Außer Atem: Das Berlinale Blog

Ins Außerweltliche: Marcin Malaszczaks kurzer Film 'Orbitalna' (Forum Expanded)

Von Lukas Foerster
12.02.2014. Wer in "Orbitalna" einem Laufband nachblickt, wird Geistes von Film und Welt angesichtig.


Wie eine Raumstation auf einem fremden Planeten sieht in der ersten Einstellung der Ort aus, den Marcin Malaszczaks kurzer Film "Orbitalna" portraitiert. Die Kamera nähert sich ihm von oben, sie identifiziert lediglich ein paar Lichtinseln in einem Meer von Dunkelheit. Außerhalb des Films ist der Ort, steht zu vermuten, Teil eines Steinbruchs: ein Förderband, auf dem Erde und Steinbrocken transportiert werden. Eine Maschine, die das Laufband zu kontrollieren oder aber zu bearbeiten scheint. Und eine Frau mit getönter Brille, die die Maschine zu kontrollieren scheint.

Der Film setzt diese Handvoll Elemente absolut: das Laufband, die Maschine, die Frau, dann noch der staubige, menschenleere, auf recht resolute Art unwirklich anmutende Horizont. Das Laufband transportiert die Erde nicht von einem real zugänglichen Ort zu einem anderen, sondern von einem Off des Bildes zu einem anderen Off des Bildes. Die Maschine ist nicht funktionales Hilfsmittel in einem arbeitsteiligen Prozess, sondern Weltmotor. Ohne sie würde das Förderband, ohne das Förderband der Film, also eine ganze Welt zum Stillstand kommen. Und die Frau ist deshalb nicht eine lohnempfangende Angestellte, sondern der Geist von Film und Welt. Die dem Kapitalismus zugrunde liegende Differenz zwischen der Arbeit und ihrem Produkt ist aufgehoben.

Freilich nur aufgehoben in Bildern und Tönen. Denn ein toller Film ist "Orbitalna" auch deshalb, weil der dokumentarische Kern, der dem Film aller Wahrscheinlichkeit nach zugrunde liegt, nicht komplett verloren geht. Die Verwandlung eines in zahlreiche andere Prozesse verstrickten Arbeitsprozesses in eine autonome Weltmaschine bleibt erkennbar als ein bloßer Effekt filmischer Verfahren. Und die neue Welt des Films schließt sich auch nicht hermetisch von der vorgefundenen ab: Die Frau zum Beispiel führt einmal ein Telefongespräch, nach draußen, ins Off des Films.

Es scheint von Anfang an ein Farbfilter über dem gesamten Film zu liegen, jedenfalls ist schon die Atmosphäre, wie im Science-Fiction-Kino ins Außerweltliche verschoben. Die eindrücklichste (und wenn ich mich nicht täusche, auch die längste; ich mag mich im Folgenden in Einzelheiten täuschen, da ich den Film bislang nur einmal sehen konnte) Einstellung beginnt als langsamer, gleichmäßiger Schwenk über die erst fast attributlose Landschaft, dann setzt sie sich als immer noch langsamer und gleichmäßiger Schwenk über die Maschine fort, dann wird die Bewegung erratischer, folgt einzelnen Elementen, Verstrebungen, Verschraubungen der Maschine. Man verliert in diesem Schwenk, in dieser ja eigentlich kontinuierlichen Kamerabewegung jeglichen räumlichen Bezugsrahmen, es gibt keinen Unterschied mehr zwischen nah und fern, kein Verhältnis mehr von Details zum Ganzen (zum Beispiel zum Ganzen der Maschine). Der Film übt einen, in dieser Einstellung besonders, in den anderen nicht viel weniger, in einen anti-, oder vielleicht eher posthumanen Modus der Wahrnehmung ein.

Lukas Foerster

"Orbitalna". Regie: Marcin Malaszczak. Deutschland / Polen 2013, 25 Minuten. (Forum Expanded, alle Vorführtermine)