Andreas Beyer

Künstler, Leib und Eigensinn

Die vergessene Signatur des Lebens in der Kunst
Cover: Künstler, Leib und Eigensinn
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783803137197
Gebunden, 320 Seiten, 36,00 EUR

Klappentext

Mit 80 farbigen Abbildungen. Der Florentiner Manierist Jacopo Pontormo führte akribisch Buch über seine Mahlzeiten und seine Verdauung, Michelangelo zeichnete neben Meisterwerken auch Einkaufszettel für den Marktgang. Und während Dürer sich für seinen Fuß den perfekten Schuh designte, trieb Francesco Borromini seine Werkkritik bis zur Selbstauslöschung seines Körpers. In die spätestens seit der Renaissance geführten Debatten, was den persönlichen Stil eines Künstlers ausmacht, worin seine Unverwechselbarkeit besteht, finden diese Aspekte keinen Eingang. Trotz all ihrer Anschauungswelten ist die Kunstgeschichte weitgehend Geistesgeschichte geblieben. Dabei beließ man die Signatur des bedürftigen, kreatürlichen Leibes stets im Dunkeln - und erzählte so nur die halbe Geschichte. Auf seiner Spurensuche nach der vergessenen Körperlichkeit der Kunst widmet sich Andreas Beyer umfassend dem Kampf der Künstler um, mit und auch gegen den Leib und dessen fundamentalen Einfluss auf das Werk.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.02.2023

Dass der Kunsthistoriker Andreas Beyer ernst nimmt, was für andere bestenfalls in die Rubrik "Vermischtes" gehört, findet Rezensent Niklas Maak "hinreißend". Gerade weil die Geschichtswissenschaft seit Aby Warburg sich auf den soziokulturellen Hintergrund der Kunstproduktion fokussiert, begeistert Maak, wie Beyer Trinkgelage, Liebesleben, Verdauung und Diäten in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen über die Kunst stellt, weshalb der dessen These gerne folgt, die Wahrnehmung der eigenen Körperlichkeit habe nicht nur die Renaissance maßgeblich beeinflusst. Für Maak rollt das Buch "die Geschichte der Kunst ganz neu auf", weil es die Selbstinszenierung moderner Künstler in ein ganz anderes Licht stelle. Ein "grundlegendes Werk" habe Beyer verfasst, ist der Rezensent überzeugt, und die Lektüre das reine Vergnügen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 03.01.2023

Rezensent Ingo Arend bewundert den Kunstwissenschaftler Andreas Beyer für seine angenehm undogmatische Darstellung des Leibes als Basis künstlerischer Individualität. Dass der Autor sich vor allem auf Renaissance-Künstler bezieht, findet Arend stellenweise bedauerlich, gerade weil die digitale Ära den Körper in der Kunst auszulöschen droht. Insgesamt aber bietet der Autor laut Arend faszinierende Lektüre zum Thema Kunst als "gleichsam körperliche Hervorbringung".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.12.2022

Rezensent Philipp Meier liest bei Andreas Beyer eine Klage darüber, dass Kunst viel zu verkopft rezipiert werde - und Beispiele, die den Fokus vielmehr auf die sinnliche Wahrnehmung legten. "Erhellende Querbezüge" entdeckt der Rezensent, wenn Beyer beispielsweise von Albrecht Dürers Aktbildnis schreibe, dass die "kreative Potenz" sowohl geistig als auch geschlechtlich verankert sei, wie auch ein mit Sperma kreiertes Gemälde von Marcel Duchamp zeige. Meier freut sich, dass auch Künstlerinnen und ihre körperbetonten Performances, wie bei Marina Abramovic, Eingang gefunden haben und empfiehlt diese spannenden Erkundungen der Körperlichkeit (in) der Kunst.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.12.2022

Rezensent Karlheinz Lüdeking kann sich vorstellen, dass Andreas Beyers mit seiner Kunstgeschichte als Geschichte der Leiblichkeit des Künstlers bei social-media-affinen Lesern auf Zuspruch stößt. Die sind es schließlich gewohnt, Konsumprodukte und Person zu verbinden, meint er. Lüdeking selbst kann Beyers Ausführungen über Künstler mit Darmbeschwerden (Pontormos) oder Albträumen (Dürer) nicht allzu viel abgewinnen. Handelt es sich hier nicht einfach um Tratsch? fragt er. Auch Beyers Berufung auf Foucault kann den Rezensenten nicht überzeugen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.11.2022

Sex war Michelangelos Sache nicht, die von Raffael umso mehr. Dies und mehr erfährt Rezensent Peter Richter in diesem, wie er findet, "sehr schönen" Buch des Kunsthistorikers Andreas Beyer. Beyer gelingt das Kunststück, seine fußnotensatte Studie zur alteuropäischen Kunstgeschichte auch einem größeren Publikum schmackhaft zu machen, staunt der Kritiker. Nicht nur, weil die Studie gut lesbar ist, sondern weil die hier porträtierten Genies der Renaissance den Rezensenten unweigerlich an heutige Influencer denken lassen. Er liest hier etwa vom Durchfall des Jacopo Pontormo, von Dürers "exaltiertem Outfit" oder Donatellos "pinkem Kaupzenmäntelchen". Vor allem aber entnimmt der Kritiker dem klugen Buch, wie eng die "Ästhetik der Existenz" schon in der Renaissance mit dem ästhetischen Werk verknüpft ist.
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