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Rubrik: Tagtigall - 53 Artikel - Seite 1 von 5
Tagtigall 03.12.2023 […] Tischen, an denen frau in lauter Geselligkeit kaum ihre Nebenfrau verstand. Autoren aus 143 Sprachen und 139 Ländern sind bereits auf der Webseite mit Texten vertreten, und so einige von jenen, die heute weltberühmt sind, haben ihren ersten englischsprachigen Auftritt auf dieser Homepage gehabt.
Auf dem Gala-Abend wurde gepriesen, gequizzt, gegessen, und - natürlich - gelesen. Die Iranerin Laila Lalami […] Volkes.
Das Uigurische ist eine Turksprache, die zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Regionen, in denen sie gesprochen wird, verschieden verschriftlicht wurde, mal Kyrillischen, mal Chinesisch. Heute hat sich ein modifiziertes persisch-arabisches Alphabet als Schrift durchgesetzt. Die Uiguren sind muslimisch. Der Name selbst, "uigurisch", bedeutet so viel wie "vereint". Und tatsächlich vereinten […] siedelte seine Familie Mitte der 1930er Jahre in die uigurische Heimat zurück, wo Lutpulla Mutellip ab 1939 in Urumchi studierte und für die unabhängige Republik Ostturkestan kämpfte, deren Erbe noch heute lebendig ist. 1945 zu Beginn des Bürgerkriegs wurde Lutpulla von der nationalchinesischen Kuomintang gefangen genommen und enthauptet. Man sieht, die chinesische Unterdrückung der Uiguren hat eine lange […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 25.04.2023 […] könnten.
Die russischsprachige Ausgabe des "Winterpoems" erschien Anfang 2022. Heute, mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, ist die Bedrohlichkeit gewachsen. Mit den neuen Gesetzen und dem wachsenden Terror sind immer mehr Menschen in Russland ins Schweigen verbannt. Das Wissen darum prägt unsere Lektüre heute.
Es kennzeichnet große Werke der Literatur, dass es den Autorinnen oder Autoren […] Ovidius Naso, dem römischen Dichter, der - wohl weil er den Kaiser Augustus mit seinen Versen beleidigt hatte - aus Rom in das entfernte "Tomis" verbannt worden war, ein Ort am Schwarzen Meer, der heute in Rumänien liegt. In der Verbannung hatte er zunächst Klagelieder, "die Tristien" verfasst, später die "Epistulae ex Ponto", Briefe vom Schwarzen Meer - beide Bände geschrieben in der dringenden Hoffnung […] unscheinbar hinein ("... wozu/ Schminkt sie so früh ihr Gesicht"), ein andermal vielleicht die Winterreise ("dass ich geweinet hab").
Das "Winterpoem 20/21", 2022 in Russland erschienen, liest sich heute mit neuartiger Bedrängnis: "Diejenigen, deren Stimmen in diesem Text sprechen oder schweigen, durchleben einen gemeinsamen Winter, sie stecken fest wie Fliegen im Bernstein", sagt die Dichterin. In […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 12.12.2022 […] rüttelte an den Grenzen; die Möglichkeitsräume der Schreibmaschine weiteten sich. "cagy beings" lautet der Titel einer Serie von Collagen, die Anfang der 1980er Jahre entstanden. Ein Titel der uns heute vom Klang her sowohl an John Cage als auch an den KGB denken läßt. Die Frage, ob es sich bei ihren papiernen Wesen um visuelle Poesie oder Konzeptkunst handelt, ist nicht zu entscheiden und dürfte für […] Bilder, etwa, wenn die Hände der Großmutter mit Dürers betenden Händen assoziiert werden. Aber das mindert nicht ihre Kunst - Verse voller Traurigkeit, die immer das lachende Ufer im Blick haben.
heute habe ich mich den ganzen tag lang
nicht bewegt aus angst etwas umzustoßen
zum beispiel uns obwohl
wir keine blumenvasen sind
ich versuche standzuhalten ein abstand
eher eine abwesenheit zu sein als […] Ulrike, wie sehr er sich wünsche, einmal den Satz "mein Gedicht ist fertig" schreiben zu können.
Wann eigentlich ist ein Gedicht fertig? Und woher überhaupt nährt sich die Hoffnung, dass das, was man heute schreibt, morgen noch von Bedeutung ist? Auch das fragt sich Kleist in dem genannten Brief. Die Hölle habe ihm seine halben Talente gegeben, artikuliert er den quälenden Selbstzweifel. Dennoch schließt […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 16.10.2022 […] Brücke in die Seine zu springen".
Serhij Zhadan, der Autor dieser Zeilen, der in wenigen Tagen mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, ist 1974 in Luhansk geboren und lebt heute in Charkiw, im Osten der Ukraine. Einst hat er Gemanistik studiert. Seit der russischen Annexion der Krim und von Teilen des Donbass Ende 2014 hat er sich in seinem Werk dem Schrumpfen und Schwinden […] blühenden Kirschbäumen, die sich einst mit romantischen Schäferstündchen verbanden, mutierten, wie er sagte, für eine ganze Generation zu Bildern tödlicher Gefahren.
Das war 2015. Wie aber schreibt man heute, unterm Bombenhagel? Wie, wenn es andauernd irgendwo brennt? Wenn Worte aus historischen Romanen wie Kollaboration, Besatzung, Annexion plötzlich reaktiviert werden. Wie findet man zu einer Sprache […] auch "Jugendliche die Eisenstangen in den Himmel stechen". Zhadans Lyrik sei ein "Himmelskino", schrieb der Dichterkollege Andri Bondar. Doch Zhadans Himmel verlor damals bereits "Stern um Stern". Heute in "Der Himmel über Charkiw" beginnen viele der Tages-Einträge mit Betrachtungen des gemeinsamen Himmels, als garantiere der Blick in den Himmel den Zusammenhalt der Menschen, auch wenn von dort die […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 13.05.2022 […] Dichterinnen und Dichter die in Archiven verschlossenen und abgelegten, oft überschwiegenen Erfahrungen dem Vergessen und Verschwinden; sie bringen Fundstücke aus Archiven mit den Mitteln der Dichtung im Heute zum Klingen. Andererseits reaktivieren sie (und das wird in der hiesigen Auffassung von Dichtung immer noch zumeist übersehen) das "Repertoire", also die oral tradierten Möglichkeiten performativer […] und Zeugnissen - aus der letzten Rede Salvador Allendes, aus Reden General Pinochets, aus Berichten von Gefolterten, und Regierungs-Verlautbarungen: "Die Öffentlichkeit wird darüber informiert, dass heute, am __.__.____ um __:-- Uhr gemäß den im Rahmen des Kriegszustands gefällten Beschlüssen der Militärgerichte, die folgenden Personen hingerichtet werden."
Eine Kollage, bei der sich Dokumentarisches […] jochbein, ja
gurgeln und stockt stottert fängt: sich an reusen aus
hornblatt, gezähnt, flutet im: gerodeten mund
Dichtung als "entlastungsgerinne" für Erinnerungen?
Der Gedichtzyklus "Solitude" des heute in Österreich lebenden Autors Fiston Mwanza Mujila ist von hoher rhetorischer Kraft und kreist um die fehlende Großfamilie, die Geschichte Kongos und um die Toten des Kongoflusses ("Es ist nicht Blut […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 11.11.2020 […] HERZ
Darin sie Gefühle installieren.
Großheimat Fertig-
Teile.
Milchschwester
Schaufel.
Die Bedrohung, die der Dichter Paul Celan in diesen Versen aufruft, scheint ganz von heute, und doch entstand das Gedicht 1966. Wer es politisch liest, begegnet in ihm bekannten "Narrheiten": Wo Angst und Hass einen Menschen der eigenen Sprache und Gefühle berauben, können unbekannte "sies" […] ja: in den hintersten Winkeln des Bewußtseins vergrabene Vergangenheit plötzlich als Parade der toten Dinge durch die Straßen ziehen." Der Gedanke, sagt sie, dass es mit dem unschönen, beklemmenden Heute noch nicht sein Bewenden habe, dass es morgen noch schlimmer komme, erzeuge eine verborgene bleischwere Unruhe. Die Zukunft verheiße Ungewissheit und Unheil aller Art.
Stepanova hat bereits ein knappes […] Von
Marie Luise Knott
Tagtigall 20.12.2019 […] merkwürdiges Gedicht. Wie lesen? Und wie übersetzen? Die ersten drei Wörter klingen wie Fremdsprache oder wie fremder Dialekt, aber sie weisen spontan nirgendwohin. Sie lassen sich kaum übersetzen. Heute jedenfalls nicht mehr. Vielleicht war das zum Zeitpunkt der Entstehung des Gedichtes anders. Schließlich ist die Poesie von Mayröcker aus Leben gemacht. Leben = Schreiben, hat Marcel Beyer einmal als […] Fährten zu legen, die nicht zu neuen Welten führen, wohl aber in "clairières", in Lichtungen, wo sich die Wörter frei sonnen können. Dafür sollte man Friederike Mayröcker tagtäglich ehren, vor allem aber heute, da sie 95 Jahre wird.
Friederike Mayröcker, Gesammelte Gedichte 1939-2003, hrsg. von Marcel Beyer, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt 2003. Die zitierten Gedichte finden sich dort auf den Seiten 238 und 239 […] Von
Marie Luise Knott