Mord und Ratschlag

Happy Horror

Die Krimikolumne. Von Thekla Dannenberg
04.04.2017. Denis Johnson versammelt in Freetown eine Schar Glücksritter und jagt sie durch halb Afrika zu den "Lachenden Ungeheuern". Janis Otsiemi erzählt in "Libreville" von Korruption, Machtmissbrauch und dem Mord an einem Journalisten.
Denis Johnson, Ex-Junkie und kultisch verehrter Autor, besitzt das große Talent, aus einer Situation das Schlimmste herauszuholen. Literarisch, aber auch im wahren Leben: Als er für Harper's in Liberia während des Bürgerkriegs unterwegs war, wurde die Recherche zum reinsten Höllenritt: Kläglich misslang sein Versuch, einen Polizisten zu bestechen; immer wieder bekam er rassistische Tobsuchtsanfälle und schließlich erlebte er, wie alle Liberianer, die ihm geholfen hatten, verhaftet wurden. Johnson erzählt in seinen Afrika-Reportagen davon mit einer unbeschwerten Freimütigkeit, die einen ziemlich konsterniert zurück lässt. Denn zugleich berichtet Johnson auch mit größtem Entsetzen von dem Video, auf dem Milizionäre den gestürzten Diktator Samuel K. Doe zu Tode foltern.

In seiner Thriller-Farce "Die lachenden Ungeheuer" herrscht eine ähnliche Stimmung des Happy Horrors. Wieder ist Afrika Schauplatz des Geschehens, doch die monströsen Gestalten, die hier ihr Unwesen treiben, kommen aus der ganzen Welt. Johnson bietet eine wahre Internationale der Nihilisten auf, die aus dem Chaos und der Verzweiflung des Kontinents Kapital zu schlagen versucht: Riesige Diamanten, Entwicklungshilfegelder, Regierungsaufträge und Öl-Lizenzen warten nur darauf, geraubt und in klingende Münze umgewandelt zu werden.

Einer dieser Freibeuter ist Roland Nair. Der Hauptmann des Jydske Dragonerregiments im Königlich Dänischen Heer ist vom Geheimdienst der Nato nach Freetown in Sierra Leone abgestellt, wo er seinen ganzen Eifer auf einen privaten Pensionsplan richtet: Er will geheime Logistikpläne des amerikanischen Militärs meistbietend versteigern.

Ausgerechnet dieser Nair wird nun von der Zentrale auf seinen alten Kumpan Michael Adriko angesetzt, der eine ebenso unzuverlässige Gestalt ist wie der Nato-Agent, aber viel schillernder: Er sieht lächerlich aus, er lügt immer und ist absolut todbringend. Der Legende nach ist er im Grenzgebiet von Kongo und Uganda geboren, Angehöriger des Clans von Idi Amin und als Strichjunge auf den Straßen von Kampala aufgewachsen. Er wurde Offizier in der ugandischen Armee, in Südafrika von israelischen Einheiten trainiert und schließlich als Ausbilder von der US Army in Fort Carson angeheuert. Von dort ist er mit der Tochter des Standortkommandanten durchgebrannt und will nun das große Geld machen. Adriko hat alles von A bis Z durchgeplant, "und Z wird fantastisch sein", wie er beteuert: "Du wirst leben wie ein König. Ein Strand. Fünfzig Männer mit AKs zu deiner Bewachung. Die Leute aus dem Dorf wenden sich in allem an dich. Sie bringen dir ihre Töchter, zwölf Jahre alt - Jungfrauen." Der Mann mit dem Faible für Reinheit will Uran an den Mossad verticken.

Wie im Fieberwahn jagen die beiden Glücksritter über den halben Kontinent, von Sierra Leone nach Uganda und weiter in den Kongo. Mit dabei haben sie Adrikos Verlobte, die schöne Kommandantentochter Davidia St. Claire und auf den Fersen einen ganzen Trupp von Geheimdienstlern, Special Forces und Interpol-Agenten. Sie treffen sich am Flughafen, in der Hotel-Bar, am Swimming-Pool. Johnson erzählt mit atemberaubender Nonchalance von diesen Männern, die keine Gelegenheit auslassen, Beute zu machen, egal ob Frauen, Macht oder Geld. Im Gegenzug nimmt auch Johnson als Autor jede Pointe mit, die sich ihm bietet.

Die Perfidie verteilt er allerdings ziemlich gerecht auf alle Beteiligten: Die Warlords lassen die Macheten klirren, die Hexenmeister rühren in ihren Kesseln, und CIA, MI6 und Interpol sehen amüsiert von der schattigen Terrasse aus zu. Auch die Joseph-Conrad-Zitate fehlen nicht, wenn es um den Kongo geht, dann immer auch um das Herz der Finsternis. Durch die afrikanische Realität rasen die Agenten in ihrem SUV nur mit verdunkelten Scheiben. Und sie halten nicht einmal an, wenn ihnen eine Frau unter die Räder gerät. Umkehren? Niemals! "Nicht in Afrika, diesem harten, harten Land".

Denis Johnson: Die lachenden Ungeheuer. Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt Verlag, Reinbek 2017, 267 Seiten, 22,95 Euro

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Von Freetown nach "Libreville". Im Gegensatz zu Denis Johnsons Agenten-Farce ist Janis Otsiemis dunkler Roman randvoll mit afrikanischer Realität. Hier sind die Menschen "lang wie ein Tag ohne Brot" und sie essen ihr "Wasser mit Gabeln". Schon mit der Morgendämmerung herrscht brütende Hitze in der Stadt am Äquator. Und während sich das Regierungsviertel Le Plateau so imposant über Libreville erheben möchte wie La Défense über Paris, versinken die übrigen Stadtviertel in Armut und Hoffnungslosigkeit. Vom Reichtum des Landes, seinen Bodenschätzen und Rohstoffen, kommt hier nichts ans. Trotzdem ziehen weiterhin die Menschen aus dem ganzen Land hierher, und die aus den Nachbarstaaten obendrein. In manche Viertel hat schon seit Jahren kein Polizist mehr einen Fuß gesetzt. Strom und Wasser wären reiner Luxus.

In diesem brütenden Hexenkessel versucht Pierre Koumba, Capitaine bei der Police Judiciaire, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sein Büro ist eine Bruchbude, die Schreibmaschinen stammen aus den Zeiten de Gaulles, und die Abteilungen sind strikt nach Ethnien aufgeteilt: Ein Chefposten für die Fang, einer für die Punu, einer für die Téké. Capitaine Koumba schlägt sich in der Regel mit der Delikten herum, die der Upperclass zu schaffen macht, etwa wenn dem Herrn Minister das Scheckheft gestohlen wird. Nun aber ermittelt er in einem Fall, der seinen Vorgesetzten nicht behagt: Zwei junge Mädchen haben Selbstmord begangen, nachdem pornografische Fotos von ihnen im Internet aufgetaucht sind. Gleich gar nicht beschäftigen darf er sich mit einer Mordsache, die alle elektrisiert hat: Der Journalist Roger Missang wurde erschossen, er war stellvertretender Chefredakteur des Echo du sud, seine Leiche wurde ganz in der Nähe des Präsidentenpalastes am Strand von Libreville gefunden, verstümmelt wie nach schwerer Folter.

Ein Jahr vor den Wahlen, die eigentlich den Sohn des Präsidenten an die Macht bringen sollen, droht sich ein solch heikler Fall schnell zu einer Staatsaffäre auszuwachsen. Da dürfen natürlich keine Polizisten herumpfuschen. Das ist Sache der Staatssicherheit, jener politischen Polizei, bei der alle führenden Posten mit Verwandten des Präsidenten besetzt sind. Wie in düsteren Polizeiromanen üblich, steigt auch bei Otsiemi das Ausmaß der Verkommenheit mit dem Dienstgrad. In diesem Sinne sind auch Lieutenant Louis Boukinda und sein Kompagnon Hervé Envame eher realistische Figuren als moralische Instanzen. Boukinda ist vollauf damit beschäftigt, sein Privatleben zu organisieren, denn als echter Gabuner will er "einen Acker und einen Garten" haben. Envame dagegen pflegt vor allem seine Vorliebe für Buschfleisch: Affe, Krokodil und Stachelschwein mit Dikanuss-Sauce. Von ihren privaten Lastern abgesehen, lassen sie Verdächtige verprügeln und sich für Gefälligkeiten bezahlen. Aber: Sie lassen sich nicht in ihre Ermittlungen reinreden, nicht von oben und nicht von der Seite.

Janis Otisemi blickt ohne Illusion auf die gabunische Realität, auf die Polizei, den Staatsapparat, die Machtzentralen. Doch bei aller Bitternis bleibt er ein freundlicher Erzähler. Gewissenhaft erklärt er seinen Lesern alles, was sie wissen müssen über das Land, seine Geschichte, seine Politik, seine Menschen. Jedes einzelne Delikt, mit dem es seine beiden Polizei-Teams in diesem Roman zu tun bekommen, wirft ein Schlaglicht auf eine besondere Misere des Landes: Die heikle Lage der Presse, neokoloniale Ausbeutung oder eine nepotistische Elite, die sich über alle Regierungs- und Regimewechsel hinweg oben zu halten versteht. Denn wenn es um politische Geschmeidigkeit geht, ist Gabuns Führungsschicht absolute Weltklasse. Denn sie beherrscht die Regel, wie Otsiemi uns mit seinem Roman zeigt: "Wenn die Trommel den Rhythmus ändert, muss der Tänzer den Fuß wechseln."

Janis Otsiemi: Libreville. Roman. Aus dem Französischen von Caroline Gutberlet. Polar Verlag, Hamburg 2017, 206 Seiten, 14 Euro.