingt mich, die Wirklichkeit in die einzige ihm genehme Ideologie zu übersetzen.
Die Erinnerung an die Diktatur ist wie eine merkwürdige seelische Alzheimer-Krankheit, ich weiß, dass ich frei bin, doch es ist, als würde ich es immer wieder vergessen, und der Schmerz des Ganzen stürzt immer wieder auf mich nieder.
Für mich bedeutet Europa Freiheit, bedeutet die Tränen […] muss ich immer hier anfangen, wer das versteht, erfasst den Sinn. Wir müssen, wenn wir von der Rettung Europas sprechen wollen, irgendwo hier anfangen, Europa ist für mich niemals ein geografischer oder ökonomischer Begriff, für mich wird es stets den Abbau der inneren und äußeren Grenzen bedeuten, es bedeutet, dass der schon beinahe metaphysische Beweis der Möglichkeit der Freiheit trotz allem erbracht […] Von
György Dragomán
Literarischer Rettungsschirm für Europa 24.09.2012 […] Aneinanderreihung für mich bedeutender eurointegrativer Augenblicke fahre ich weiter innen im Kontinent fort, auf süßem Wasser.
Sei präziser; wo war das genau? In Polen, weit im Nordwesten, bei Bydgoszcz. Was wolltest du dort? Ich habe an einem Lyrikfestival teilgenommen, ich wollte nichts. Wie bist du dorthin gekommen? Ich wurde in einem Auto hingefahren. Aus Berlin hat mich ein Freund mitgenommen […] vorgezeichnete Richtung - dem feuchten Traum eines jeden nicht integrierten Europäers: von der Peripherie bis zum Zentrum. Die europäischen Sterne überschütteten mich beim vierten Mal näher an der Wolkenmitte, dieses Mal integrierte ich mich vertikal. Und wieder hat meine mit beiden Armen angenommene Integration (wegen spezifischer Umstände konnte ich sie nämlich nicht anders annehmen) einen vollkommen […] als Aufwachen bezeichnet; Tranströmer sagt: Aufwachen ist ein Fallschirmsprung aus dem Traum. So fand ich mich vom Bett auf dem Flughafen wieder. Und auf dem Flughafen tat ich ein, zwei Stunden lang Dinge, die man an Flughäfen gewöhnlich tut - hauptsächlich nichts. Und dann näherte ich mich, gestärkt vom Traum, dem Riesenvogel: Ich nahm alles Metallische aus den Taschen, legte das Laptop in die K […] Von
Marko Pogacìar
Literarischer Rettungsschirm für Europa 23.09.2012 […] Bullen. Die fragen mich auf dem Revier: Warum machen Sie solche Witze? - Tja, ich wollte nur aufs Revier gelangen, ihr Herren Polizisten. In meinem Magen stecken drei Kilo Sprengstoff. Allahu akbar. Die prügelten mich noch ziemlich lange. Aber erst nachdem die Spezialabteilung abgerückt war. Nein, dieser Sinn ist den Deutschen einfach nicht gegeben. Später im Krankenhaus fragen die mich: Was möchten Sie […] Danach löschten wir das Licht
und im Zimmer wurde es sehr, sehr dunkel.
Ich küsste dich so heftig,
dass mein Nachbar von deinem Gestöhn
nicht einschlafen konnte.
Und du küsstest mich so heftig,
als hätten deine Lippen nur auf mich gewartet.
So waren wir bemüht, Liebe zu finden -
eine schwarze Katze in einem dunklen Zimmer,
die möglicherweise gar nicht dort war.
Offenbar war der erotische Inhalt dieser […] Oder mit einem Kompliment. Ich beschließe, beides zu kombinieren. Also komm ich näher und sag ihr: Du bist so schön wie eine Kalaschnikow ... Und gleich dazu, bevor sie antworten kann: Erkennst du mich etwa nicht wieder? Haben zusammen in Tschetschenien gekämpft. Seite an Seite. Waren beide Scharfschützen. Weiß Gott. - Hat's nicht kapiert. Ist abgehauen. Und ich hinterher: Sei vorsichtig, Schwester […] Von
Anatolij Grinvald
Literarischer Rettungsschirm für Europa 21.09.2012 […] Arthur Conan Doyle und allen Büchern in unserem Bücherschrank zusammenreimte ... Ein Europa, das ich zum ersten Mal besuchen konnte, als ich einundzwanzig war; die Mauer war gefallen und ich blickte mich voller Durst um, mit den ganzen angehäuften und unerfüllten Wünschen meiner Kindheit und Jugend. Ein Europa, das mein Vater als einen Ort der Freiheit erdichtete. Ein Europa, das für meinen Großvater […] Abrakadabra aus Fachbegriffen, von denen ich die Hälfte nicht verstehe. Liquidität, Fiskalität, faule Kredite, Hypotheken, Giro, Stipulant (das sagt mir gleich gar nichts) usw. Diese Sprache verwirrt mich. Ich stelle mir vor, wie ich den Betreffenden über mittelalterliche Dichtung abfrage: Tagelieder, Minstrels, Sonettkränze, Stanzen, tonischer und syllabotonischer Versbau.
Etwas in der Welt hat […] nicht mitbekommen ... Etwas, das man nicht mit Fiskalpolitik, auch nicht mit Fiskalordnung, weder mit Budgetdefiziten noch mit einem makroökonomischen Rahmen messen kann. Mein Finanzminister versucht, mich über dasselbe Radio zu überzeugen, dass dieser Rahmen bei uns sehr gut sei (trotzdem sind wir einer der ärmsten Staaten der EU). Aber mein Leben ist nicht makroökonomisch. Die heutige Krise ist ein […] Von
Georgi Gospodinov
Literarischer Rettungsschirm für Europa 20.09.2012 […] e geschoben. Weil ich aus Buenos Aires bin, auch wenn ich noch nie einen Fuß in die Stadt gesetzt habe: trotzdem ist sie meine, so, als wäre sie's. Vor allem nämlich bin ich aus dem Süden und kenne mich aus mit den Nachmittagen im Viertel Palermo, den Spaziergängen am Hafen, der wunderbaren Hitze im Hochsommer, wenn du keine Luft mehr kriegst und nur noch schwitzen und träumen und dich mit einer kalten […] Zukunft ausmalen kannst, weit weg von hier, woanders, du weißt nicht wo, aber es gibt sie, noch heißer als hier und schöner denn je.
Letztes Jahr bin ich zum ersten Mal in Sevilla gewesen und fühlte mich gleich zu Hause: die Kellner ruppig, die Leute nörgelig, alte Frauen mit dem Rosenkranz in der Hand, die Cafés voll von properen, melancholischen alten Männern, die Orangen, das Brot, die Tomaten. Ich […] durch bösartiger Bewohner.
Ich komme von Sardinien und heute, wo die Regierungen vom Norden des Kontinents den Staaten des Südens alle naselang mit dem Ausschluss aus Europa drohen, merke ich, dass mich diese Drohungen im Grunde vollkommen kaltlassen: Denn ich bin außerhalb von Europa aufgewachsen. Ich bin wirklich sehr weit weg von euch aufgewachsen, weiter weg, als ihr euch vorstellen könnt, wie […] Von
Flavio Soriga
Literarischer Rettungsschirm für Europa 19.09.2012 […] Ende der siebziger Jahre war "Europa" ein Haus mit vorhersehbaren Gewohnheiten beziehungsweise festen Öffnungszeiten. Wenn ich mich recht erinnere, schloss es seine Tore um 10 Uhr abends und öffnete sie erneut um 6 Uhr morgens. Zumindest als Kind hatte ich diesen Eindruck, bestätigt durch die Nächte, die wir im Niemandsland zwischen dem Zoll von Vilar Formoso und Fuentes de Oñoro verbrachten, dem […] en wie dem Textilstandort Covilhã, dem "portugiesischen Manchester" (einer meiner Großväter war Lumpensammler, das heißt. er lieferte den großen Wollfabriken Stoffabfälle als Rohmaterial). Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals Olivenöl, Honig oder Käse gekauft hätten. All das kam von den kleinen Parzellen der Familie. Meine Großeltern haben ihre Minifundien bearbeitet, bis sie starben. Und […] die ich mit meinen Töchtern bereits nicht mehr sprechen kann, da eine ganze auf dem Land geborene Generation auf ihrer europäischen Reise in die Städte an der Küste abgewandert ist.
Ich erinnere ich mich noch daran, in meinem Schlaf, hinter Vilar Formoso, hinter dem Zollposten:
- Etwas zu verzollen?
der letzte Teil der Reise, bis Beira Baixa waren es nur noch wenige Stunden, verlief ausgelassen und […] Von
Pedro Rosa Mendes
Literarischer Rettungsschirm für Europa 18.09.2012 […] dass durch den Zusammenschluss
Verschiedener Länder bei verschiedenen Dingen
Die Verschiedenheit sich unterscheiden muss
Von dem, was die Verschiedenen an Unterschied bringen."
Ich nickte. Hätt fast mich verschluckt um ein Haar.
"Und jeder hier war mit an Bord bei dem Fest,
Als das Schiff unsres Kontinents dieses Jahr
Im Frühling von Brest ist gefahren nach Brest."
Plötzlich war da ein Kellner, der […] Doch ihr hattet nichts als das Essen im Sinn.
Und jetzt: alles alle, es gibt nur noch das,
Was umsonst ist im Leben. Ich hab gedacht,
Wenn ihr wollt, dann les ich euch trotzdem noch was.
Was, worauf mich euer Gemecker gebracht:
Wir schulden den Griechen a l l e s, was wir wissen,
Obwohl sie selbst alles vergessen haben.
Kein Wunder, dass die nun glauben, wir müssen
Sie jetzt ins Euro-Kaufland einladen […] Von
Hallgrímur Helgason
Literarischer Rettungsschirm für Europa 17.09.2012 […] seine Meinung zu meinen Texten zu sagen.
Vor einigen Monaten, genauer gesagt im Mai, habe ich von Kreshnik einen elektronischen Brief bekommen, in dem es nicht um Zeitungsthemen ging. Vielmehr bat er mich um meinen Kommentar zu einem eigenen Text, den er beigelegt hatte. Es handelte sich um einen Aufsatz: seinen Beitrag zu einem Wettbewerb, der vom kosovarischen Bildungsministerium für Schüler in den […] europäischen Hauptstadt sorgen für das Visum, die Unterbringung und Verpflegung der Preisträger und geben ihnen die Möglichkeit zu Besuchen in wichtigen europäischen Einrichtungen.
Kreshniks Aufsatz hat mich beeindruckt. Nicht nur, weil der Verfasser sich erstaunlich gut informiert zeigt, sondern auch, weil er klare Vorstellungen entwickelt, was den Zeitpunkt und die Bedingungen einer Integration des Kosovo […] Notwendigkeit von Integrationsschritten in der Region als Vorbedingung für die Annäherung an Europa so klar sehen wie er.
Darauf ging ich in meiner Antwort an Kreshnik aber nicht ein. Ich beschränkte mich darauf, ihm zu seinem Aufsatz zu gratulieren und ihm viel Glück für den Wettbewerb zu wünschen.
Er bedankte sich für das Lob, war aber nicht sehr optimistisch, was eine Auszeichnung anbetraf: "die […] Von
Beqë Cufaj