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Spielräume in der Wüste: Avi Mograbis 'Between Fences' (Forum)

Von Thekla Dannenberg
14.02.2016. Avi Mograbi und Chen Alon dokumentieren einen Workshop für Flüchtlinge im israelischen Internierungslager Holot.


Avi Mograbi und Chen Alon sind gestandene Regisseure und unerschütterliche Polit-Aktivisten. Der Filmemacher Mogravi hat mit der verrückten Doku "How I Learned to Overcome my Fear and Love Arik Sharon" den politischen Irrsinn in Israel gebannt, Alon führt das Legislative Theatre, das mit den Mitteln der Kunst Selbsterfahrung in politisches Handeln ummünzen will. Mit dem Film "Between Fences" dokumentieren sie einen Workshop, den sie gemeinsam im Internierungslager Holot gegeben haben. Es ist klassisches Theater der Unterdrückten.

Das Internierungslager Holot wurde 2007 inmitten der Negev-Wüste nahe der ägyptischen Grenze errichtet, seitdem sind dort - oft für mehrere Jahre - rund 2.700 abgelehnte Asylbewerber untergebracht, die Israel offiziell als Eindringlinge bezeichnet, die es aber nicht zurück in ihre Heimatländer abschieben kann. Die Flüchtlinge stammen aus Eritrea, Äthiopien und dem Sudan. Viele von ihnen haben bereits zuvor etliche Jahre in Israel gelebt, alle sprechen Hebräisch. Im strikten Sinne sind die Männer keine Gefangenen. Sie müssen jedoch dreimal am Tag zum Appell antreten, wer dem nicht folgt, kommt ins benachbarte Gefängnis Saharonim. Permanente Strafandrohungen gehen einher mit Anreizen zu einer freiwilligen Ausreise, angeblich gibt es 3.000 Schekel für jeden, der sich auf einen Flug nach Uganda oder Ruanda begibt.

Der Workshop beginnt im Mai 2014 in einer leeren Halle, der ausgedienten Offiziersmesse. In unterschiedlichen Gruppierungen sollen sie typische Situationen nachstellen: Ein Mann soll gegenüber einem israelischen Beamten einen freien Tag aushandeln, um nach Tel Aviv fahren zu können. In einer anderen Szene stellen sich alle auf einen Stuhl und erklären: "Das ist meine Macht. Versucht nur, sie mir wegzunehmen." Einen Monat nach Beginn des Workshops treten die Internierten in einen Streik. 700 von ihnen machen sich zur ägyptischen Grenze auf, werden jedoch von Militär und Polizei wieder zurück geholt - und für drei Monate in Saharonim eingesperrt.

In anderen Momenten erzählen die Männer - erst später kommen israelische Frauen dazu - die Geschichten ihrer Flucht über Äthiopien und Ägypten, wie sie in Eritrea dem Arbeitsdienst entkommen wollten, aber sie erzählen auch, wie bereitwillig die Behörden den unzufriedenen jungen Männern Pässe aushändigen oder mit der Drohung "Du bist hier nicht mehr sicher" nachhelfen. Man staunt, wie tadellos manche der Beteiligten einen Feldwebel mimen können, während andere völlig unfähig scheinen, Befehle zu geben oder ausführen. Manche bekennen, wie entlastend sie das Leben in diesem Camp empfinden, wo sie wenigsten keinen Anfeindungen ausgesetzt sind.

Nie gerät der Workshop zu unbedarfter Pädagogik. Dafür sind Mograbi und Allon viel zu erfahrene Regisseure. Bei aller Kameradschaftlichkeit bleiben sie in der Arbeit ungeheuer ernsthaft und konzentriert. Geradezu lehrbuchmäßig führt dieser Workshop vor, wie das Theater Empathie, Fantasie und Ausdruckskraft stärkt, wie es, selbst wenn die Bühne inmitten der Wüste steht, Spielräume eröffnet für das eigene Handeln. Und er lässt geradezu archetypisch die Figur des Flüchtlings vor Augen treten: Nachdem Israels Oberstes Gericht die unbegrenzte Internierung der Flüchtlinge für illegal erklärt hat, sagt Mograbi zu einem der Männer: "Hoffentlich wirst Du bald ein freier Mann sein." Das Problem, erwidert der, sei nicht das Freisein: "Das Problem ist: Wo soll ich frei sein?"

Bein gderot - Between Fences. Regie: Avi Mograbi. Israel/Frankreich 2016, 85 Minuten. (Vorführtermine)