Außer Atem: Das Berlinale Blog

Man kann ja auch mal träumen: Marwa Zeins Doku "Khartoum Offside" (Forum)

Von Anja Seeliger
14.02.2019.


Marwa Zeins "Khartoum Offside" stellt uns eine Gruppe prachtvoller junger Frauen im Sudan vor, die nichts mehr wollen als professionell Fußball spielen. Unterstützung haben sie keine, im Gegenteil: Die Fifa gibt dem Fußballverband im Sudan zwar Geld für die Förderung des Frauenfußballs, aber es kommt nicht an bei ihnen. Wenn sie trainieren, müssen sie den Platz selbst bezahlen. Später hören wir über Radio das Verdikt der religiösen Autorität: Frauen sollen keinen Fußball. Es "gefährdet ihre Gesundheit, macht sie agressiv und verwischt den natürlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen".

Schon klar, die könnten dann auf dumme Gedanken kommen. Sieht man ja an den Frauen, die Zein gefilmt hat. Die lachen über Religion und alte Männer, die ihnen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Sie fahren Autoscooter und Kettenkarussell, rasieren sich die Augenbrauen mit einer Rasierklinge und erzählen sich prustend kühne Witze. Sie tragen Baseballcaps und Schleier, aber egal, wie sie gekleidet sind, sie lieben Fußball und finden die Forderung, in langen Hosen und mit Schleier zu spielen, absolut empörend. Außerdem wollen sie zur Fußballweltmeisterschaft der Frauen! Denn nur bei internationalen Spielen, im Vergleich, erklärt eine von ihnen, lernt man, wie gut man wirklich ist, wo man steht.

Es macht ungeheuren Spaß, der kleinen Gruppe zuzusehen. Ihre Energie, ihr frecher Witz und ihre Begeisterung fürs Spiel ist geradezu elektrisierend. Barcelona hat ein Problem, erklärt eine von ihnen (mit Kopftuch) in einem Café mit Fernseher. "Immer den Ball behalten ist keine Lösung mehr. Seht euch Bayern München an, fünf Tore gegen Arsenal!" Später sieht man sie endlich ein Match austragen, auf einem staubigen Platz zwischen einigen Häusern. Als die Kamera schließlich nach oben fährt, stellt man fest, dass es nur ein Tor gibt.



Es ist ein Wunder, dass sie nicht den Mut verlieren. Sara, die die ganze Truppe organisiert, kommt aus dem Südsudan. Hier leben darf sie nur mit einer jährlich zu erneuernden Aufenthaltserlaubnis, für die sie sich auf HIV und Hepatitis testen lassen muss. Das kostet, und gelegentlich muss sie den Test ohne Begründung wiederholen. Das kostet doppelt. Und die Ungewissheit ist groß. Aber sie geht zu den Spielen und streitet sich mit dem nationalen Fußballverband darum, dass endlich ein sudanesisches Frauennationalteam gebildet wird.

Außerdem würde sie gern eine Bar eröffnen. Ihr Großvater, erzählt sie, hatte ein eigenes Haus, aber vier Ehefrauen und jede Menge Kinder. "Seit ich denken kann, gibt es Streit um das Haus. Darum möchte ich mein eigenes Geld und mein eigenes Haus." Aber Alkohol trinken ist verboten, erinnert sie eine Freundin, das macht vierzig Peitschenhieben. Na und, antwortet Sara. Danach staubst du dich ab und legst dir eine Eispackung auf den Hintern. Schallendes Gelächter.

Man kommt aus dem Film und ist euphorisch und niedergeschlagen zugleich. Dass die Frauen ihr Ziel erreichen, ist unwahrscheinlich. Etwas Solidarität könnte natürlich helfen. Zum Beispiel, wenn die Funktionäre des deutschen Fußballs sich mal offiziell erkundigen könnten, warum die sudanesischen Spielerinnen das für sie vorgesehene Geld der Fifa nicht ausbezahlt bekommen. Und Frauen im Westen, die gern darauf bestehen, dass Kopftuch tragen zur Religionsfreiheit gehört, könnten lautstark dafür demonstrieren, dass der Islam nicht zur Bevormundung und Unterdrückung von Frauen missbraucht werden sollte. Man kann ja auch mal träumen.

Anja Seeliger

Oufsaiyed Elkhortoum - Khartoum Offside. Regie: Marwa Zein. Dokumentarfilm. Sudan / Norwegen / Dänemark 2019, 75 Minuten (alle Vorführtermine)