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Suchwort: "Hatte"
Rubrik: Tagtigall - 44 Artikel - Seite 1 von 4
Tagtigall 25.04.2023 […] Stepanova explizit Spuren zu Ovidius Naso, dem römischen Dichter, der - wohl weil er den Kaiser Augustus mit seinen Versen beleidigt hatte - aus Rom in das entfernte "Tomis" verbannt worden war, ein Ort am Schwarzen Meer, der heute in Rumänien liegt. In der Verbannung hatte er zunächst Klagelieder, "die Tristien" verfasst, später die "Epistulae ex Ponto", Briefe vom Schwarzen Meer - beide Bände geschrieben […] römischen Mythologie, darunter Penelope, Dido und Ariadne. Schon Ovid hatte ihnen in seinen Heroiden eigene Äußerungen angedichtet, allerdings aus männlicher Sicht. Stepanova nimmt Ovid "die Fernbedienung" aus der Hand, wie sie das nennt, und gibt so den Frauen ein Selbstbewusstsein, das ihnen die Literaturgeschichte allzu lange verweigert hatte. Auch das ist Teil ihrer Arbeit am (literarischen) Gedächtnis […] polyglott und polyphon. Sie hat viele Stimmen und viele Gesichter; und auch die Literatur hat ein eigenes Gedächtnis, das sich immer neu befragen lässt.
In dem Gedichtband "Der Körper kehrt wieder" hatte sie bereits aus Protest gegen den Krieg im Dombas die auftrumpfende mythendurchtränkte Kriegsrhetorik aus Literatur, Film und Poesie einer Rückschau unterzogen. Nun also neue Perspektiven.
Im zweiten […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 13.05.2022 […] worüber die Kunst nicht nur noch nicht gesprochen hat, sondern wovon sie auch nichts ahnt", so die Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch auf der diesjährigen 7. Ausgabe der Poetica in Köln. Mehrfach hatte das Dichtertreffen pandemiebedingt verschoben werden müssen, bevor es nun Anfang Mai, von der Dichterin Uljana Wolf kuratiert, unter dem Titel "Sounding Archives. Poesie zwischen Experiment und Dokument" […] en geladen. Mit ihrem "Repertoire" erweitern sie die Sprache der Dichtung. Anja Utler berichtet davon, wie sich im postnazistischen Deutschland ein Schweigen in den Küchen breitmachte. Die Sprache hatte sich von der Wirklichkeit entfernt. Utler ist überzeugt, dass "anders" gesprochen werden muss, und das nicht nur semantisch: "Man muss die Strukturen der Sprache gefährden können dürfen", benannte sie […] Uljana Wolf bot in der diesjährigen Poetica ein kraftvolles Panorama dessen, was Poesie heute sein und werden kann. Ihr Ritt durch die Welten unserer Göttlichen Komödie war ganz von dieser Welt. Und sie hatte im Poetica-Team und in den Schauspielern großartige Mitwirkung, zum Beispiel von Philipp Plessmann, der am letzten Abend auch Regie führte. Nicht von ungefähr endete das Treffen mit einer "Fürrede": […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 06.03.2022 […] schreibt Belorusets am 3. März in ihrem Kriegs-Tagebuch. Sie hatte ein Video mit einem russischen Soldaten gesehen, der nach einem Kampfeinsatz weinend seine Tochter um Verzeihung bat, weil vielleicht bei seinem Einsatz auch Kinder gestorben waren. Belorusets kommentiert: "Der Soldat im Video weinte erst, nachdem er seine Befehle befolgt hatte. Das war zu spät. Dieser Krieg lässt sich beenden, wenn die […] die keine Heimat, kein Dach über dem Kopf haben, die sich nicht einordnen lassen, die sich nicht geordnet benehmen, die bei niemandem auf dem Schoß leben .... "Die Zukunft gehört den Straßenkötern", hatte Zhadan einmal gesungen. Denen, die keine Angst haben, die sich nicht uniformieren lassen. "Der Teufel versucht, sie hinter Gitter zu bringen, / Der Teufel hat für sie nur den bleifarbenen Himmel." Jeder […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 14.09.2021 […] krümmte,
um die Nadel aufzunehmen,
kam mir ein Gedicht.
Vielmehr es erschien
Wort für Wort mir im Geist.
Wie war es in die Schublade geraten?
Wie lange hatte es dort ausgeharrt?
Hatte ich es hineingelegt,
zur Aufbewahrung?
Gehörte es der Fliege?
Hatte sie es aus einsamer Höhe fallenlassen
auf diesen Spielplatz des Abfalls,
und ihr eigener Tod
kam aus dem Nichts?
Was eigentlich steht da? Erstens: Die […] der amerikanischen Dichterin Mary Ruefle widmet. Was konnte es mit diesen Schatten auf sich haben? fragte ich mich. Ich las, und las, tastete mit den Augen ab, was sich dort auf den Seiten versammelt hatte. Würde ich hinter die Oberfläche gelangen? So blieb ich bei einer Serie von "erasure"-Gedichten hängen, also bei fast vollständig geweißten Buchseiten aus "The Little White Shadow" - und mit einem Mal […] findet man im Internet, der populäre Roman einer Autorin namens Emily Malbone Morgan aus dem Jahr 1889, die mit dem Erlös Erholungsheime für (arbeitende) Frauen und Mädchen errichten wollte. Ruefle hatte sich ein altes gegilbtes, fleckiges Exemplar davon vorgenommen und die Textoberfläche Zeile für Zeile geweißt, von wenigen Aussparungen abgesehen. Übrig geblieben waren so auf jeder Seiten einige T […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 12.01.2021 […] Spycher-Preis erhielt, schrieb sie: "Barbara zu heißen heißt ja, der Name bedeutet: die Fremde - eine, die anders spricht, die der Landessprache nicht mächtig ist, die Barbarin." Den eigenen Namen im Ohr hatte sie sich schon früh das Material der alltäglichen Sprache fremd gemacht und sich ein "mind the gap" im Kopf, dem gap, der Lücke, verschrieben. Denn sie wollte durch die Lücken im Innern der Sprache […] deren Möglichkeits- und Mächtigkeitswelten gelangen. An anderer Stelle im selben Kontext notierte sie, dass die Heilige Barbara, die Schutzpatronin der Bergleute, einer Legende zufolge die Fähigkeit hatte, "in den Berg zu gehen", einfach geradewegs in den Fels hinein; auf die Kunst von Barbara Köhler übertragen bedeutete das: geradewegs in den Fels der Sprache, in das dort Verborgene hinein. Und Barbara […] Von
Marie Luise Knott