Alexander Kosenina

Der gelehrte Narr

Gelehrtensatire seit der Aufklärung
Cover: Der gelehrte Narr
Wallstein Verlag, Göttingen 2003
ISBN 9783892445319
Gebunden, 788 Seiten, 49,00 EUR

Klappentext

"Wenn Wissenschaft Wissenschaft wird, ist nichts mehr dran". Wie berechtigt Goethes Provokation ist, zeigt dieses Buch. Es porträtiert den Gelehrten als Antihelden. Diese in Deutschland vergessene Figur ist in Literatur und Kunst zwar seit langem ein Gegenstand von Hohn und Spott, blieb bisher aber ohne eigene Geschichte. Hier wird diese Geschichte in thematischen Längsschnitten aus einer Fülle unterschiedlichster Quellen erzählt: Die deutschsprachige Literatur der letzten drei Jahrhunderte bildet den Kern, um den sich zum Vergleich exemplarische Texte aus der europäischen Tradition gruppieren. Der gelehrte Narr gewinnt aus drei Perspektiven an Profil: geordnet nach seinem Erscheinungsbild, nach seinen Interessen und Arbeitsweisen, schließlich nach seinen Ritualen und Heimstätten...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.2003

Positiv bespricht Andreas Rosenfelder die fast 500 Seiten starke und materialreiche Studie von Alexander Kosenina über Gelehrtenkritik und -satire, die besonders in der Aufklärung ihre Blütezeit erlebte, wohl auch, weil die Gelehrsamkeit damals ungewohnte Ausmaße angenommen hatte. Typisches Erkennungszeichen des gelehrten Mannes: Weltfremdheit und mangelnde Alltagstauglichkeit, eine komische Figur, die sich bis heute gehalten hat. Kosenina geht jedoch weit über die Witzebene hinaus, lobt Rosenfelder, ihm sei es gelungen, trotz größter Belesenheit den bleiernen Ballast der Gelehrsamkeit abzuwerfen und "in ein literaturwissenschaftliches Kuriositätenkabinett zu überführen", das zugleich die Geschichte der Wissensgesellschaft erzählt. Ein Grund für die Leichtigkeit ist wohl der Verzicht auf große Theorien, deutet der Rezensent an, stattdessen vertraue der Verfasser auf Bilder und Illustrationen, in denen die Figur des Gelehrten - "wie ein lichtscheues Tier in seinem Gehege", schreibt Rosenfelder - studiert werden könne. Nur in einem mag Rosenfelder dem Autor nicht zustimmen: dem seines Erachtens leicht idealisierten Gegensatz von angelsächsischer und deutscher Wissenskultur.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.08.2003

Ein gleichermaßen "unterhaltsames wie peinliches Vergnügen" hat Rezensent Willibald Sauerländer die Lektüre von Alexander Koseninas Geschichte der Gelehrtensatire bereitet. Schließlich erkenne man in den Histörchen und Anekdoten über die närrischen Marotten der Gelehrten nicht nur die Wunderlichkeiten seiner Kollegen, sondern blicke in den Spiegel der eigenen "deformation professionelle". Wie Sauerländer berichtet, hat Kosenina seine Beobachtungen über die Narrheit der Gelehrten in 16 Kapiteln aus literarischen Satiren von Lucian bis zum heutigen Campusroman zusammengetragen, wobei er sich auf der deutschen Gelehrtensatire seit Gottsched und Lessing konzentriert. Reizvoll findet Sauerländer das Zwitterhafte des Buches: während der Germanist das Buch als "literaturhistorische Gattungsgeschichte" lesen und sich an Topoi über die verrückten Gelehrten von Sebastian Brants "Narrenschiff" bis zu Jörg Uwe Sauers "Uniklinik" erfreuen könne, werde ein "sozialkundlich interessierter Durchschnittsleser" das Buch für eine "wirklichkeitsgesättigte Darstellung des Gelehrtenstandes nehmen und dabei auf seine Kosten kommen". Zwar findet er Koseninas Buch manchmal "zu arglos" für sein Thema und den historischen Kontext der Satiren zu wenig bedacht. Dennoch hat sich Sauerländer bei der Lektüre von bestens Ko'eninas Buch - "der Unterhaltungswert seines Florilegiums ist beträchtlich" - köstlich amüsiert.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.04.2003

Im Gegensatz zum englischen und französischen Sprachraum ist die Gelehrtensatire als Studienobjekt in Deutschland bisher eher gemieden worden, meint die Rezensentin Ursula Pia Jauch. Daher sei es nicht nur erfreulich, dass Alexander Kosenina dieses Vakuum nun entweihe, sondern auch, dass es ihm gelungen sei, dabei "ebenso hinreißend wie instruktiv" zu schreiben - was im deutschen Sprachraum schon ein Paradoxon für sich sei - dabei aber nicht in eine "Meta-Satire" zu verfallen. Kosenina liefert keine "genealogische oder finalistische Literatur- oder Motivgeschichte des Gelehrten", lobt die Rezensentin, sondern "kontinuierliche, möglichst exemplarische Längsschnitte durch ein kulturarchäologisch relevantes Arsenal von Texten". Dabei schäle sich der Gelehrte nicht nur als einfacher "Biblioman" heraus, sondern offenbare noch ganz andere schillernde Facetten: "Weltfremdheit, Hypochondrie, Neigung zu skurrilen Forschungsthemen, Fußnotenwahn, Hang zum Kongresstourismus, Ehrsucht und Bücherekel". Eine hervorragende "Arznei", lobt die Rezensentin und legt jedoch denen, die "weiterhin mit gelehrten Ritualen hautnahen Umgang pflegen" wollen, ans Herz, Koseninas Studie "in eher kleineren Portionen einzunehmen".