Ali Smith

Herbst

Roman
Cover: Herbst
Luchterhand Literaturverlag, München 2019
ISBN 9783630875781
Gebunden, 272 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Silvia Morawetz. Im Herbst 2016 ist Daniel ein Jahrhundert alt. Elisabeth, Anfang 30, kennt ihn von früher, der Nachbar hat sie als Kind mit der Kunst bekannt gemacht. Jetzt besucht sie ihn im Altersheim, liest ihm Bücher vor und fragt sich, was die Zukunft bringen mag. Denn England hat einen historischen Sommer hinter sich, die Nation ist gespalten, Angst macht sich breit. Der erste Roman aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett erzählt von einer Welt, die immer abgeschotteter und exklusiver wird, über das Wesen von Reichtum und Wert, über die Bedeutung der Ernte. Und er erzählt vom Altern, von der Zeit und von der Liebe. Von uns.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.01.2020

Julia Schröder liest diesen Band aus Ali Smith' Jahreszeiten-Zyklus mit Freude. Wie die Autorin ihre Geschichte um die platonische Beziehung zwischen einem Mädchen und einem viel älteren Nachbarn, die sich über ein ganzes Leben erhält, mit Zeitsprüngen, Wortspielen (von Silvia Morawetz laut Schröder weitgehend gut getroffen), Intertextualität und gesellschaftlicher Gegenwart und Politik ausstattet, findet Schröder gekonnt und überzeugend und alles andere als anstrengend. Smith' "Doppelporträt" zweier Zeitgenossen reicht nicht nur tief in die europäische Vergangenheit zurück, erläutert die Rezensentin, es ist auch verblüffend nah an der Zeit, Brexit inbegriffen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.01.2020

Rezensent Hubert Winkels greift aus, um die Großartigkeit der schottischen Autorin Ali Smith deutlich zu machen, die bisher nicht so richtig bei deutschen Lesern angekommen ist. Winkels weiß, dass Meta-Literatur oft eher kühle Bewunderung als echte Liebe hervorruft, aber bei Smith spürt er ganz andere Wärmeströme. Das liege daran, meint Winkel, dass ihre hybriden Textverfahren durchaus dem Inhalt entsprechen. In "Herbst" erzählt sie von einem Hundertjährigen, der mit dem Besuch seiner jungen Vertrauten, einer Kunsthistorikerin, zu neuem Leben erwacht. Wo ist da zum Beispiel Anfang und wo Ende? Warum der Roman als Brexit-Roman gehandelt wird, ist Winkels schleierhaft. Er sieht ganz andere Referenzen, etwa an Ovids Metamorphosen, Shakespeares "Sturm", an Virginia Woolf und Charles Dickens. Nur eines gelinge der ambitionierten Smith nicht, bemerkt Winkels, ohne es der Autorin zu verübeln: Bilder in Literatur zu verwandeln.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.11.2019

Elena Witzeck hält für große Schreibkunst, was Ali Smith in ihrem Roman macht. Dass der bereits 2016 entstandene Text erst jetzt bei uns erscheint, findet sie gut, kann sie das unter anderem im Buch verhandelte Brexit-Chaos doch mit einem gewissen ordnenden Abstand betrachten. Dass die Autorin aber keineswegs nur einen Brexit-Roman geschrieben hat, da ist sich Witzeck sicher. Smiths bildstarke, rhythmische sprachliche Kraft, ihr Spiel mit Zeitebenen, mit dem inneren Erleben der Figuren und die laut Witzeck dystopisch überzeichnete Wirklichkeit der Ausgrenzung und Abschottung machen aus dem Buch für sie viel mehr als das.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 11.11.2019

Johannes Kaiser hält Ali Smiths neuen Roman für ein "Juwel britischer Literatur". Berührend und poetisch findet er, wie die Autorin das Sterben eines Mannes aus Sicht seiner viel jüngeren Lebensfreundin schildert. Dass Smith Aktuelles, wie die Brexit-Debatte oder das Erstarken rassistischer Tendenzen in Großbritannien auf bissige Weise mit in den Text einbindet, gefällt Kaiser gut. Wortspiele, farbige Bilder, Shakespeare-Bezüge und eine gelungene Übersetzung runden den insgesamt positiven Eindruck ab, den Kaiser von diesem Roman bekommt.