Anja Kampmann

Wie hoch die Wasser steigen

Roman
Cover: Wie hoch die Wasser steigen
Carl Hanser Verlag, München 2018
ISBN 9783446258150
Gebunden, 352 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Wenzel Groszak, Ölbohrarbeiter auf einer Plattform mitten im Meer, verliert in einer stürmischen Nacht seinen einzigen Freund. Nach dessen Tod reist Wenzel nach Ungarn, bringt dessen Sachen zur Familie. Und jetzt? Soll er zurück auf eine Plattform? Vor der westafrikanischen Küste wird er seine Arbeitskleider wegwerfen, wird über Malta und Italien aufbrechen nach Norden, in ein erloschenes Ruhrgebiet, seine frühere Heimat. Und je näher er seiner großen Liebe Milena kommt, desto offener scheint ihm, ob er noch zurückfinden kann. Anja Kampmanns Roman erzählt von der Rückkehr aus der Fremde, vom Versuch, aus einer bodenlosen Arbeitswelt zurückzufinden ins eigene Leben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2018

Die Handlung von Anja Kampmanns für den Leipziger Buchpreis nominierten Roman ist schnell erzählt, erklärt Rezensentin Andrea Diener: Ein polnischer Ölbohrarbeiter streift nach dem Tod seines Kollegen ziellos durch Europa. Klingt nach Roadmovie, ist aber vor allem die "lyrische Annäherung" an einen Roman, fährt die Kritikerin fort, die damit allerdings nur wenig anfangen kann: Auch wenn sie Kampmann durchaus ein Gespür für die "Zwischentöne des Ungefähren" attestiert, hätte sie sich ein bisschen Lautstärke, zumindest aber ein wenig konkrete Analyse in diesem gelegentlich auch "Misstöne" treffenden Roman gewünscht.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.03.2018

Rezensentin Katharina Granzin fragt sich nach der Lektüre von "Wie hoch die Wasser steigen", ob sie eigentlich die ganze Zeit nur auf eine "literarische Fototapete" gestarrt hat, also ob da wirklich nur Tapete ist, oder ob es etwas dahinter Verborgenes gibt, etwas, das sie nur (noch) nicht erkennen konnte. Die eindrucksvollen sprachlichen Bilder Kampmanns wirken durchaus - der Leser 'sieht' Waclaw, er 'sieht' die Bohrinsel, auf der dieser gearbeitet hat, bevor sein Freund verschwand und er 'sieht' die Orte, durch die dieser Waclaw anschließend in einer endlosen, zeitlosen Reise gleitet, doch sie wollen mehr sein als das, sie suggerieren Tiefe, eine versteckte 'eigentliche' Bedeutung, die sich jedoch bis zum Ende nicht entbirgt, sodass die Figuren und Orte bis zuletzt unnahbar bleiben, lesen wir. Eine "Flut von Bildern" tut sich hier auf - schön anzusehen, aber unzugänglich. Jeder Satz ein Tropfen in dieser Flut, versucht jedoch gleichzeitig mit aller Kraft auch für sich allein zu stehen - das wirkt mitunter etwas artifiziell. Ein Roman, der nicht erzählen will - Granzin ist sich nicht sicher, wie sie das finden soll. Eines ist allerdings sicher: Mit den Vogel-Metaphern ist es langsam mal genug.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.03.2018

Anja Kampmann kommt eigentlich aus der Lyrik, weiß Rezensentin Judith von Sternburg, und das, meint sie, merkt man ihrem Romandebüt auch an. Kampmanns Sprache scheint ihr "poetisch" und doch klar, so wie ein kalter Morgennebel klar sein kann - keine Schnörkel, keine grellen Farben, viel reines Grau. In ihrem Roman erzähle sie die Geschichte eines Mannes, der auf einer Ölplattform im Atlantik einen Freund verliert und dann eine Reise beginnt, ohne Ziel, ohne Heimat, resümiert die Kritikerin. Die Autorin will stets nah an ihrem Helden bleiben, sie schildert aus seiner Sicht und aus seinen Gedanken und trotzdem bleibt er unzugänglich - ein leeres Gefäß für fremde Betrachtungen, eine "Kunstfigur", meint Sternburg. Zu sehr lese man das Kalkül heraus, die Technik, die Samthandschuhe, mit der die junge Autorin ihre ältere Figur behandelt. Trotzdem, so die abwägende Rezensentin, sollte man weiterlesen, denn gegen Ende der Geschichte nehme diese noch einmal deutlich an Geschwindigkeit und Leben auf.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.02.2018

Tobias Lehmkuhl fühlt sich an die Helden und die Weltaneignung durch Sprache in Peter Handkes Romanen erinnert mit Anja Kampmanns Debüt. Bemerkenswert findet er die Geschichte um einen verlassenen Ölbohrinselarbeiter, der die Verbindung zu seinen Gefühlen verliert und dessen Wahrnehmung der äußeren Dinge wächst, nicht so sehr als Text über eine Heimat- und Sinnsuche, sondern wegen ihrer nichtlinearen Erzählweise, die mittels Erinnerungsschüben und Bilder das Tempo drosselt und Plot und Figurenentwicklung eher abbremst. Ein ganz eigener Raum der Sinne entsteht, der dem Rezensenten das Gefühl vermittelt, die Zeit wäre mit den Händen zu greifen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.01.2018

Rezensent Paul Jandl ahnt, dass Anja Kampmann es mit ihrem Roman hinkriegt, die Literatur ganz neu erscheinen zu lassen, ohne dass sie allzu viel dafür unternehmen müsste. Kampmanns Dreh ist es wohl, eine große Stille mit dem Brausen unerlöster Gefühle zu versetzen oder umgekehrt. Jandl jedenfalls folgt der Hauptfigur durch Erinnerungen und Gegenwart, Geschichten und Orte von Bottrop bis Schottland, durch Leerstellen und Kontinente, geführt von einer Sprache, die ihn wie ein ruhiger Fluss gemächlich trägt, durchbrochen durch Bilder und Motive. Staub an den Hosenbeinen erkennt er, was für einen herzergreifenden, unsentimentalen Text über die Weite er da gelesen hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.01.2018

Fasziniert schreibt Helmut Böttiger über diesen Debütroman von Anja Kampmann, in dem sich das Leben eines Wanderarbeiters nicht zu einer großen Erzählung fügt, sondern zu Bildern von höchster Intensität. Kampmann erzählt von einem Mann, der mal Wenzel, mal Waclaw heißt, in einer Zechensiedlung in Bottrop aufgewachsen ist und nun als Arbeiter auf den Bohrinseln dieser Welt arbeitet. Sehr plastisch findet der Rezensent, wie Kampfmann das Sturmtief von den Faröer-Inseln bis zur marokkanischen Küsten wehen lässt, wie sie das polnische Poznań evoziert oder die ungarische Puszta. Dass Waclaw dabei eher eine phantasmagorische Gestalt bleibt, findet Böttiger ganz richtig. Die kristallklare Sprache ist es, die ihn in Bann schlägt.
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