Magazinrundschau

Vorbereitung auf den neuen Big Man

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
29.04.2008. Literaturen sucht im aktuellen Publikationsrausch zu '68 ein Buch über die Gleichberechtigung. Das TLS porträtiert den Mann, der in England dem Sex eine Sprache gab. In Outlook India sieht der Politologe Kishore Mahbubani die kulturelle Dominanz des Westens versiegen. Die New York Review of Books untersucht die Dominanz der Nationalkonservativen in Putins Russland. Le Monde des livres berichtet von einem Streit unter Historikern über die Rolle des Islam im Mittelalter. Der Economist sieht die Pressefreiheit in Osteuropa in Gefahr. Die New York Times porträtiert den ägyptischen Schriftsteller Alaa Al Aswany.

Literaturen (Deutschland), 01.05.2008

Der Schwerpunkt ist 1968 gewidmet. Rene Aguigah hat sich für die Titelgeschichte durch die einschlägigen 68er-Bücher gelesen, von Götz Aly bis Rainer Langhans, von Wolfgang Kraushaar bis Peter Schneider. Jens Balzer widmet sich der Popkultur und Ronald Düker den Körpermoden.

Jutta Person wählt ein Thema, dem nicht nur die Zeitungsfeuilletons in ihren 68er-Debatten auswichen: "Tatsächlich findet sich im aktuellen Publikationsrausch nicht ein Buch, das 1968 als Keimzelle des weitreichendsten, die Erbschaft von Jahrtausenden irritierenden Ereignisses untersuchen würde: der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Man mag es hier mit einem vom gegenwärtigen 'Backlash' gepeinigten Projekt zu tun haben; aber in Wahrheit werden all die hochfahrenden Weltveränderungstheorien zwischen Maoismus und Antiimperialismus von der realen Umwälzung des Geschlechterverhältnisses in den Schatten gestellt." Alles, was man zu sehen bekommt, sind statt dessen "die Brüste von Uschi Obermaier. Die nackten Kommune I. Der Harem von Rainer Langhans. Die politischen Kämpferinnen fehlen im Repertoire, oder sie werden als bloße Körper wahrgenommen." Person empfiehlt ein Buch aus dem Antiquariat: Ute Kätzels vor fünf Jahren erschienenes "Die 68erinnen" mit 14 Porträts.

Weitere Artikel: Sigrid Löffler unternimmt einen Streifzug durch die Literatur der unbefriedeten Krisenregion Israel und Palästina. Als ausgesprochen brillant in der Beschreibung der Täter-Psychiater-Beziehung lobt Franz Schuh im Kriminal Robert Anscombes Thriller "Hinterhältig". In Sibylle Bergs "Beiseite" geht es um das Wetter und um den Tod. Annette Pehnt liest gerade den Barockroman "Adriatische Rosemund" des Autors Filip von Zesen. Henning Klüver berichtet von der italienischen Buchmesse in Turin. Besprochen werden unter anderem Cormac McCarthys Roman "Kein Land für alte Männer" und Bernhard Schlinks neuer Roman "Das Wochenende".
Archiv: Literaturen

Prospect (UK), 01.05.2008

Das Mai-Heft hat einen Schwerpunkt zum Thema 1968. Die Titelgeschichte zum Schwerpunkt konzentriert sich auf ein ganz außerordentlich umstrittenes Schwergewicht unter jenen 68ern, die von ehemaligen Mitstreitern als Renegaten betrachtet werden: den Publizisten Christopher Hitchens, der mit seinem Atheismus-Buch "Der Herr ist kein Hirte" (Leseprobe) gerade einen Weltbestseller gelandet hat. Alexander Linklater hat Hitchens drei Tage lang auf Schritt und Tritt verfolgt und porträtiert ihn als das Paradox eines klarsichtigen Mannes voller Widersprüche: "Heute glaubt er, dass Nationalstaat essenziell ist für die Demokratie, aber er befürwortet zugleich ein supranationales Europa. Er sagt, dass er nicht mehr an Umverteilung glaubt..., preist aber auch die 'schwedische Formel: dass man an den Kindern den Status und das Einkommen der Kinder nicht erkennen soll... Er hasst 'Law and Order'-Politik, ist aber sehr einverstanden mit dem, was Rudy Giuliani in New York erreicht hat."

Ein großes Dossier versammelt Stimmen von Publizisten und Intellektuellen zu 1968, von Anthony Giddens bis Slavoj Zizek, von Timothy Garton Ash bis Tzvetan Todorov.

Weitere Artikel: Robert Kagan und Robert Cooper argumentieren Pro und Kontra globaler Sieg der Demokratie. Jonathan Powell erklärt, was er aus dem Nordirland-Konflikt für Konflikte anderer Art gelernt hat. Über neue Forschungen, denen zufolge unsere Gene sehr wohl durch Erfahrung beeinflussbar sind, informiert Philip Hunter. Tom Chatfield schreibt über den Siegeszug des gesprochenen Worts unter einer neuen Generation von Lyrik-Performern. Außerdem: Prospect ruft seine Leser auf zur Wahl der wichtigsten Intellektuellen der Gegenwart. Aus einer Longlist von hundert Namen darf jede/r fünf auswählen. Zwei Deutsche sind auch dabei - der eine ist Papst, der andere Jürgen Habermas.
Archiv: Prospect

Times Literary Supplement (UK), 26.04.2008

Anlässlich einer neuen Werkausgabe singt Jonathan Bate ein Hohelied auf den Renaissance-Dramatiker Thomas Middleton, der "der Sprache Sex gab und dem Sex Sprache gab, und zwar mehr als jeder andere Englisch schreibende Autor": "Wir müssen Middleton als unseren größten Barde anerkennen, für Inzest, Zuhälterei, Travestie, sexuelle Belästigung und Erpressung, Kastration, priesterlichen Missbrauch, eheliche Vergewaltigung, Impotenz, Masochismus, Nekrophilie, Pädophilie, Unzucht, Masturbation und Lesbentum". (Hier kann man einige seiner Werke lesen)

Terry Eagleton stöhnt über Slavoj Zizeks neues Buch "In Defense of Lost Causes": "Es scheint im Himmel und auf Erden nichts zu geben, was nicht Mahlgut für seine intellektuelle Mühle wäre. Eine Abschweifung produziert die nächste, bis dem Autor genauso unklar ist wie dem Leser, was er eigentlich erklären sollte. Und zum Horror eines jeden Rezensenten werden seine Bücher jedes Jahr dicker."

Monde des livres (Frankreich), 25.04.2008

In Frankreich ist unter Historikern ein Streit über die Bewertung der Rolle des Islam im Mittelalter entbrannt. Auslöser ist das Buch "Aristote au Mont Saint-Michel - Les racines greques de L'Europe chretienne" (Seuil) des in Lyon lehrenden Historikers Sylvain Gouguenheim. Seine These: Der Westen verdanke die Entdeckung und Verbreitung des griechischen Denkens der Antike nicht wie gemeinhin anerkannt islamischen Arabern, sondern vielmehr westlichen Christen und deren lateinischen Übersetzungen. Das Buch hat scharfe Reaktionen der Kollegenschaft provoziert. Pierre Assouline fasst das Buch und die - teilweise auch faktenbezogene - Kritik daran in seinem Blog zusammen. In einem Interview vom 24. April verwahrte sich der Autor in einem kurzen Interview gegen die Kritik und den Vorwurf, ein Rechter zu sein, weil Auszüge des Buchs auf einer Website der extremen Rechten aufgetaucht waren. Gouguenheim: "Ich leugne die Existenz der arabischen Traditionslinie keineswegs, aber ich unterstreiche die Existenz einer direkten Linie der Übersetzungen aus dem Griechischen ins Lateinische, deren Zentrum im 12. Jahrhundert der Mont-Saint-Michel war, dank der Übesetzungen von Jacques de Venise. Ich bezweifle auch nicht die Übernahme zahlreicher Elemente der griechischen Kultur durch die Araber."

Stichwörter: Lyon, Mittelalter

Outlook India (Indien), 05.05.2008

Aus und vorbei: Mit der wirtschaftlichen kann der Westen auch seine kulturelle Dominanz vergessen. "Der Osten ist der neue Westen." Diese Lehre zieht Arun Maira aus dem Buch "The New Asian Hemisphere - The Irresistible Shift of Global Power to the East" des in Singapur lehrenden Politologen Kishore Mahbubani. Indien sieht Mahbubani als Brücke zwischen Ost und West. Und China entwickelt für ihn ein gültiges Gegenmodell zu den westlichen Werten. Maira resümiert: "China wird vom Westen missverstanden. Das heißt aber nicht, dass seine Ideen falsch sind. Tatsächlich, so erklärt Mahbubani haben die Chinesen ein tiefes Verständnis der menschlichen Freiheit und menschlicher Grundbedürfnisse. Sie schaffen eine riesige Verbesserung der Lebensbedingungen für eine große Menge von Menschen und tun es in ihrer ganz eigenen Art, die westlichen Liberalen nicht gefallen mag, darum aber nicht falsch ist."

Der Titel von Outlook India lautet "Al Dorado". Vinita Bharadwaj erzählt vom lustigen Treiben des indischen Jetsets in Dubai.
Archiv: Outlook India

New York Review of Books (USA), 15.05.2008

Amy Knight bilanziert zum Ende von Wladimir Putins Präsidentschaft die Lage in Russland, die von Boris Nemzow und Wladimir Milow in dem Buch "Putin: The Results" als denkbar schlecht eingeschätzt wird. (Der Verlag der Novaja Gazeta hat für das Buch keinen Vertrieb gefunden hatte, so dass es nur am zeitungseigenen Kiosk auf dem Puschkinplatz verkauft werden kann.) "Viel wurde über Medwedews relativen Liberalismus gesprochen, aber es wäre für ihn politisch höchst riskant, sich an Reformen zu wagen wie etwa eine Lockerung der staatlichen Kontrolle über die Presse und die Wirtschaft oder eine Zügelung der Sicherheitsdienste. Auch wenn solche Veränderungen Russlands zukünftiger Entwicklung zugute käme, würde Medwedew damit zu vielen mächtigen Leute und Interessen in die Quere kommen. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass er gegenüber dem Westen eine flexiblere Politik betreiben wird. Wie Milow zu mir sagte: 'Medwedew ist ein Repräsentant einer neuen Generation russischer Bürokraten: Sie hören westliche Rockmusik, sprechen Fremdsprachen, tragen Brioni-Anzüge. Aber tief in ihrem Innern sind sie durch und durch russische Nationalkonservative... Sie nehmen die Vorteile der westlichen Zivilisation gern mit, aber nicht ihre Werte.'"

Besprochen werden eine Ausstellung zur ebenso "ironischen wie teuflischen" Frida Kahlo im Philadelphia Museum of Art, ein Buch über die Zukunft des Nahen Osten "Dreams and Shadows" der Washington-Post-Korrespondentin Robin Wright (der Max Rodenbeck einige "unangenehme, aber faszinierende" Einsichten verdankt), der Roman "Unaccustomed Earth" der indischen Autorin Jhumpa Lahiri, Peter Matthiessens Mammutwerk "Shadow Country: A New Rendering of the Watson Legend" sowie Werke von und über den Liberalkatholiken Michel de Certeau.

Abgedruckt wird die Mitschrift eines Interviews, das George Soros dem Wirtschaftssender Bloomberg zur internationalen Finanzkrise gab.

Merkur (Deutschland), 01.05.2008

Der Rechtsphilosoph Uwe Volkmann diskutiert, in welches Verhältnis sich der Rechtsstaat angesichts seiner Bedrohung zum Ausnahmezustand setzen sollte: Soll er ihn verrechtlichen und etwa den Abschuss gekaperter Flugzeuge erlauben? "Der Ausnahmezustand wäre damit, wie es guter deutscher Tradition entspricht, rechtlich domestiziert und damit auch demokratisch steuerbar. Aber dafür ist in Kauf zu nehmen, dass das Denken von der äußersten Bedrohung her, ein Denken in den Kategorien des Feindes und des Opfers, auch im recht immer mehr Raum gewinnt, wie ein Virus, das, wenn es sich einmal breitgemacht hat, eine erstaunliche Resistenz beweist. Oder man schiebt das Problem ganz oder weitgehend aus dem Recht ab, das dann wieder allein in seinen nüchternen und praktischen Funktionen aufgehen kann. Dies ist der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts, das in der Ermächtigung zum Flugzeugabschuss nicht weniger als einen Tabubruch gesehen und die Regelung deshalb wegen Verstoßes gegen die Menschenwürdegarantie aufgehoben hat. Auch das ist nobel gedacht; das Recht bleibt dann rein."

Weiteres: In einem aus Policy übernommenen Artikel erklärt der Politikwissenschaftler Peter Saunders, dass der Kapitalismus geradezu vorbildlich all seine Versprechen eingelöst habe und Labsal für die Seele sei - nur nicht für die Intellektuellen: "Niemand hat das globale kapitalistische System geplant, niemand lenkt es, und niemand versteht es wirklich. Das kränkt vor allem die Intellektuellen, denn der Kapitalismus macht sie überflüssig." Friedrich Pohlmann widmet sich ebenfalls dem Elend der Utopien. Karl Heinz Bohrer kommen gespenstische Szenen aus dem Jahr 1968 in den Sinn. Detlev Schöttker bemerkt eine Renaissance der Biografie.
Archiv: Merkur

Rue89 (Frankreich), 28.04.2008

Hubert Artus porträtiert das italienische Autorenkollektiv Wu Ming, das sich die Abschaffung des geistigen Urheberrechts auf die Fahnen geschrieben hat und für die freie Zugänglichkeit und Verbreitung von Literatur - Copyleft - plädiert. In einem anschließenden Interview erläutern sie ihr Konzept: "Wir haben bewiesen, dass die Dinge (Verkäufe und Copyleft) nicht inkompatibel sind und sich gegenseitig aufgewertet haben. Täglich laden sich Leute unsere Bücher kostenlos auf ihre Computer. Und dann? Dann kaufen sie sie als eine Form aktivistischer Subskription. Von einem streng strategischen Blickwinkel aus funktioniert das." Über Berlusconis neuen Wahlsieg regen sie sich nicht sonderlich auf, schließlich sei kein Sieg endgültig: "Kein Land ist davor gefeit, ein bisschen Italien zu werden."

Besprochen wird außerdem das Buch "Le jour ou mon pere s'est tu" (Seuil) von Virginie Linhart, eine Erinnerung an 68 und ihren Vater Robert L. Linhart, den Gründer der französischen Maoisten.
Archiv: Rue89
Stichwörter: Mons, Rue89, Urheberrecht

Nueva Sociedad (Argentinien), 26.04.2008

"Wie präsentiert sich das heutige Lateinamerika der Welt? Als eine der wenigen friedlichen, demokratischen Regionen des Planeten? Oder als Gebiet voll kaum verhüllter Konflikte - vom Drogenhandel bis zu massiven Bevölkerungswanderungen -, dessen schwache demokratische Institutionen stets kurz vor dem Kollaps stehen?" Dieser Frage geht eine Vielzahl interessanter Beiträge im aktuellen Heft der Nueva Sociedad nach:

Herve do Alto nimmt die Sicht der europäischen Linken auf aktuelle Entwicklungen Lateinamerikas ins Visier: "Der Populismusvorwurf gegen Politiker wie Chavez oder Morales ist offensichtlich beeinflusst durch eigene Erfahrungen seit den 80er Jahren - Le Pen, Jörg Haider, Pim Fortuyn, Silvio Berlusconi etc. Die - legitime - Furcht vor einer Rehabilitierung des Totalitarismus führt jedoch zu einer pauschalen Zurückweisung aller Projekte, die auf gesellschaftliche Veränderung abzielen, zugunsten einer reinen Politik des Machbaren, die dabei ihren eigenen Projekt-Charakter verschleiert. Vielleicht sollte man dem Vorschlag des französischen Publizisten Marc Saint-Upery folgen und ein fünfjähriges Moratorium für die Verwendung des Begriffes 'Populismus' beschließen."
Archiv: Nueva Sociedad

Nepszabadsag (Ungarn), 26.04.2008

All denen, die sich um die Demokratie in Ungarn sorgen, empfiehlt der Kommunikationswissenschaftler Andras Göllner einen Blick auf den Rest der Welt. Dann würde man erkennen, dass die parlamentarische Demokratie auf der ganzen Welt auf dem Rückzug sei und allmählich einer "östlichen Strömung" weiche, die, ausgehend von China und Russland, einen neuen wirtschaftspolitischen Virus trage, "Kapitokratie" genannt. Und der diskrete Charme der Kapitokratie beginne bereits, Mitteleuropa zu betäuben: "Die einzige Möglichkeit, dem Virus auszuweichen, besteht in der grenzüberschreitenden Kooperation, in klaren Worten und Taten. Wir sollten uns nicht durch den falschen Traum täuschen lassen, dass die Demokratie nicht missbraucht werden könnte, dass der acquis communautaire der EU, die festgelegten Rechte und Pflichten der EU-Mitglieder, die Ketzer schon neutralisieren würde. Von wegen! In Ungarn kann man unter dem Banner des acquis communautaire offen und frei juden- und romafeindliche Hetze betreiben, Homosexuelle jagen, Zeitschriften und Fernsehsender betreiben, die die freie Meinungsäußerung verleugnen. Wenn dies möglich ist, ist alles möglich."
Archiv: Nepszabadsag

Economist (UK), 25.04.2008

In alarmierender Weise wird in den ex-kommunistischen Ländern die hart errungene Pressefreiheit wieder eingeschränkt. In der Slowakei etwa protestieren die Zeitungen gegen ein hypertrophes Gegendarstellungsrecht - aber diese Verschärfung ist, wie der Economist berichtet, kein Einzelfall: "Das neue Gesetz in der Slowakei ist das am meisten beachtete in der Region. Aber willkürliche rechtliche Beschränkungen der Pressefreiheit sind auch anderswo zu beobachten. In Bulgarien ist die Beleidigung einer öffentlichen Figur ... ein Verbrechen, das mit einer Geldstrafe geahndet werden kann... In Rumänien hat as Verfassungsgericht im letzten Jahr ein hartes Verleumdungsrecht wieder in Kraft gesetzt, das 'Beleidigung' kriminalisiert, wobei die Auswirkungen auf die Pressefreiheit beinahe zu vernachlässigen sind angesichts der Tatsache, dass die meisten Mainstream-Medien im Besitz von drei politisch aktiven Tycoons sind... Und problematische Gesetze sind nur ein Teil des Problems. Der Jahresbericht von Freedom Hous, einer New Yorker Lobby-Gruppe, verzeichnet für die ex-kommunistischen Länder den größten relativen Verlust der Pressefreiheit weltweit, vor allem aufgrund der Politisierung des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens."

Besprochen werden unter anderem ein Buch von Hugh Miles über das Leben der Frauen in Kairo, aus dem der Rezensent lernt: "Junge Frauen in Kairo sind so sexbesessen wie die in New York, nur dass jede ihrer Handlungen von tyrannischen, überprotektiven Brüdern und aufdringlichen Portiers überwacht wird" - und David Rothkopfs Untersuchung über die "Superklasse", die globale Machtelite der Gegenwart.
Archiv: Economist

Espresso (Italien), 25.04.2008

Es gibt auch Hoffnung für die Beziehung zwischen Christen und Muslimen, betont Sandro Magister und berichtet über einige positive Entwicklungen der letzten Zeit: In Bangladesch etwa ist der Dialog zwischen den beiden Religionsgruppen schon Realität. An der Universität von Dhaka hat Kazi Nurul Islam, Leiter der Fakultät für Weltreligionen, am vergangene Woche 35 Muslime und 35 Christen zusammengebracht, um über den Brief der 138 Islamgelehrten zu diskutieren. Magister zitiert Nurul Islam, der hofft, dass das nur der Auftakt für einen neuen Bund ist: "In Bangladesh muss es ein Forum geben, in dem Cristen und Muslime sich weiterhin treffen und schließlich eine gemeinsame Erklärung verabschieden können. Bis zum Ende des Jahres wird es hoffentlich so weit sein. Diese gemeinsame Erklärung wird die Grundlage für das friedliche Zusammenleben von Christen und Muslimen in Bangladesch und vielleicht der ganzen Welt sein."
Archiv: Espresso
Stichwörter: Bangladesch

Point (Frankreich), 24.04.2008

Am 2. Mai wird Claude Levi-Strauss 100 Jahre alt. Pierre-Henri Tavoillot würdigt den Ethnologen und Anthropologen als einen Wissenschaftler, der mit dem Strukturalismus unser Denken revolutioniert habe. "Der erste unbestreitbare Beitrag von Levi-Strauss besteht darin, mit der ethnozentristischen Sichtweise aufgeräumt zu haben, die von der marxistischen Geschichtsphilosophie noch immer verbreitet wurde: Die 'Primitiven' seien eine 'kulturell unterentwickelte' Stufe der Menschheit. Heute, wo die Aufwertung der Identitäten und Unterschiede zu einem Dogma geworden ist, hat man Mühe, die Bedeutung dieser Kritik zu ermessen."

Zusätzlich geben zwei Philosophen und ein Neurobiologe Auskunft darüber, was sie von Levi-Strauss gelernt haben. Der Philosoph und Linguist Tzvetan Todorov meint: "Levi-Strauss verkörpert heute für mich die Möglichkeit, sich über die traditionelle Trennung zwischen Gelehrtem und Künstler hinwegzusetzen. Es gelang ihm zu beweisen, dass das mythische Denken nicht weniger scharf ist als das der Gelehrten."
Archiv: Point
Stichwörter: Levi-Strauss, Claude

New York Times (USA), 28.04.2008

Pankaj Mishra porträtiert im Sunday Magazine Alaa Al Aswany, den ägyptischen Autor des Romans "Der Jakubijan-Bau" (Leseprobe), der in Gestalt des "Big Man" das System Mubarak und die Korruption in Ägypten anprangert. Der Roman war verfilmt worden, und Al Aswany, der übrigens auch noch praktizierender Zahnarzt ist, erklärt Mishhra, warum er der Premiere des Films in Kairo fern blieb: "In der Filmversion gibt es seltsamerweise keinen Big Man. Als ich Alaa Al Aswany im Herbst in London traf, sagte er mir noch, dass er nicht eingeladen worden sei. Später erzählte er mir den Klatsch aus Kairo, wonach die Filmproduktion Gamal Mubarak, dem Sohn des jetzigen Präsidenten, nahe steht, der seinen Vater beerben soll. Er fürchtet, dass die ägyptischen Staatsstellen diesen Film - die teuerste Kinoproduktion in der Geschichte des Landes - stützten, weil sie seine Darstellung der Korruption als nützlich ansahen, um das Publikum auf den neuen Big Man vorzubereiten."

Außerdem im Sunday Magazine: Benoit Denizet-Lewis erkundet den Stellenwert der Schwulen-Ehe bei jüngeren Homosexuellen. Und Roger Lowenstein erzählt, wie die Ratingagentur Moody's, durch allzu optimistische Bewertung von Kreditpapieren die aktuelle Bankenkrise auslöste.

Scharfzüngiger als Leon Wieseltier, der Literaturkritiker der New Repbulic ist so leicht keiner. Sein neuestes Opfer ist Martin Amis, dessen neues Buch "The Second Plane" (Auszug) mit Schriften gegen den Islamismus er in der Buchbeilage nach allen Regeln der Kunst verreißt. "Amis scheint seine kleinen Bannsprüche als militärische Beiträge in einem Kampf anzusehen. Er schreibt, als wäre er mit seinen zerlesenen Ausgaben von Bernard Lewis und Philip Larkin in der Hand die letzte Bastion, die zwischen uns und der Wiedererrichtung des Kalifats steht. Der 11. September empört ihn nicht nur, er erregt ihn auch. 'Wenn der 11. September schon geschehen musste, dann bin ich froh, dass er zu meinen Lebzeiten geschah.' Kapiert? Es ist nicht mehr so schlimm, dass wir den Spanischen Bürgekrieg verpasst haben. No Pasaran!"
Archiv: New York Times