Bücherbrief

Der Newsletter zu den interessantesten Büchern des Monats.
23.06.2006. Hagen und Ouzo, Adolf und Manga, Fuentes und Kuba, Castro und Bossa Nova. Wie das alles zusammenhängt und zueinander drängt, steht im neuen Bücherbrief. 999 ewig schöne Gebrauchsobjekte gibt's noch dazu.
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Noch mehr Anregungen gibt es natürlich weiterhin
- im vergangenen Bücherbrief
- in der ersten Literaturbeilage des Sommers
- in den Büchern der Saison
- in Vorgeblättert
- in der Krimikolumne "Mord und Ratschlag"
- in unserer Auswahl der besten Bücher 2005


Buch des Monats

Frank Schulz
Das Ouzo-Orakel
Roman



Ein fulminanter Abschluss der fulminanten Hagener Trilogie, jubeln die Kritiker. Frank Schulz schickt seinen schwer geschlagenen Held Bodo Morten vom Hamburger Flachland in eine einsame Bucht nach Griechenland. Der burleske Witz und die zahlreichen mythologischen Anspielungen aber sind immer noch da, freut sich die taz. Wie Bodo schließlich einen Weg zwischen Vernunft und Sehnsucht findet, imponiert der FAZ bei dieser Hommage an den Wert des Durchschnittlichen besonders. Nur der SZ verschluckt sich gegen Ende an der alles durchtränkenden ironischen Sentimentalität.


Literatur


Jorge Edwards
Persona non grata



Was lange währt... Stolze 33 Jahre hat es gebraucht, bis Jorge Edwards Bericht über seinen Aufenthalt in Kuba, der schließlich in der Ausweisung mündete, ins Deutsche übersetzt wurde. Die Welt ist überaus dankbar, dass die klaffende Wunde, die die Abwesenheit dieses literarisch brillanten Werks ihr jahrzehntelang zugefügt hat, nun geschlossen wurde. Die FAZ staunt, wie der Maximo lider in den dramaturgisch effektvoll präsentierten Erinnerungen zu einem Dr. Seltsam schrumpft. Grandios fachkundig, aber eine Spur zu gehässig kommt der SZ dagegen Norberto Fuentes' "Autobiografie des Fidel Castro" daher.


Osamu Tezuka
Adolf
Band 1: Mord in Berlin



1.300 Seiten umfasst das Hauptwerk des bedeutenden Manga-Zeichners Osamu Tezuka. Eine Graphic-Novel, die vor dem Hintergrund der Jagd nach pikanten Dokumenten zu Hitlers Herkunft von Freundschaft bis Tod alles abhandelt, was einen großen Roman und die japanische Wertewelt eben ausmacht. Trotz einiger Unstimmigkeiten in dem Riesenplot und fast zu eindeutigen Bösewichtern wird die begeisterte NZZ nach dem zweiten und dritten auch alle weiteren nun nach und nach auf Deutsch erscheinenden Folgebände lesen.


Peter Esterhazy
Deutschlandreise im Strafraum



Peter Esterhazys literarische Dribblings um den berühmten Bruder und Nationalspieler Marton Esterhazy, den Platzwart oder den alternden Fußballer herum haben selbst den sich als Fußballmuffel bezeichnenden Rezensenten Peter Schneider in der Zeit befeuern können. Wer es gewichtiger haben will, dem empfiehlt die NZZ Esterhazys schon 1986 in Ungarn erschienene "Einführung in die schöne Literatur": Ein literarisches Experiment, so die NZZ, aus einer Zeit, als das noch lebensweltliche Funktion hatte.


Samantha Hunt
Nixenkuss
Roman



Eine Neuentdeckung! Samantha Hunts Roman ist beides zugleich, schwärmt die taz: deprimierende Realität in einem abgelegenen Fischerdorf voller Säufer und Märchen. Eine 19-Jährige in einem kleinen Ort irgendwo am Nordatlantik liebt einen verschlossenen Irakkriegsveteranen und denkt sich selbst als Nixe. Warum wird nicht klar. Die Geschichte selbst wird aber wundersamerweise klarer, je mehr sie ins Traumhafte gleitet, beteuert die taz.


Sachbuch

Matthias Matussek
Wir Deutschen
Warum die anderen uns gern haben können



Mit seiner Liebeserklärung an Deutschland und den Gründen, "warum die anderen uns gern haben können", hat Matthias Matussek den richtigen Riecher bewiesen und sonnt sich seit Wochen in der Höhenluft der Bestsellerlisten. Der Zeit gefällt die politische Uncorrectness, die FR findet nichts Neues, und die SZ amüsiert sich über den Autor, den sie als Monstermischung aus Heinrich Heine, Gerhard Schröder und Peter Gauweiler beschreibt. Ebenfalls erfolgreich mit patriotischen Themen sind Florian Langenscheidt mit "Das Beste an Deutschland", Henrik Müller mit "Wirtschaftsfaktor Patriotismus" und, als kritische Stimme, Jürgen Roth mit einer Analyse des "Deutschland-Clans".


Eric Kandel
Auf der Suche nach dem Gedächtnis
Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des menschlichen Denkens



Der Hirnforscher und Nobelpreisträger Eric Kandel scheint einer jener seltenen Exemplare von Gelehrten zu sein, die nicht nur verstehen, sondern auch erklären können. Eine vorzügliche Darstellung der Entwicklung der Neurowissenschaft sieht die NZZ in diesen Erinnerungen, wobei sich Kandel bemühe, eine Brücke zur Psychoanalyse zu schlagen. Auch die taz freut sich darüber, endlich mehr über diese Kerndisziplin der Gegenwart zu erfahren. Und die FAZ schätzt Kandels Zurückhaltung in Werturteilen fast noch mehr als dessen Lieblingsforschungstier, den Seehasen.


Ruy Castro
Bossa Nova



Eineinhalb Jahre hat Ruy Castro in den Neunzigern recherchiert und mit allen noch lebenden Größen des Genres gesprochen. Herausgekommen ist eine Bossa-Nova-Bibel, die sich die SZ vor etwa 15 Jahren im portugiesischen Original allein wegen der schicken Fotos und der umfassenden Diskografie angeschafft hatte. Da sie nun auch den nicht minder interessanten Text auf Deutsch lesen kann, würdigt sie den geliebten Band auch als schillerndes Zeitporträt und großen Jungsroman. Die der deutschen Fassung beigelegte CD macht die SZ rundum glücklich.


Hörbuch

Arthur Schnitzler
Berta Garlan



Was Orson Welles mit seinem "Krieg der Welten" für das Radio, ist Max Ophüls' "Berta Garlan" für das Hörspiel, proklamiert die SZ. Ophüls' Umsetzung von Arthur Schnitzlers Novelle ist kongenial bis in die letzten feinen Schwingungen des Textes. Die legendären Stimmen von Käthe Dorsch, Willy Trenk-Trebitsch, Bernhard Wicki oder dem Erzähler Gerd Westphal machen das Hörerglück perfekt.


Bildband

Phaidon Design Classics
999 Objects Chosen in Consultation With Wide Range of International Design-World Insiders



Ein Klassiker der Klassiker. Sogar Gemüseschäler können schön sein, staunt die FAZ beim Durchblättern dieses rundum prächtigen dreibändigen Buchs mit 999 Design-Klassikern. Geliefert wird es in einer eigens von Konstantin Grcic entworfenen, unpraktischen, aber schönen Halterung. Innen drin wird laut FAZ nicht bloß Altbewährtes aufgelistet, sondern Sinn gestiftet und Zusammenhänge geschaffen. Die streng chronologische Ordnung lässt die Exkurse über chinesische Gartenscheren und britische Sportautos für sie gar zu einem kulturhistorischen Kompendium zusammenschmelzen.