Magazinrundschau

Direkt an die chinesische Polizei

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
01.06.2021. Osteuropa erinnert an die zehntausenden Belarussen, die immer noch fürchten müssen, wegen einer Demonstration in einem Straflager zu landen. Die Public Domain Review erinnert an das Massaker von Tulsa. Der Philosoph Jens Soentgen erkundet für den Merkur das Braunkohlerevier von Hambach. Tablet beschreibt den Streit in Frankreich um den Islamismus als Streit zwischen Gilles Kepel und Olivier Roy. Fast Company erinnert an Lois Lew, die als vielleicht einziger Mensch der Welt in Echtzeit die chinesische Schreibmaschine von IMB beherrschte. Der New Yorker schickt eine Reportage über den Kobaltabbau im Kongo.

Osteuropa (Deutschland), 17.03.2021

Mit dem Akt der Luftpiraterie hat Belarus den Systemkonflikt zwischen West und Ost offen ausbrechen lassen, analysiert Volker Weichsel (auf Englisch in Eurozine), wobei nicht politische Inhalte die Differenz markieren, sondern Moskaus blanker Nihilismus, der jede Idee von Recht und Gerechtigkeit negiert. Dennoch zielt das Regime von Alexander Lukaschenko mit der Entführung des Bloggers Roman Protassewitsch und seiner Lebensgefährtin Sofija Sapega vor allem auf all die geflüchteten Oppositionellen, die noch nicht im Gefängnis sitzen, so Weichsel: "Sie sollen wissen, dass sie nirgends sicher sind. Nicht in der Luft und nicht am Boden, nicht in Vilnius, nicht in Warschau und nicht in Berlin. Gleiches gilt für die Zehntausenden traumatisierter und eingeschüchterter Menschen, die es in einem Augenblick der Hoffnung im August oder September 2020 gewagt hatten, nur einmal, vielleicht zwei Mal oder drei Mal an einem Protestmarsch teilzunehmen, sich drei Streifen, einen weißen, einen roten und noch einen weißen, auf die Wange zu malen - und die seit Monaten Tag für Tag fürchten müssen, wegen der 'Teilnahme an Massenunruhen' verhaftet zu werden, nach Monaten in Untersuchungshaft, nahezu vollständig isoliert von der Außenwelt, in einem jeglicher Rechtsstaatlichkeit hohnsprechenden Prozess zu einjähriger, zweijähriger oder gar fünfjähriger Lagerhaft verurteilt zu werden. Das nervöse Regime hält sie als Geiseln, um jede Regung der Gesellschaft, ein erneutes Aufflammen der Proteste, zu verhindern."
Archiv: Osteuropa

Public Domain Review (UK), 27.05.2021

Das Greenwood-Viertel in Tulsa nach seiner Zerstörung

Heute vor hundert Jahren brannte ein von den Behörden zum Teil noch angeheizter und mit Waffen ausgestatteter Mob das wirtschaftlich prosperierende Geschäftsviertel der afroamerikanischen Bevölkerung von Tulsa, Oklahoma, bis auf die Grundmauern nieder, nachdem ein junger Schwarzer und ein junge weiße Frau unter ungeklärten Umständen aneinander geraten waren. Selbst aus der Luft erfolgten Angriffe. Wer die Fotos von damals sieht, die eher an den Ersten Weltkrieg denken lassen, kann es nicht fassen, dass dieses seinerzeit in der Presse als "Negeraufstand" hingestellte Ereignis jahrzehntelang mehr oder weniger totgeschwiegen wurde und erst in den letzten Jahren in die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit gerückt ist. Karlos K. Hill hat einen Band mit Fotografien von damals herausgegeben und berichtet davon, dass im Gegensatz zu vielen anderen Gewaltausbrüchen der damaligen Zeit erstaunlich viele fotografische Zeugnisse aus Tulsa erhalten geblieben sind: Dies liegt auch daran, dass "viele weiße Teilnehmer das Bedürfnis hatten, gegenüber anderen Weißen ihren Anteil an der gewalttätigen Zerstörung des Greenwood-Viertels visuell darzustellen und mit ihnen zu teilen. Von den über 500 Fotografien, die ich mir angesehen habe, lassen sich lediglich das halbe Dutzend Bilder des Fotografen Reverend Jacob H. Hooker, selbst ein Überlebender des Massakers, einer schwarzen Person zuordnen. ... Die Emsigkeit, mit der Weiße aus Tulsa die Zerstörung dieser Community fotografierten, spiegelt die Lynchkultur der Jahrhundertwende wieder, in der Fotografie eine zentrale Rolle spielte. ... Bildunterschriften wie 'Wir vertreiben die Neger aus Tulsa', 'Klein-Afrika in Flammen' und 'Zusammengetrieben im Kongresszentrum' verweisen auf dieses kulturelle Ethos. Fotos des Massakers wurden als Souvenirs wertgeschätzt, die es den Urhebern erlaubten, sich in ein triumphalistisches Narrativ einzuschreiben. Dies trifft insbesondere auch auf jene Bilder zu, die später als Postkarten verkauft wurden, was jenen, die sie kauften und verschickten, aber auch den Adressaten, die sie betrachteten, gestattete, an diesem Triumph teilzuhaben."

Magyar Narancs (Ungarn), 26.05.2021

Im Interview mit Dorka Czenkli spricht die Kunsthistorikerin, Galeristin und Kunsthändlerin Judit Virág über die Entwicklung der Sammlerszene für ungarische Malerei vor und nach der Wende. "Um die Wende entstanden beinahe sofort Galerien und Auktionshäuser. Ich denke, dass der ungarische Markt genauso funktioniert wie überall auf der Welt. Bei den Sammlern gab es jedoch große Veränderungen. Vor der Wende konnte man genau sagen, aus welchen gesellschaftlichen Schichten und Berufen die Käufer kamen. Eine große Rolle spielten Intellektuelle, Ärzte, Rechtanwälte, Theaterschaffende und Kleinunternehmer. Heute könnte ich überhaupt nicht mehr eingrenzen, wer sammelt. Man kann nicht eindeutig sagen, dass es die Nachkommen früherer Sammler seien. Nach der Wende tauchten ungarischstämmige, im Ausland lebende, wohlhabende Menschen auf. Gleichzeitig begannen Banken zu sammeln und Ausländer  erschienen auf der Bildfläche, die keinerlei Beziehung zu Ungarn hatten, jedoch beträchtliches Kapital."
Archiv: Magyar Narancs
Stichwörter: Ungarische Malerei

Merkur (Deutschland), 01.06.2021

Der Chemiker und Philosoph Jens Soentgen lässt sich durch das Braunkohlerevier von Hambach führen, einem der größten Tagebaue der Welt, unweit von Köln. Noch kommen aus den Hambacher Kraftwerken ein Drittel der gesamten Kohlendioxidemissionen von Nordrhein-Westfalen, doch wenn der Tagebau 2030 stillgelegt wird, soll das Baggerloch mit dem Wasser des Rheins gefüllt werden und Deutschlands zweitgrößten See - nach dem Bodensee - bilden. Es ist eine gespenstische, faszinierende Tour, die Soentgen da mit dem Paläobotaniker Ulrich Lieven machen darf: "Schaufelradbagger graben die Kohle ab. Sie sind etwa zweihundert Meter lang und hundert Meter hoch, die größten selbstfahrenden Arbeitsmaschinen, die es auf der Welt gibt. Sie sind das eigentliche Werkzeug, mit dem die Kohle herausgefördert wird. So ein Bagger, erläutert Lieven, kann 13-000 Tonnen wiegen, gebaut wird er aus Stahl. Und damit kenne man auch die Kosten, denn fertig verbauter Stahl koste ungefähr so viel wie gute Butter. Ich gebe zu, dass ich nicht behalten habe, welchen Butterpreis Lieven zugrunde legt, aber der Vergleich gefiel mir trotzdem. Es dürfte keine größeren und teureren Maschinen geben als diejenigen, mit denen wir Brennstoffe für unsere Feuer gewinnen. Wir halten schließlich an einem frisch aufgeschlossenen Kohleflöz. Er ist braunschwarz; man erkennt in den Massen schon aus der Ferne einzelne Baumstämme, die sich beim Näherkommen als richtiges, allerdings braunschwarzes Holz erweisen, bestens erhalten, als wäre es gestern erst abgestorben und dann eingefärbt worden, ohne Mühe kann man alle Jahresringe erkennen, Zeichen längst vergangener Jahre. Ungefähr vor vierzehn Millionen Jahren bildete sich der unterste Flöz Frimmersdorf aus Bäumen und Pflanzen eines sumpfigen Walds."
Archiv: Merkur

Intercept (USA), 25.05.2021

In einem Beitrag für das Magazin untersucht Mara Hvistendahl, wie Oracle mit seiner Datenanalyse-Software Endeca Polizeiarbeit im eigenen Land unterstützte, nach dem Export der Software nach China aber zunehmend mit der CIA in Konflikt gerät und ungeschützte Online-Protester in China gefährdet: "In chinesischsprachigen Unterlagen bewarben Oracle-Mitarbeiter den Einsatz von Endeca bei den NATO-Protesten und durch die US-Regierung, um für die Übernahme der Software durch die chinesischen Behörden zu argumentieren. Die Dokumente erwähnen spezifische Polizeiprojekte und Datenquellen der chinesischen Regierung, aber verschiedene Unterlagen scheinen für ein amerikanisches Publikum gemacht zu sein, mit chinesischen Übersetzungen über englischem Text … Die Dokumente, die Endeca speziell für die Verwendung durch chinesische Polizei vermarkten, stammen aus den Jahren 2012 bis 2014. Aber spätere chinesischsprachige Dokumente promoten 'Big Data Discovery', ein Oracle-Produkt, das die vollständige Funktionalität von Endecas 'Information Discovery' enthält. Ein von einem Oracle-Ingenieur auf einer Entwicklerkonferenz in Kalifornien präsentiertes Dokument von 2018 beschreibt die Verwendung von 'Big Data Discovery' unter anderem durch das öffentliche Sicherheitsbüro der Provinz Liaoning. Ein Oracle-Reseller mit engen Beziehungen zur chinesischen Regierung verkauft Endeca weiterhin, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Auflistung auf der Oracle-Website hervorgeht … Oracle hatte bestritten, Software direkt an die chinesische Polizei zu verkaufen, um Bürger-Daten zu analysieren."
Archiv: Intercept

La vie des idees (Frankreich), 18.05.2021

Janine di Giovanni schrieb neulich in The Atlantic, dass Handyvideos ein Hauptmaterial sein werden, um die Verbrechen Baschar al-Assads zu dokumentieren (unser Resümee). Flankierend lässt sich Cécile Boëx' Artikel lesen, der den Syrienkrieg von vornherein auch als einen Krieg der Bilder beschreibt. Auffällig sei zum Beispiel, dass Schergen des Diktators ihre Untaten oft selbst mit ihren Handys filmten und ins Netz stellten - von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt: "Es wurden keine Maßnahmen ergriffen, um diese weit verbreitete Filmpraxis innerhalb des Repressionsapparates zu kontrollieren. Die begrenzte Sichtbarkeit dieser verschiedenen Videos, die die Missbräuche des Regimes dokumentieren, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich um 'schlechte' Bilder handelt: Die Auflösung ist oft schlecht, die Kamerabewegungen sind ruckartig, es fehlen Hinweise zur Kontextualisierung und nur wenige Videos sind übersetzt. Kaum nachvollziehbar für ein externes Publikum und meist auf eine syrische 'Öffentlichkeit' beschränkt, tragen diese Videos dazu bei, das Klima der Straflosigkeit und des Schreckens zu verbreiten."

Tablet (USA), 25.05.2021

Wer etwas über den Islam in Frankreich und die Haltung der Mehrheitsgesellschaft zum Islamismus lernen will, sollte diesen monumentalen Artikel lesen. Marc Weitzmann, einst Chefredakteur der französischen Pop-Zeitschrift Les Inrockuptibles, erzählt die Geschichte als einen Kampf der Giganten Olivier Roy und Gilles Kepel, die auch international zu den renommiertesten Islamwissenschaftlern gehören, um Deutungshoheit. Olivier Roy führte den Diskurs zunächst an mit seiner Multikulti-Botschaft, dass der Terrorismus nichts mit dem Islam zu tun habe, unter Macron setzte sich Gilles Kepel mit seinen ungemütlicheren, aber leider auch zutreffenderen Interpretationen durch. Nebenbei erfährt man einiges über das Verhältnis Frankreichs zu Marokko und Algerien, die jahrzehntelang eine bessere Integration der Muslime in Frankreich verhindert haben. "Gute Beziehungen zwischen Paris und den neuen Regimes der ehemaligen maghrebinischen Kolonien waren natürlich de rigueur - was aber für beide Seiten des Deals bedeutete, dass die Migranten nicht dauerhaft in Frankreich bleiben sollten. Jede andere Option hätte für die Franzosen absurd geklungen und wäre eine Beleidigung für die neuen unabhängigen Länder gewesen. Die Algerier waren in diesem Punkt besonders empfindlich, da ihre nationale Ehre es niemals dulden würde, dass einige ihrer Bürger sich dafür entscheiden würden, in einem Land zu leben, dessen Armee während des langen Kampfes um die Unabhängigkeit Algerier getötet und gefoltert hatte. Marokko war derselben Meinung, und zwar so sehr, dass König Hassan II. 1993 in einem Interview im französischen Staatsfernsehen die Marokkaner noch ermahnte, sich nicht in Frankreich zu 'integrieren', und den Franzosen riet, nicht zu versuchen, ihre Integration voranzutreiben."
Archiv: Tablet

Fast Company (USA), 17.05.2021

Lois Lew in den Vierzigern an der chinesischen IBM-Schreibmaschine. Foto: IBM
Thomas S. Mullaney, Professor für chinesische Geschichte in Stanford, konnte es kaum glauben, als er eines Tagen in seinem Blog einen Post von Lois Lew las, der Frau, die 1947 virtuos eine unglaublich komplexe chinesische Schreibmaschine von IBM bediente. 36 Tasten auf vier Reihen, mit denen man 5.400 chinesische Zeichen erzeugen konnte. Für jedes Zeichen mussten vier Tasten (auf jeder Reihe eine) gleichzeitig gedrückt werden. Lew, mit 16 von ihrer Mutter nach Amerika verheiratet, ohne jede formale Ausbildung, memorisierte die Kombinationen, und wurde ein IBM-Star, der sogar den Erfinder der Maschine, Kao Chung-Chin, nach China begleitete. "Viele wären von dem Druck überwältigt gewesen, aber nicht Lew. Sie hatte sich an das Rampenlicht gewöhnt. New York, Boston, San Francisco, bei IBM - all diese Erfahrungen hatten sie reifen lassen, wie einen altgedienten Hollywood-Darsteller. Vor den 3.000 Zuschauern und einem äußerst nervösen Kao Chung-Chin bekam Lew einen Zeitungsartikel nach dem anderen, einen Brief nach dem anderen in die Hand gedrückt, den sie dann auf der chinesischen Schreibmaschine abschreiben musste. Mit anderen Worten, Lew musste mehrere Passagen, die jeweils Hunderte von chinesischen Zeichen enthielten, in die entsprechenden vierstelligen Codes übersetzen; diese Übersetzungen vollständig in ihrem Kopf durchführen; diese Codes in die Maschine eingeben (ohne Verzögerung oder Tippfehler); die ganze Zeit über Anmut, Gelassenheit und sogar ein Lächeln zu bewahren." Das gelang ihr bravourös. Die Reise war ein Riesenerfolg, die Maschine am Ende leider nicht - zu kompliziert und dann kamen auch noch die Kommunisten. Dennoch ging die Geschichte für Lew, die heute noch die Kombinationen im Kopf hat, gut aus.
Archiv: Fast Company

Aktualne (Tschechien), 02.06.2021

Martin Fendrych bescheinigt seinen tschechischen Landsleuten, eine "hedonistische Gesellschaft" zu sein. Es habe immer geheißen, nach Covid werde nichts mehr so sein wie vorher, aber davon sei nichts zu bemerken. "Wir lockern wie die Wilden." Seit Montag darf man wieder sein Bier in der Kneipe trinken, "dem Tempel des Tschechentums". Der Überdruss an all den Einschränkungen ist logisch und verständlich, aber auch wieder typisch, meint Fendrych: "Wir sind Tschechen, das Nicht-an-Regeln-halten ist für uns ein wesentliches und eisern eingehaltenes Menschenrecht." Die Mundschutzmasken hängen unter der Nase, unter dem Kinn oder lässig am Arm, der Ansturm auf die Baumärkte habe etwas von der muslimischen Haddsch in Mekka, die Leute gäben sich wieder die Hand und drängten sich unbekümmert zusammen. "Eigentlich ein Wunder, dass die Ansteckungszahlen weiter sinken, als sei auch das Virus inzwischen der Situation überdrüssig. Oder lockt es uns in eine Falle und bereitet schon die nächste Welle vor?" Fendrych fragt sich auch, ob die tschechische Lässigkeit etwas damit zu tun habe, dass das Land eines der säkulärsten, unchristlichsten der westlichen Welt sei. "Nicht, dass Christen unbedingt die besseren Menschen wären, das nicht", aber ab und zu höre man doch einmal in der Kirche oder im Bibelkreis, dass man seinen Nächsten lieben solle wie sich selbst. (Das geht natürlich auch ganz ohne Bibel)
Archiv: Aktualne
Stichwörter: Tschechien

Elet es Irodalom (Ungarn), 28.05.2021

Der Dichter, Kritiker und Redakteur Tamás Korpa war bis vor kurzem Co-Vorsitzender des Bundes Junger Schriftsteller (FISZ) und wurde 2021 mit dem János-Sziveri-Literaturpreis ausgezeichnet. Im Interview mit József Lapis spricht er über die Beziehung seiner Texte zu Ort und Raum: "Ich orientiere mich sehr schlecht. Doch steht es außer Zweifel, dass sich der Großteil meiner Texte an gewisse Räume, Städte, Wohngemeinschaften, oder natürliche Formationen bindet. Diese verfügen über sammelnde und zerstrahlende Kräfte, seit geraumer Zeit beschäftige ich mich und träume mit ihnen, manchmal besuche ich sie, wenn ich sie gerade finde. Sie sind Erlebniskomplexe. (...) Diese Orte mit ihren Räumen, Traditionen und Erinnerungen sind typischerweise multikulturell, es muss also schon ein tapferer einheimischer Leser sein, der sich darin zurechtfindet. Noch dazu ist meine Position die des äußeren Außenstehenden, wenn ich es noch verschärfen darf, der über sprachliche, kulturelle, religiöse, weltanschauliche und geografische Distanzen verfügt, er weiß und kennt zwar ein wenig, aber anders. Er formt mindestens soviel, wie er auf dem 'Arbeitsgelände' deformiert."

New Yorker (USA), 31.05.2021

Das Magazin bringt eine Reportage von Nicolas Niarchos, der die Liefer- und Geldströme im Zusammenhang mit dem für die Mobilfunk- und die E-Auto-Branche wichtigen Kobaltabbau im Kongo offenlegt und die abenteuerlichen Abbauwege: "Südkongo sitzt auf schätzungsweise 3,4 Millionen Tonnen Kobalt, fast die Hälfte des weltweiten Vorrats. In den letzten Jahrzehnten sind Hunderttausende Kongolesen in die vormals abgelegene Gegend gezogen. Kolwezi hat jetzt mehr als eine halbe Million Einwohner. Viele Kongolesen arbeiten in den Industrieminen der Region. Andere sind zu Kobaltgräbern geworden. Einige arbeiten offiziell in den lizensierten Minen, andere schleichen sich nachts hinein oder graben ihre eigenen Löcher und Tunnel und riskieren Erdrutsche, Einstürze und andere Gefahren bei der Jagd nach dem vergrabenen Schatz … Schätzungen nach arbeiten allein in Kolwezi tausende Kinder in den Minen … Im Juni 2019 wurden mehr als 40 illegale Gräber bei einem Erdrutsch getötet, nachdem sie in eine Mine der Schweizerischen Glencore in Kolwezi eingebrochen waren … In der Nacht nach dem Erdrutsch haben sich die Leute wieder eingeschlichen und weiter gegraben."

Außerdem: Kelefa Sanneh fragt, wie Bürgerrechte mithilfe der Justiz plötzlich die Politik bestimmen konnten. Andrew Marantz überlegt, was nach der "neoliberalen" Ära kommt und sieht nur zwei Optionen: Die "faschistische" Rechte oder die "progressive" Linke. Dan Chiasson stellt die Bolinas Poeten aus Kalifornien vor.
Archiv: New Yorker