Außer Atem: Das Berlinale Blog

Endlich allein: 'My Happy Family' von Nana & Simon (Forum)

Von Anja Seeliger
14.02.2017.


Manana will nicht feiern. Warum, sagt sie nicht. Sie presst nur die Lippen zusammen und schüttelt den Kopf, während ihre Mutter unablässig auf sie einredet. Was werden die Nachbarn sagen, die Freunde? Am Ende gibt es natürlich doch eine Geburtstagsparty, nur Manana kommt nicht dazu.

Manana ist 52 Jahre alt. Sie lebt mit ihrem Mann, den Kindern und Geschwistern bei den Eltern. Eine ganz normale Familie. Und dann doch wieder nicht. Diese Art von Großfamilien gibt es in westlichen Gesellschaften nur noch selten. Und nicht ohne Grund: Denn jeder mischt sich in alles ein, jeder kommentiert, kritisiert, redet auf den anderen ein, der dies, das oder jenes tun oder lassen soll. Vor allem auf Manana, die - wieder ohne Begründung - eines Tages verkündet, dass sie eine kleine Wohnung gemietet hat und auszieht. Die Familie ist für fünf Sekunden sprachlos.



"My happy family" ist ein georgischer Film. Es ist einem eigentlich alles vertraut hier. Die Menschen tragen moderne Kleidung, singen wundervolle alte Lieder, auch die Frauen haben Berufe. Manana zum Beispiel arbeitet als Lehrerin. Vielleicht ist deshalb so befremdlich, was man in anderen Kulturen gern mal als Wärme und ursprüngliche Verbundenheit feiert: die Enge und der Druck in der Familie. Die Übergriffigkeit, die oft in herzlich gemeinten Gesten steckt. Der Zwang zur Konformität, der noch verstärkt wird durch Freunde und Nachbarn. Als Manana sich von der engeren Familie nicht abhalten lässt, wird ein großer Familienrat abgehalten, der immer wieder mit ihrem Wohl argumentiert. Oder mit dem Schaden, den sie den anderen zufügt: Du entehrst uns, was haben wir falsch gemacht, was stimmt nicht mit deinem Mann, hast du einen Geliebten? Selbst Mananas Kinder verstehen ihre Mutter nicht.

Die weigert sich immer noch, etwas zu erklären, und zieht einfach aus. In ihrem kleinen Apartement öffnet sie die Balkontür, rückt sich einen Sessel zurecht, lehnt sich zurück und schließt die Augen: Stille. Jeder versteht in diesem Moment, was Manana will. 

Endlich einmal allein, fängt Manana mit 52 Jahren an zu lernen, wer sie ist. Sie spielt wieder Gitarre, isst Kuchen zu mittag und trifft alte Freunde. Sie trifft auch noch ihre Familie, aber wenn sie zu Hause ist, ist sie für sich. Viel mehr passiert gar nicht in diesem Film, der sich ganz auf seine Hauptfigur konzentriert. Ein schöner leiser Film über eine Emanzipation.

Chemi bednieri ojakhi - My Happy Family. Regie: Nana & Simon. Deutschland / Georgien / Frankreich 2017. Mit Ia Shugliashvili, Merab Ninidze, Berta Khapava, Tsisia Qumsishvili u.a. 120 Minuten (Vorführtermine)