Magazinrundschau

Der perfekte Meeresklang

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
08.11.2016. In El Salvador können Frauen wegen einer Abtreibung für 50 Jahre ins Gefängnis wandern, berichtet Harper's. Der Guardian staunt über die mercedesfahrende Mörderin der spanischen Politikerin Isabel Carrasco. In Ceska pozice möchte J.M. Coetzee  lieber kein Afrikaaner sein. In HVG fordert Gáspár Miklós Tamás die Ungarn zum Trauermarsch für Népszabadság auf. Die New York Times blickt der Virtual Reality ins Auge.

Harper's Magazine (USA), 01.11.2016

Es gibt auf der Welt sechs Länder, in denen Abtreibung unter allen Umständen verboten ist - selbst wenn das Leben der Mutter auf dem Spiel steht. El Salvador gehört dazu. Rachel Nolan schildert in einer haarsträubenden Reportage, wie hier Frauen von der Justiz selbst nach einer Fehlgeburt gejagt und bedroht werden: "Staatsanwälte gehen in die Krankenhäuser und fordern Gynäkologen und Geburtshelfer auf, Patienten zu entdecken und zu melden, die 'Symptome einer Abtreibung' zeigen. Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, die Polizei zu informieren. Salvadorianische Ärzte an staatlichen Krankenhäusern müssen nachträgliche Evaluierungen vornehmen und Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, erwecken sofort Misstrauen, wenn sie medizinische Behandlung suchen." Die Strafe für eine Abtreibung "liegt zwischen zwei und acht Jahren Gefängnis. Aber weil El Salvadors Verfassung ein befruchtetes Ei als Person begreift, erheben Staatsanwälte in vielen Fällen willkürlich Anklage wegen vorsätzlicher Tötung, die mit Gefängnis zwischen 30 und 50 Jahren bestraft wird."

Guardian (UK), 07.11.2016

Eine sehr interessante Reportage über den Mord an einer Politikerin, der viel über das heutige Spanien erzählt, schickt Giles Tremlett aus Leon. Dort wurde im Mai 2014 auf offener Straße die Politikerin Isabel Carrasco erschossen. Der Mörder, stellte sich heraus, war eine Frau, die Carrasco dafür bestrafen wollte, dass diese ihrer Tochter keine schöne Position im Staatsdienst zugeschustert hatte: "Carrascos Architektenfreund Jesús Ramos reflektiert die vergiftete Atmosphäre in Leon, was er Spaniens 'familistische' Gesellschaft nennt - wo ein schwacher Wohlfahrtsstaat kein wirkliches Sicherheitsnetz bietet. 'Hier kümmert sich die Familie um dich', sagt er. Das macht Vetternwirtschaft unvermeidbar, sogar tugendhaft. In diesem Fall stiftete sie eine Mutter zum Mord an. Die Frau, die den Abzug drückte, tat dies jedoch nicht aus moralischer oder politischer Empörung. Schließlich war der Wunsch ihrer Tochter, mittels eines manipulierten Examens einen unkündbaren, vom Steuerzahler finanzierten Job zu ergattern, ein weiteres Beispiel für Korruption. Eine Attentäterin, die Mercedes fährt und Hugo Boss trägt, repräsentiert nicht die wütenden arbeitslosen Armen Spaniens. Sie repräsentiert eine Gesellschaft, in der die korrupte Verteilung von Steuergeldern so verbreitet ist, dass einige glauben, sie hätten ein Recht auf ihren Anteil und - in diesem Fall - ein Recht, dafür zu töten, wenn sie ihn nicht bekommen."

Arifa Akbar stellt den britischen Historiker David Olusoga vor, der in seinem Buch "Black and British: A Forgotten History" die weißen Briten daran erinnert, dass sie ihre Geschichte nicht unabhängig von der Geschichte ihres Empires und ihres Sklavenhandels sehen können: In Olusogas geht es nicht um Sklaverei als solche, so Akbar. "Es ist vielmehr eine radikale Neubewertung der Parameter der Geschichte, indem es die Leerstellen in der britischen Geschichtserzählung aufdeckt. Heimische Geschichte kann nicht getrennt werden vom Aufbau des riesigen ehemaligen Empires, meint er, das unauflösbar mit der Ökonomie der globalen Sklaverei verbunden war. Die Geschichte daheim mit der im Ausland zu verknüpfen, macht es viel schwerer, Britanniens Anteil am Sklavenhandel zu beschönigen."

Außerdem besprochen wird Alex Bellos' Band "Can You Solve My Problems?", eine Anthologie und Geschichte des Puzzles, dem Simon Singh größtes Vergnügen und eine verpasste Haltestelle verdankt.
Archiv: Guardian

HVG (Ungarn), 02.11.2016

Der Philosoph Gáspár Miklós Tamás kritisiert die geringe öffentliche Reaktion auf die Schließung der größten ungarischen Tageszeitung Népszabadság, verbunden mit dem Verkauf von mehreren bedeutenden regionalen Tageszeitungen an regierungsnahen Investoren. Zum Tag der Niederschlagung der Revolution von 1956 (4. November) ruft er zum öffentlichen Trauern auf - Trauern um Népszabadság und um die Pressefreiheit: "Der formelle Pluralismus gibt dem Auftreten des kritischen Denkens wenigstens eine Chance, welche die schwachen, isolierten, ausgelieferten und unterworfenen Privatpersonen symbolisch vereint und damit für wahre demokratische Politik Gelegenheit und Ort bietet. Diese Chance wird durch den jetzigen Angriff auf die Presse unmöglich gemacht, was nichts anderes ist als ein Staatsstreich. (...) Der liberale Konsens der westlichen Presse ist wohl erdrückend - doch weil er meistens wahr ist, wird dort auch Sondermeinungen Platz geboten, die Ungarn weniger aufgrund der Zensur als aus tief empfundenen weltanschaulichen Gründen nicht einmal erreichen. Die starke Abneigung gegenüber dem abstrakten Denken macht die ungarische 'Gemeinbildung' sofort erkennbar: die Begrifflichkeit erweckt Empörung, die Idee Gelächter. Doch nicht nur für die Revolte sondern auch für die einfache Empörung bedarf es Vertiefung und Konzentration. Egal wie unberührt Sie alle sind, auch Sie sind Verlierer, wenn die Pressefreiheit stirbt. Bitte trauern Sie."
Archiv: HVG

New Yorker (USA), 14.11.2016

Im neuen Heft des New Yorker erklärt William Finnegan, wie aus Venezuela, einst das reichste Land Südamerikas, das Land mit der höchsten Inflation und Kriminalität werden konnte: "Der Ölpreis is Schuld, heißt es immer. Die Wahrheit stimmt noch hoffnungsloser. Venezuela verfügt über die weltgrößten Ölreserven, Öl macht 96% des Exports aus. Als der Ölpreis vor zwei Jahren fiel, entzündete das die Wirtschaftskrise. Inzwischen hat sich der Preis erholt, doch die Wirtschaft stürzt weiter ab. Die Auslandsreserven der Regierung sind seit 2009 auf ein Drittel geschrumpft. Werden die verbleibenden Dollars die Kredite bezahlen und Schulkinder ernähren können? Im Augenblick hält man den Istzustand, aber auf Kosten der Bevölkerung … Die Krise dem Versagen des Sozialismus anzulasten, wäre ahistorisch. Vor Chavez war Venezuela etatistisch. Korruption war schon immer ein Riesenproblem, Lebensmittelknappheit eine bekannte Plage. All das kommt auch im Kapitalismus vor. Der räuberische Staat, die extreme Unsicherheit, die schwache Gesetzgebung, das sind profundere Probleme, als eine traditionelle Links-Rechts-Analyse ans Licht bringt."

Außerdem: Alex Ross berichtet aus dem Death Valley, das dieses Jahr dank Überschwemmungen zu blühendem Leben erwachte. Alec MacGillis erkundet den kleinen Grenzverkehr zwischen der Politik in Washington und der Wall Street und stellt fest, dass eine neue Linke sich dagegen wehrt. Alexandra Schwartz liest Zadie Smiths Roman "Swing Time". Peter Schjeldahl schreibt zum 500. von Martin Luther.  Anthony Lane sah im Kino Denis Villeneuves "Arrival". Lesen darf man außerdem Mohsin Hamids Erzählung "Of Windows and Doors".
Archiv: New Yorker

The Nation (USA), 21.11.2016

Ein Buch über Musik- und digitale Kultur im 21. Jahrhundert? Gegenwärtiger gehts kaum. Das findet auch Atossa Araxia Abrahamian, die "Uproot: Travels in 21st-Century Music and Digital Culture" von Jace Clayton alias DJ/rupture wärmstens empfiehlt: "'MIAs frühe Arbeiten haben viele von uns intuitiv angesprochen', erklärt Clayton, 'weil ihr Sound die ganz und gar zeitgenössische Beschaffenheit von Identität als bewegliche und verlustbehaftete Daten ausdrückte.' Sie ließ ihre Zuhörer in einem musikalischen Niemandsland zurück, das sie fragen ließ: 'Wo sind wir?' Claytons neues Buch versucht diese Frage zu beantworten. Wie sein Mixtape, das ihn in den frühen 2000er Jahren berühmt machte, so scheint sein Buch viele Genres auf einmal zu umfassen: Es ist Reisebeschreibung und kulturelle Ethnografie, Popphilosophie und Erinnerung, Führer durch die zeitgenössische Musik und Fanzine. Clayton versucht nicht nur, uns mit einer anregenden Theorie unserer gegenwärtigen globalen Musikszene zu versorgen, er will auch herausfinden, wie die Globalisierung unsere Art zu sprechen, denken, reisen und musizieren verändert hat."

Vivian Gornick liest Elena Ferrantes "Frantumaglia", einen Band mit Briefen, Essays und Interviews aus den letzten 25 Jahren, und stellt fest, dass die Autorin immer wieder rundheraus über ihre Person gelogen oder zumindest in die Irre geführt hat: "Ich finde das interessant, weil sie in diesen Interviews ziemlich direkt sagt, dass sie keine Bedenken hat, den Interviewer zu belügen, wenn dies ihrer Anonymität dient - und genau das hat sie auch getan, mit den besten Wünschen ihrer Leser, zu denen ich mich selbst zähle. Nachdem ich jetzt weiß, dass was sie in ihren Interviews über sich sagt oder impliziert, nicht buchstäblich wahr ist, kann ich ehrlich sagen: Das ist völlig unwichtig." Im Guardian, der einen Auszug aus "Frantumaglia" bringt, findet man entsprechende Passagen, in denen Ferrante Lügen in Interviews mit Journalisten unvermeidlich findet.

Besprochen werden außerdem Zadie Smiths neuer Roman "Swing Time" (kein wirklich gutes Buch, findet Adam Kirsch in einer ausführlichen Kritik, aber doch eins, das genaue Auskunft gibt über den Stand einer Generation, die noch vor kurzer Zeit von den vielversprechenden Möglichkeiten des Multikulturalismus träumte), Élisabeth Roudinescos Biografie "Freud: In His Time and Ours", Ian McEwans Roman "Nussschale" und eine Biografie Toussaint Louvertures, einer der Gründungsväter Haitis.
Archiv: The Nation

Pitchfork (USA), 02.11.2016

Heute sind Meeresrauschen und ähnliche Naturklänge als Soundtapete gängig im Gebrauch. 1969 aber, als Irv Teibel sein erstes von insgesamt zehn "Environment"-Alben veröffentlichte, war das noch Neuland im Musikgeschäft. Für Pitchfork hat Mike Powell die spannende Geschichte dahinter aufgeschrieben. So erfährt man beispielsweise, dass der perfekte Meeresklang keineswegs dokumentarischen Charakter hat, sondern aufwändig und unter Einsatz früher Digitaltechnologien penibel gestaltet wurde. "In gewisser Hinsicht stellte Teibels Projekt eine Fortführung von Exotica dar, eine Modeerscheinung der 50er, die asiatische Klänge und lateinamerikanische Rhythmen mit natürlichen Ambientklängen verband, um die holzvertäfelten Wohnzimmer der Nachkriegsvorstätte in jene Dschungel zu verwandeln, die die Zuhörer selbst wahrscheinlich niemals aufsuchen würden. ... Und genau wie Exotica war 'Environments' eng verbunden mit den Fortschritten im Bereich der Aufnahme- und Wiedergabetechnik. Dies vor allem hinsichtlich der Vorstellung, dass die Qualität einer Stereoanlage daran zu bemessen sei, wie gut sie einen glauben lässt, dass die Musik sich tatsächlich mit einem im selben Raum befindet, um etwas 'echtes' zu beschwören. Teibel war geradezu manisch besessen von diesem Aspekt. Er schrieb mit der Präzision und der Sorge eines Arztes darüber, wie man die Lautsprecher einrichten müsse und welche Rahmenbedingungen man für das Hörerlebnis schaffen müsse."
Archiv: Pitchfork

Ceska pozice (Tschechien), 05.11.2016

Der südafrikanische Schriftsteller und Nobelpreisträger J.M. Coetzee ist dafür bekannt, keine Interviews zu geben, doch für Přemysl Houda hat er eine Ausnahme gemacht. Nach seinem Aufwachsen im weißen Umfeld der Afrikaaner befragt, äußert Coetzee seine Schwierigkeiten mit diesem Begriff, auch Jahre nach der Entmachtung der National Party und dem Ende der Apartheid. "Noch heute gibt es Millionen von Südafrikanern, die sich dagegen wehren würden, dass man sie Afrikaaner nennt. Sie wollen keine Afrikaaner sein, weil sie nämlich denken, dass dieser Begriff, auch wenn Afrikaans ihre Sprache ist, vergiftet ist." - Houda: "Vergiftet auf ewig? Oder ich frage anders: Tragen wir die Schuld an den Sünden, die unsere Vorfahren begangen haben, sei es an indianischen Ureinwohnern oder an den Schwarzen im Zuge der Apartheid?" - Coetzee: "Wir sind nicht verantwortlich für die Vergehen unserer Vorfahren - und können es nicht sein. Wir können jedoch die Verantwortung für die Folgen übernehmen, die ihre Taten hatten, und dort, wo dies auch nur ansatzweise möglich ist, sollten wir diese Folgen beseitigen oder zumindest ihre Auswirkungen so weit wie möglich mildern." Was der heute in Australien lebende Coetzee seiner alten Heimat gegenüber persönlich empfindet, dafür hat der wortkarge Autor nur eine Antwort: "Keinen Kommentar."
Archiv: Ceska pozice

Vanity Fair (USA), 06.11.2016

Wäre Hollywood nicht zum Kaugummiautomaten verkommen und noch böser Komödien fähig - das wäre der Stoff. Alle Political correctness müsste man allerdings fahren lassen. David Margolick erzählt die Schlacht zwischen Peter Thiel und Nick Denton als einen Zickenkrieg zweier ultralibertärer Homosexueller, die einander in tiefem Hass und tiefer Ähnlichkeit verbunden sind. Während Thiel bekanntlich für Trump Wahlkampf macht, bekennt Denton - natürlich auch aus Dandyismus - seine Bewunderung für den Demagogen Breitbart und den Pressezar Murdoch. Dennoch zählt Denton wohl eher zur modischen New Yorker Linken mit ihrem Nippesregal queerer und ethnischer Identitäten - und Margolicks Artikel ist eher ein Porträt Dentons als Thiels. Denton ist der Verlierer, Thiel hat ihn und sein Klatschblog Gawker in Grund und Boden geklagt - aber er bleibt zmindest nach außen hin gelassen: "'Interessant und furchteinflößend', so beschreibt Denton Thiel. Dennoch beharrt Denton darauf, dass seine Differenzen mit Thiel eher philosophischer als persönlicher Natur seien und über ihre Personen hinausweisen. Sie spiegelten eine Schlacht zwischen zwei Grupppen wider, sagt er, den Kontrollfreaks aus Silicon Valley und den freibeuterischen Bloggern, die durch ihre Technologie losgelassen wurden - und zwei Begriffe von Freiheit: der eine glaubt, man sei nur frei, wenn man auch öffentlich ganz man selbst sei. Der andere hält sich nur dann für frei, wenn man sich schützt, vor allem vor Gawkern - deutsch: Gaffern."
Archiv: Vanity Fair

Magyar Narancs (Ungarn), 20.10.2016

Der Bürgerrechtler und Freiheitskämpfer von 1956, Imre Mécs, spricht mit Tibor Legát über die Motive, auch heutzutage an Protestaktionen teilzunehmen, sowie über den Charakter der Erinnerungsveranstaltungen zum sechzigsten Jahrestag der Revolution: "Die gegenwärtige Entwicklung empört mich, sei es die Geschichtsverfälschung am Freiheitsplatz, oder die Entwicklung im Stadtgarten. Andererseits empfinden viele jüngere Menschen Ermutigung und Bestätigung, wenn sie uns mit meiner Frau dort sehen, auch bei körperlichen Insultationen. Es herrscht großer Mangel an selbstbewussten Staatsbürgern, für mich ist es wichtig, sie zu unterstützen. (...) Der Ministerpräsident und seine Partner hatten vor zehn Jahren die Feierlichkeiten zum fünfzigsten Jahrestag sabotiert, als sie aus selbstsüchtigen Machtinteressen die Ausschreitungen unterstützten, obwohl damals mehr als fünfzig Staats- und Regierungschefs nach Budapest reisten, um der Revolution die Ehre zu erweisen. Jetzt versuchen sie vergeblich einen gefälschten sechzigsten Jahrestag zu kreieren, der kaum internationales Echo auslöst. Es ist auch nicht zu vergessen, dass der Großteil der '56er nicht mehr lebt. Ich gehöre zu der jüngeren Generation, doch auch ich bin bereits 83 Jahre alt."
Archiv: Magyar Narancs

Film Comment (USA), 04.11.2016

Die vor 20 Jahren aufsteigenden Hoffnungen, das Kino würde schwule, lesbische, Trans- und queere Personen besser repräsentieren, haben sich nicht erfüllt, stellt Mark Harris in einem Überblick zum Stand der Dinge fest: Die Akzeptanz hinter den Kulissen mag gestiegen sein und während die im Zeitalter von VoD allerdings völlig vernischten Indie-Filme sich entsprechenden Themen zwar selbstverständlich nähern, ist dergleichen im Mainstreamkino allenfalls im Mikrobereich zu beobachten. Auffällig ist aber, dass sich vor allem das Fernsehen offener gegenüber homosexuellen und queeren Menschen zeigt. ... In den meisten Filmen ist niemand einfach bloß da, sondern aus einem ganz bestimmten Grund. Und Hollywood hat noch immer keinen wirklichen Dreh gefunden, hier LGBT-Leute ins Bild zu rücken. Vor einem Vierteljahrhundert lautete die Parole der Aktivisten noch 'Wir sind hier, wir sind queer, gewöhnt euch dran.' Dem Fernsehen verschaffte dies einen Vorteil: Leuten dabei behilflich zu sein, sich an etwas zu 'gewöhnen', ist eine Spezialfähigkeit des Mediums. Im Kino jedoch übersetzte sich diese Nachricht in ein 'Ihr seid hier, ihr seid queer, ihr habt gewonnen, begriffen, aber können wir jetzt bitte weitermachen?'"

Weiteres: Violet Lucca plädiert dafür, den kreativen Anteil, den Digitaleffekt-Künstler an der fertigen Gestalt von Filmen haben, als ästhetische Leistung zu würdigen und die Arbeiter der Anonymität und Ruhmlosigeit zu entreißen. Eric Hynes schreibt über 40 Jahre Steadycam. José Teodoro unterhält sich mit Pablo Larraín.
Archiv: Film Comment

New York Times (USA), 06.11.2016

Im aktuellen Magazin der New York Times wagt Steven Johnson einen Blick in die Zukunft der Virtual Reality und vergleicht ihr Potenzial mit dem anderer bahnbrechender Enwicklungen und ihren eher spielerischen Anfängen: "Ein erstaunlicher großer Teil unserer Moderne verdankt sich der Beschäftigung mit Zauberei und Spielzeug. Erfahrungen, die dazu da sind zu unterhalten oder zu erstaunen, verändern die Gesellschaft oft in stärkerer Weise als pragmatische Entwicklungen … Das Studium der Unterhaltung entpuppt sich als Fernrohr in die Zukunft. Die Idee globaler Wirtschaft wurde erstmals erkennbar in Gestalt des Gewürzhandels, die ersten programmierbaren Maschinen waren automatische Spielzeuge und Musikautomaten, die heute allen Bereichen vom Flugzeugdesign bis zu Pharmaversuchen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde entwickelt, um Würfelspiele zu analysieren. Als viktorianische Technikanhänger zum ersten Mal durch Stereoskope schauten, um sich in fremde Welten zu beamen, projizierten sie sich ohne es zu ahnen in eine ferne Zukunft, unsere Zeit … Heute, da Actionfilme uns mit immer mehr Schnitten und Videospiele uns mit dauerndem Gemetzel bombardieren, kommt die meditative Qualität einer virtuellen Realität, die wir durch eine VR-Brille betrachten, erst zum Tragen. Die fortschrittlichste Technik dazu zu verwenden, uns zu entschleunigen und wieder staunen zu lassen, könnte der magischste Trick von allen sein."

Außerdem: Jim Yardley kehrt nach zehn Jahren im Ausland zurück in seine Heimat USA und erklärt, was sich verändert hat. James Traub erläutert am Beispiel Polens, was eine Rechtsaußen-Regierung mit der Demokratie anstellt. Und Maureen Dowd erinnert an eine Zeit, als die Clintons zu Donald Trumps Hochzeit eingeladen waren und auch hingingen.
Archiv: New York Times