Esther Kinsky

Hain

Geländeroman
Cover: Hain
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518427897
Gebunden, 287 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Drei Reisen unternimmt die Ich-Erzählerin in Esther Kinskys Geländeroman. Alle drei führen sie nach Italien, doch nicht an die bekannten, im Kunstführer verzeichneten Orte, nicht nach Rom, Florenz oder Siena, sondern in abseitige Landstriche und Gegenden - nach Olevano Romano etwa, einer Kleinstadt in den Hügeln nordöstlich der italienischen Hauptstadt gelegen, oder in die Valli di Comacchio, die Lagunenlandschaft im Delta des Po, halb von Vögeln beherrschte Wasserwelt, halb dem Wasser abgetrotztes Ackerland. Zwischen diesen beiden Geländeerkundungen im Gebirge und in der Ebene führt die dritte Reise die Erzählerin zurück in die Kindheit: Wie bruchstückhafte Filmsequenzen tauchen die Erinnerungen an zahlreiche Fahrten durch das Italien der Siebzigerjahre auf, dominiert von der Figur des Vaters.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.06.2018

Andrea Köhler ist betört von Esther Kinskys "Prosa-Requiem". Wer wie die Autorin jeden Satz auf die Goldwaage legt, kann gut von Metamorphosen im Grenzbereich zwischen Leben und Tod berichten, findet sie. Wenn Kinsky das "Terrain der Trauer" in drei ineinander verschränkten Reisen durch Italiens entlegene Provinzen durchstreift, liest Köhler das als Totenklage, aber auch als Ode ans Leben, an die Natur, ans Licht und die Farben. Die Poebene hat sie selten subtiler beschrieben gefunden. Dass dem Ganzen ein bewegender Trost innewohnt, hat laut Rezensentin mit Kinskys poetischer Sprache zu tun, die Köhler als eigensinnig und aufmerksam erlebt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.03.2018

Im besten Sinne still und unaufdringlich findet Rezensentin Judith von Sternburg Esther Kinskys Geländeroman "Hain". Hier berichte eine Ich-Erzählerin, in der Sternburg die Autorin zu erkennen glaubt, von ihrem Aufenthalt im italienischen Olevano und den Ausflügen ins Umland, die sie unternimmt. Unter dem Eindruck der Trauer um ihren kürzlich verstorbenen Vater gerinnen die Beobachtungen der Protagonistin, die auch fotografiert, nach Sternburg zu Aufnahmen langer Momente. Die leisen Farben, in die die Erinnerungen der Erzählerin die Schilderungen tauche, empfindet Sternburg dabei als ebenso kunstvoll wie schön. Ein "Geländeroman" handle also davon, wie ein Mensch in seiner Umgebung existiere, schlussfolgert Sternburg, und bewundert offen die Präzision dieses Buches "über das Dasein und das Da-Sein".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.03.2018

Eine abgespecktere Literatur als Esther Kinskys Roman "Hain" ist kaum vorstellbar - ein Buch wie dieses zu lesen, wahrscheinlich auch es zu schreiben, ist die absolute "ästhetische Askese", so der Rezensent Ijoma Mangold - schwierig, manchmal anstrengend und bestimmt nichts für jeden. Das wäre zu glauben, allerdings lässt der Chor der Lobeshymnen in den Feuilletons anderes vermuten: Esther Kinskys literarisches Programm scheint in all seiner Magerkeit zu überzeugen. Der asketische Charakter dieser Literatur scheint ihr eine besondere zähe Kraft zu verleihen, eine Kraft, die auch die Erzählerin in diesem Roman braucht, denn ihr ist vor kurzem ein geliebter Mensch abhanden gekommen. Diesen Verlust zu verarbeiten, reist sie nach Italien, wo sie während der Wintermonate viel spaziert, ihre Umwelt jedoch stets und auch erzählerisch auf Distanz hält. Mangold nennt den Roman ein "Trauerbuch" und ist besonders von der kalten Schärfe und Genauigkeit angetan. Dazu verwende die Autorin eine beeindruckende Palette von Grautönen, die in ihrer Vielfalt wohl kaum zu übertreffen sei. In diesem ernsten Grau-in-Grau, in der gestochenen Schärfe und literarischen Selbstkasteiung liegt allerdings eine ganz eigene Form von Pathetik - fast schon ein bisschen "prätentiös", so der zwinkernde Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.02.2018

Esther Kinskys Roman sowie die Reise, die darin beschrieben wird, beginnen mit der Erfahrung eines Verlusts, erklärt Rezensent Tilman Spreckelsen, einer Erfahrung die sich im Laufe der Erzählung wiederholt und die die Erzählerin mit ihrem klaren, geduldigen Blick, sowohl nach außen als auch nach innen, zu fassen versucht. Oft wird dabei das Äußere mit dem Inneren überblendet oder andersherum, oft bleiben die Sätze nur dem schwebenden, flexiblen Verständnis zugänglich, dem Verständnis, das Ambivalenzen zulassen kann, ja sogar auf ihnen beruht. Es ist ein "trauriges" Buch, findet Spreckelsen, aber auch "kostbar" und "reich", denn die Art und Weise in der Kinsky bzw. ihre Erzählerin sich zwischen Leben und Erinnerung hin und herbewegt, sich ohne jede Anstrengung durch den Raum zwischen den Lebenden und den Toten treiben lässt, das ist wertvoll, das ist Kunst, so der begeisterte und berührte Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.02.2018

Esther Kinskys Geländeroman bietet Hubert Winkels Trost und allerhand literarisch Staunenswertes. Wie die Autorin in diesem Text über die Trauerreise einer jungen Witwe durch Italiens Herbstlandschaften und das Reich der Toten heraufbeschwört, symbol- und referenzreich, ausdifferenziert im Vokabular und leise bis zum Unsichtbaren, hat Winkels sehr beeindruckt. Immer wieder hält er inne und spürt den Bezügen nach. Meisterlich und herzerhebend, findet er.
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