Vom Nachttisch geräumt

Pausenkünstler

Von Arno Widmann
17.03.2016. Keine Spannung ohne Pause. Niemand weiß das besser als der Zeiträuber Meta Bene.
Aus der Musik wissen wir, wie wichtig Pausen sind. Schauspieler erklären uns, wie sehr es auf das richtige Timing ankomme. "Vor allem in der Komödie", fügen sie gerne hinzu. Wenn wir reden, vergessen wir das gerne, darum sind die meisten von uns schlechte Erzähler. Wenn der Witz nicht ankommt, wiederholen wir die Geschichte gerne noch einmal. Aber sie wird beim zweiten Mal nicht besser. Wir erzählen sie eher noch schneller als beim ersten Mal. So wird keine Spannung aufgebaut. Es gibt keine Pause, in der das Gehirn des Zuhörers sich allerhand Alternativen ausdenkt. So ist die Auflösung dann keine, sondern nichts als der letzte Satz. Erst die Pause macht aus Sätzen eine Geschichte.

Robin Thiesmeyer, geboren 1979 ist Pausenkünstler. Ein Meister dieses zentralen, aber immer wieder übersehenen Faches. Seine Zeichnungen bestehen in erster Linie aus Texten. Also zum Beispiel über zwei Seiten steht "Ich nenne es den langsamsten Looping der Welt". Überhaupt nicht komisch. Aber jedes Wort für sich stehend, zusammen ein flaches U bildend und einer Folge von acht winzigen Schnecken in den Mund gelegt, das macht - so wie ich das hier hinschreibe, glaubt man das nicht - Effekt. Man sieht, schließlich ist es ein Bild, sofort das Ganze. Aber es sagt einem nichts. Eine erste Irritation. Dann liest man, sehr verlangsamt, jedes dieser in seiner eigenen Kartusche stehenden Wörter, entdeckt dabei die Schnecke und muss dann doch lachen. "Doch" weil man sich wehrt gegen diesen Zeiträuber, der seine Effekte schafft aus den Weißräumen zwischen Texten und Bildern.



Natürlich gibt es Fälle, in denen die Texte auch für sich schon erhellend sind, die man also getrost zitieren kann: "Schwarm zu sein bedarf es wenig" dem folgt "Denn im Schwarm ist jeder König". Das ist hübsch, weil es die Idee des Königs ad absurdum führt. Die Vivat rufenden Fische neben den beiden Textkartuschen fügen dem noch die Irritation hinzu, dass im Schwarm jeder König auch ein Vivatschreier ist. Oder die Doppelseite mit einem Fisch, mit zwei und mit drei Fischen. Unter ihnen drei Kartuschen: "Einer ist eine Erzählung", "Zwei sind ein Roman" und "Drei sind ein Drama". Das ist literaturwissenschaftlich vielleicht nicht korrekt, aber doch durch die Fische sehr einleuchtend. Die zwei umkreisen einander. Bald werden sie sich paaren. Bei den dreien scheint einer dazwischen zu witschen. Oder umkreisen zwei den Dritten? Wir lernen: die Neue Unübersichtlichkeit beginnt bei drei. Aber wäre da nicht dieses Weiß - niemand würde sich Gedanken machen. Der leere Raum schafft seine Welt. Aber er bedarf des Betrachters.

Robin Thiesmeyer wurde 1979 geboren, studierte Politische Wissenschaften und - "natürlich" bin ich versucht zu sagen - Philosophie. Seit November 2003 zeichnet er seine Arbeiten mit META BENE. Man findet sie auf www.metabene.de und jetzt auch hier:

META BENE: Es gibt mehr Sterne als Idioten, Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016, 98 Seiten, 14,99 Euro.