Außer Atem: Das Berlinale Blog

Ganz dicht am eigenen Leben: Ashley McKenzies 'Werewolf' (Forum)

Von Thomas Groh
10.02.2017.


Zwei Junkies in einer mittelgroßen kanadischen Stadt, im Methadon-Programm. Sie hausen in einem Trailer, für ein paar Dollar mähen sie mit einem Rasenmäher die Vorgärten derjenigen, die sich von der Erscheinung nicht von vornherein abgeschreckt zeigen. Das Gerät ziehen sie hinter sich her, das dafür nötige Benzin wird per Schlauch und Ansaugen aus Autos geklaut. Eigentlich wollen die beiden weg von hier, das Methadon-Programm, bei dem sie Schulden haben, bindet sie jedoch. Er, Blaise (Andrew Gillis), ist der aggressivere der beiden, formuliert Ansprüche, will entgegenkommendes Verhalten erzwingen - Süchtigenverhalten eben. Sie, Nessa (Bhreagh MacNeil), wagt zaghafte Schritten aus dem Süchtigenleben Richung Konsolidierung. Ihre Betreuerin rät ihr, Blaise aus ihrem Leben zu streichen.

Für den Süchtigen gibt es nur: den nächsten Schuss, das nächste Methadon, die nächsten fünf Dollar, das nächste kleine Problem, auf dem Weg dahin. Nie das große Ganze. Regiedebütantin Ashley McKenzie setzt das kameratechnisch vor allem mit Close-Ups um: Die Umwelt ist begrenzt und geradezu wie ausgeschnitten - ein Leben im Anschnitt. Die Bilder, die sie für ihren sanften Film wählt, sind von einer spröd-rohen, aber nicht auftrumpfenden Kraft.



Um Miserabilismus, das heischend-voyeuristische Inszenieren von Leid, um einerseits ein gut abgesichertes Publikum davon zu überzeugen, dass es wenigstens noch im Kino über einen abrufbaren Rest Empathie verfügt, und um andererseits sich selbst eine gute Visitenkarte auszustellen, geht es in "Werewolf" nicht. Der ästhetische Modus ist kunstlos - von wenigen Momenten abgesehen, die dem Film jedoch auch nicht unbedingt gut tun: Ein kristalliner Ambientsoundtrack schwingt sich da auf, das Bild wird dann tatsächlich ein inszeniertes Bild und für einen Moment liegt da ein Blick von Außen in den Bildern, die zuvor vor allem sich selbst genügten.

Nur einmal wird das Bild zu einem Panorama. Wenn Blaise und Nessa im Abend auf dem Hügel liegen, auf die Stadt runterblicken und davon sprechen, abzuhauen. Da liegen sie dann tatsächlich kurz wie Subjekte in der Welt - und der Rasenmäher steht ganz einfach so daneben. Die Ernüchterung freilich folgt nur einen Schnitt später, da ist man wieder dort, wo diese beiden selbst nicht gerne sind: Ganz dicht dran am eigenen Leben. Einem Leben, aus dem sich Nessa schließlich an den eigenen Haaren herausziehen wird.

Werewolf, Kanada 2016. Regie/Buch: Ashley McKenzie. Kamera: Scott Moore. Mit: Bhreagh MacNeil , Andrew Gillis, Mark Woodland, Donald Campbell, u.a. 78 Minuten. (Vorführtermine)