Außer Atem: Das Berlinale Blog

Flucht zu viel: Yannis Economides' 'Stratos' (Wettbewerb)

Von Thekla Dannenberg
12.02.2014. In Yannis Economides' Wettbewerbsfilm "Stratos" ist ein Auftragskiller die am wenigsten moralisch verkommene Person. Er schweigt auch besser als die anderen fluchen.


Trotz aller Düsternis hört in Yannis Economides' griechischem Noir "Stratos" die Sonne nie auf zu scheinen, und hinter den kargen Bergen sieht man immer das strahlend blaue Meer. Dass diese Bilder dennoch nie etwas Idyllisches haben, sondern die ganze Tristesse des heutigen Griechenland einfangen, gehört zu den Stärken dieses ehrgeizigen Thriller, mit dem Economides, wie er im Tagesspiegel erklärte, dem griechischen Kino eine andere Richtung zu geben: "Weniger Arthouse, mehr Pop".

Nachts backt Stratos Karamanis kleine Brötchen in einer Industriebäckerei am Rande der Stadt, was seinen Nachbarn zur Weißglut treibt: "Nachts verdient man sein Geld auf der Straße." Der Mann hat Geschäftssinn, er weiß sogar Kapital aus der eigenen Schwester und ihrer kleinen Tochter zu schlagen. Was er nicht weiß: Tagsüber arbeitet Stratos als Auftragskiller für die Unterwelt. Es gilt so viel Kohle wie möglich zusammenzubringen, um Leonidas aus dem Gefängnis zu befreien, seinen Freund und Beschützer aus den eigenen Jahren im Knast. Die Aktionen werden von Leonidas' Bruder Yorgos geleitet, der unter anderem an einem gigantischen Tunnel arbeitet, durch den das Hochsicherheitsgefängnis gestürmt werden soll.



Das soll nicht heißen, dass der Film von seiner Handlung vorwärts getrieben wird, vielmehr schleppt er sich ausgesprochen lahm dahin. Es gibt einige wirklich aufregende Szenen, aber die meiste Zeit über sehen wir einen hervorragenden Vangelis Mourikis als Stratos in Nahaufnahme schweigen: Mit hagerem Gesicht, eingefallen Wangen und hängenden Tränensäcken. In einigen wenigen Momenten zuckt Mourikis' Augenlid oder spannt sich sein Körper an, dass es einen wie ein Stromstoß durchzuckt. Es wird der Zeitpunkt kommen, das merkt man diesem Mann an, da wird er sich aus seiner Trägheit aufraffen und in diesem moralischen Saustall aufräumen. Doch auf die anderen Rollen hat Economides deutlich weniger Sorgfalt gelegt. Der schmierige Yorgos, der anstrengende Nachbar oder der üble Bäckereibesitzer, der seine Arbeiterin aus nichtigem Anlass rauswirft, obwohl sie doch ein krankes Kind zu versorgen habe, sie alle schrammen haarscharf an der Grenze des Chargierens entlang. Auch die allgemeine Verkommenheit des Landes ist eher grob umgerissen als scharf gezeichnet.

Was den Film sehr anstrengend macht, sind die grauenvolle Dialoge. Nicht nur dass sich die Typen um Stratos herum in wüsten Kanonaden ihren verbalen Unflat an den Kopf werfen, zehrt an den Nerven, sondern dass sie sich dabei endlos wiederholen - ohne jeden Wortwitz und ohne Gespür für das straffe, sehnige Erzählen, das den Noir ausmacht. Dabei muss man der Untertitelung sehr dankbar sein, dass sie das ewige griechische "Malaka" sehr variantenreich ins Deutsche zu übertragen wusste. Eine große Wohltat, vielleicht sogar das Beste an dem Film, ist die Musik, die immer wieder den Wortmüllschwall unterbricht und einen sehr eigenen, dunklen Klang für die griechische Misere findet.

Thekla Dannenberg

"To mikro psari - Stratos". Regie: Yannis Economides. Darsteller: Vangelis Mourikis, Vicky Papadopoulou, Petros Zervos. Griechenland / Deutschland / Zypern 2014, 137 Minuten (Wettbewerb, alle Vorführtermine)