Außer Atem: Das Berlinale Blog

Hipsterköpfiger Breloer: 'Howl' von Robert Epstein und Jeffrey Friedman im Wettbewerb

Von Ekkehard Knörer
12.02.2010.


"Howl"
, der Film, ist natürlich totaler Quatsch, aber er hat ein, zwei Attraktionen. Quatsch ist er, weil nicht mehr als ein hochgepimpter Fernseh-Schulfilm, kleines ABC der Beat Generation, hipsterköpfiger Breloer. Ursprünglich als Doku gedacht, nun aber mit Spielszenen, die soviel Leben versprühen wie tote Katzen auf den Blechdächern von New York. Illustrationen für Bildstutzige: Der Dichter spricht und sein Gedicht kommt vor Gericht. Erklärungen für Literaturstutzige: Poesie lässt sich nicht in Prosa übersetzen, darum ist es Poesie. Szenenapplaus im Berlinale-Palast (echt!). Dazwischen, auch mal Schwarzweiß, die Liebe, die Fünfziger, aber alles mitgeschnitten aus Interviews und Protokollen. Quellenfetischismus, Geschichtsdummheit.

In jeder Sekunde des Vorspanns der TV-Serie "Mad Men" steckt mehr Intelligenz und Stilgefühl als in diesen Sequenzen. Gewiss, ein unfairer Vergleich; "Mad Men" ist so ziemlich das Beste, was wir derzeit überhaupt haben, aber "Howl" fordert ihn überdeutlich heraus. Denn vor Gericht sitzt, als Anwalt von Ginsbergs wegen Verbreitung obszönen Materials angeklagtem Verleger Lawrence Ferlinghetti, Jon Hamm, verehrungswürdig als Ambivalenzdarsteller Don Draper - und, gute Nachricht, man sieht ihn selten, und er macht seinen wohl verdient ikonischen Status durchs Herumsitzen und Aufstehen auch nicht kaputt. Sogar der Geniestreich, den ihm, also Don Draper, "Mad Men" in die Kreativenfeder diktiert - "It's Toasted", der Lucky-Strike-Slogan -, kommt in einer der animierten Sequenzen als Werbetafel ins Bild.

Wo "Mad Men" zum überzeugenden Zeitbild wird durch wunderbar tarierte Unterdeutlichkeit, da schreit "Howl" heraus, was eh keinen interessiert. Wär's nicht so traurig, müsste man lachen, dass der ganze dumme Literatur-muss-erlebt-sein-Quatsch, auf dem der Film reitet, justament dieser Tage in Feuilletons Urstände feiert, in denen authentizitätsfetischistische Blogger von "Echtheit" rhabarbern und wohlbestallte Beamte des Kulturbetriebs den Kitzel von Sex, Drugs & Techno fordern und Literatur mit ihren spießbürgerlichen Vorstellungen traktieren wie Mary-Louise Parker als den "Faust" umgeschrieben habende "Dichterin" im Zeugenstand des Films "Howl".

Eins aber muss man sagen. James Franco impersoniert Allen Ginsberg, so gut es halt geht, wenn man zum breloermäßigen Impersonieren gedrängt wird. Was aber auf vielleicht ein klein bisschen trashige Weise toll ist: wie er Ginsbergs "Howl" intoniert (hier der Dichter selbst). Ein Kauen der Zeilen mehr als ein Singen. Outriertes Mahlen, ganz fetter Kaugesang, Franco ist ein guter Kopf unserer Generation.

Robert Epstein, Jeffrey Friedman: "Howl". Mit James Franco, David Strathairn, Jon Hamm. USA 2009, 90 Minuten. (Vorführtermine)