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Suchwort: "Marai"
Rubrik: Vom Nachttisch geräumt - 2 Artikel
Vom Nachttisch geräumt 22.09.2004 […] Grimberg. Schirmer/Mosel, München 2004. 128 Seiten, 91 teils farbige Abbildungen, 39,80 Euro. ISBN: 3829601204.
Zeitlupe
Sandor Marai hat Zeit. Er hatte sie für seinen Ruhm und er hatte sie wieder für seinen Nachruhm und das erste, das dem heutigen Leser bei der Marai-Lektüre auffällt, ist, dass er sie auch beim Schreiben hatte und dass wir sie beim Lesen brauchen.
Nein, das stimmt nicht. Es fällt […] aus der Handlung kommt, sondern aus den Sätzen. Wer es schafft, sich vom Buch zu lösen und sich zu überlegen, was passiert ist, was ihn so gepackt hat, der wird feststellen, dass nichts passiert ist. Marai beschreibt, und als wäre das nicht schon langweilig genug, er beschreibt auch noch Gedanken. Aber er macht es so, dass man das Buch nicht beiseite legen kann, sondern jeder Windung der Überlegungen […] Angelegenheiten. Er liest die Antwort und liest ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde innezuhalten weiter, denn er kann nicht lassen vom Buch und von den Gedanken des Helden. Es ist als hätte Sandor Marai den Leser in eine Nanomaschine verwandelt, die schwer atmend den wie durch eine Zeitlupe verlangsamten Gehirnströmen der Protagonisten folgt.
Wer das liebt, der wird auch Sandor Marais "Die Nacht […] Von
Arno Widmann
Vom Nachttisch geräumt 01.05.2000 […] t vorspielen lassen konnte." Sandor Marai hätte auf diese Erklärung verzichten können. Seine Schilderung der Szene war deutlich genug. Das Merkwürdige ist, dass sein Kommentar erst die Szene verkitscht. Er erst schießt dem Leser jenen Schauder über den Rücken, bei dem sich die Haare aufstellen. Man mag peinlich berührt sein. Aber man ist berührt.
Sandor Marai: "Land, Land". Erinnerungen. Band 1 […] & Witsch, Köln 2000, ISBN 3-462-02949-5, Taschenbuch, 185 Seiten, 16,90 Mark
Rührung und Terror
Es sind keine Memoiren, es sind - wie der Untertitel ganz richtig sagt - Erinnerungen. Sandor Marai sitzt im amerikanischen Exil und versucht möglichst ruhig sich und seinen Lesern zu vergegenwärtigen, wie er den Einmarsch der Russen in Ungarn erlebte. Er tut es mit dem Blick für das einprägsame Detail […] dieser Zeit haben sie alles zerstört. Nicht weil sie es wollten, sondern, weil sie, wenn sie zum Beispiel ein Brett brauchten, es aus einer Tür herausbrachen, statt sich ein neues zuzuschneiden.
Marai schildert die Brutalität, mit der Dinge zerstört werden, ohne Empörung. Er schildert aber nicht um des Schilderns willen, sondern er schildert, als würde er fragen. Er versteht die russischen Soldaten […] Von
Arno Widmann