Außer Atem: Das Berlinale Blog

Internet in der Luft: "BlackBerry" von Matt Johnson (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
18.02.2023.


In einer der vielen lustigen Szenen von Matt Johnsons "Blackberry" muss Mike Lazaridis, der geniale Ingenieur, der das kanadische Smartphone erfand, auf die Schnelle einen Prototypen zusammenbasteln, um ihn den Vorstandsherren von AT&T präsentieren zu können. Im Kaufhaus sucht er sich dafür das nötige Material zusammen, jede Menge Heimwerkerbedarf, Elektroschrott und Kinderspielzeug. Was er über Nacht fabriziert, sieht grottig aus, funktioniert aber einwandfrei. Aus diesem Geist ist auch Johnsons Film gemacht, mit vielen hektischen Schwenks, unscharfen Einstellungen und selbstgezimmerter Deko. Er sieht aus wie ein B-Movie, läuft aber im Wettbewerb.

Johnson erzählt die extrem kurze Geschichte von Aufstieg und Niedergang der kanadischen Superfirma Research in Motion, nach dem Bestseller "Losing the Signal" der beiden Reporter Jacquie McNish und Sean Silcoff vom Globe and Mail. Etwas mehr als zehn Jahre gab es die Firma, von 1996 bis 2008, in denen sie zum führenden Smartphone-Hersteller aufstieg und dann völlig vom Markt verschwand. Seine unglaubliche Komik zieht der Film aus dem Clash der Kulturen in der Techwelt Mitte der neunziger Jahre, als die großen Telefonkonzerne auf Teufel komm raus versuchten, die E-Mail ins Handy zu bekommen, und Internet in der Luft so unwirklich erschien wie die Macht bei "Star Wars". Seine Tragik zieht der Film aus der Chancenlosigkeit des genialen Erfinders während des großen Tech-Bebens.

Das Superhirn Mike Lazaridis (Jay Baruchel) und sein nerdiger Kompagnon Doug Fregin (Matt Johnson selbst) treiben ihr Projekt, die Verbindung von Computer und Telefon, in einer kleinen Klitsche im kanadischen Waterloo mit viel geschäftlichem Unverstand voran. Platzt ein Deal, tröstet sich die Firma mit einer Kinonacht: Die Nerds verlassen ihre Spielkonsolen, rücken ihre Bandanas zurecht und johlen über Pizza und Bier zu "Jäger des verlorenen Schatzes".



Rettung und Untergang verheißt der brutale Manager Jim Balsillie (Glenn Howerton), der den Laden mit allem aufmischt, was er an der Harvard Business School und im Haifischbecken so gelernt hat: Rumschreien, Angeben, Sprücheklopfen: "Je mehr Opfer du bringst, umso grandioser wird dein Erfolg." Einmal belehrt er sie: "Perfektion ist der Feind des Guten". Lazaridis, der sogar bei fremden Firmen die knisternde Billigelektronik aus China repariert, kontert entsetzt: "Gut genug ist der Feind der Menschheit." Doch sie brauchen den Hai, sie wissen, dass sie sonst von den Piraten über den Tisch gezogen werden. Balsillie führt ein strenges Regime ein, dem sich Lazaridis widerwillig fügt. Doug kann's nicht fassen: "Du hörst auf ihn? Der Mann hat 'ne Glatze und kennt nicht mal 'Star Wars'." Außerdem bringe es Pech, vor einer Kinonacht zu arbeiten. Jim treibt die Firma, die das beste Smartphone aller Zeiten erfunden hatte - nicht aufzuspüren, nicht nachzuverfolgen, nicht zu hacken -, an die Börse und ganz nach oben. Sie holen sich die beste Leuten zusammen, ein Hirn von hier, einen Personalchef von dort und den Chefingenieur von Google.

Natürlich bleibt beim Höhenflug der alte Gründergeist auf der Strecke und keiner weiß, warum eigentlich die Cracks aus dem Silicon Valley zu ihnen nach Waterloo gekommen sind. Und warum alle bereit sind, achtzig Stunden in der Woche zu arbeiten. Wegen des coolen Spirits, glaubt Doug. Weil sie das beste Smartphone der Welt bauen, glaubt Mike. Weil die Leute mit unzulässigen Aktienoptionen geködert wurden, glaubt die Börsenaufsicht.

Jay Baruchel als Mike Lazaridis und Glenn Howerton als Jim Balsillie sind tolle Komödianten, dem Tragischen, das am Ende unaufhaltsam auf sie zusteuert, sind sie weniger gewachsen. 2007 wirft Apple sein Iphone auf den Markt und die Telekom-Konzerne wittern Morgenluft, weil sie nun nicht mehr nur Minuten abrechnen können, sondern unbegrenzte Datenvolumen. Hier verliert der Film ein wenig seinen Tritt. Dennoch: Wenn Mike Lazaridis die Chefs von AT&T beschwört, dass kein Mensch bei seinem Smartphone die Tastatur auf dem Display haben möchte, weht durch diese Tech-Comedy der eisige Hauch der Wirtschaftsgeschichte.

Thekla Dannenberg

"BlackBerry". Regie: Matt Johnson. Mit Jay Baruchel, Glenn Howerton, Matt Johnson. Kanada 2023. 121 Minuten. (Alle Termine)