Anna-Katharina Hahn

Am Schwarzen Berg

Roman
Cover: Am Schwarzen Berg
Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783518422823
Gebunden, 236 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Emil Bub, ein Lehrer kurz vor der Pensionierung, beobachtet von seinem Balkon aus, wie Peter, der Sohn seiner Nachbarn, in sein Elternhaus zurückkehrt. Peter ist krank und verwahrlost, seine Freundin Mia ist mit den gemeinsamen Kindern verschwunden. Der Verlust hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. Seit den siebziger Jahren leben Emil und seine Frau Veronika, eine Bibliothekarin, am Schwarzen Berg . Die kinderlosen Bubs bekommen plötzlich einen Wahlverwandten, als Peter mit seinen Eltern Hajo und Carla ins Nebenhaus einzieht. Hajo Rau verschreibt sich ganz der Arbeit in seiner Arztpraxis, seine Frau unterstützt ihn. So wird besonders Emil zur prägenden Gestalt für den sensiblen Nachbarsjungen. Er zieht Peter tief hinein in seinen Kosmos aus Dichtung und Leistungsverweigerung.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.03.2012

Moritz Baßler wollte diesen Roman eigen doof finden, räumt er freimütig ein, und gibt auch etliche Hinweise auf Gestelztheiten und misslungene Dialoge, doch am Ende mochte er ihn ziemlich gern. "Am Schwarzen Berg" spielt in Stuttgart und erzählt von dem entspannten Bürgersohn Peter, der  lieber die Bäume des Schlossparks rettet, als an seine Karriere zu denken, sowie von seiner verkrampften Frau, die das ganz anders sieht ("Unterschichtskind", erklärt Baßler). Die Frage, die Anna Katharina Hahn hier verhandelt, ist in Baßlers Augen, ob Literatur uns zu kultivierten, aber funktionierenden Bildungsbürger macht und machen soll oder zu "lebensfremden Exzentrikern", die eher Baumhäuser bauen als Bahnhöfe mit Shopping Malls. Damit, findet der Rezensent, sei der bürgerliche Roman doch schon mal einen Schritt weitergekommen, und verzeiht gern, dass die Autorin Grunge nicht richtig schreiben kann.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2012

Ina Hartwig zeigt sich höchst angetan von Anna Katharina Hahns zweitem Roman, der wie ihr gefeiertes Debüt in Stuttgart spielt. Die Autorin entfaltet darin das Drama eines betörenden Kindes, der schon früh Mörike verfällt und als Erwachsener an seiner scheiternden Ehe mit der aufstiegsfixierten Mia zerbricht, erfahren wir. Wie Hahn die verschiedenen sozialen Schichten des Arztsohns und der Tochter von einer Putzfrau und einem abgehauenen türkischen Vater entfaltet, entlockt der Rezensentin viel Begeisterung. Auch Gespür für das bloß Fassadenhafte im gesellschaftlichen Miteinander schreibt sie der Autorin zu sowie eine feine Balance zwischen "Empathie und Sarkasmus". Das allein hätte für Hartwig schon ausgereicht, um sie zu fesseln, aber Hahn baut noch eine zweite, "dunkle" Ebene in ihren Roman ein, indem sie dem Stuttgart von heute einen düster-romantischen Boden einzieht, stellt die Rezensentin voller Begeisterung fest. Mit ihrem fiktiven Mörike-Biografen, die der in Depressionen versinkende Held gern zitiert und die Hinweise auf seine große Liebe Maria bekommen die Hauptfiguren "Wiedergänger" an die Seite gestellt, die eine schwarze Romantik in diesen Roman einziehen lässt und ihn damit in Hartwigs Augen zu einem kleinen Meisterstück machen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.03.2012

Den "Roman einer Verwahrlosung" hat ein zugleich faszinierter wie befremdeter, jedenfalls aber gebannter Patrick Bahners hier gelesen, in dem allenthalben aufgeplatzte Haut, bröckelnder Verputz und bröselnder Lack ins Blickfeld geraten. Detailreich erzählt Bahners die von Hahn in zahlreichen Verästelungen und Rückblenden konturierte Geschichte eines jungen Mannes nach, der seine Familie verliert, weil er ins Protestlager gegen "Stuttgart 21" zieht. Zuweilen stößt dabei auch der Rezensent an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit: Teils "unerträglich präzise" seien Anna Katharina Hahns physiologische Schilderungen und in die Magengrube geschlagen fühlt Bahners sich schon gleich zu Beginn der Lektüre, die im weiteren Lauf immerhin auch auf unterhaltsame "Momente des grotesken Humors" trifft. "Übel" beginne der Roman, resümiert der Rezensent, und "böse" gehe er aus: Bahners selbst fühlt sich nach der letzten Seite wie in eine "fremde Welt" heimgekehrt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.03.2012

Von den eine Spur "zu konsequent als uninteressant markierten" Figuren dieser Geschichte sollte man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, rät Rezensentin Judith von Sternburg, und unterschätzen sollte man sie gleich gar nicht: Denn die Figuren ihrerseits, meint sie, unterschätzen wohl die Geschichte, in der sie sich befinden. Diese erzählt von der Stuttgarter Nachbarschaft der kinderlosen Familie des Gymnasiallehrer und Mörike-Verehrers Emil Bub mit der Arztfamilie Rau, deren depressiven Sohn Peter die Bub-Familie unter liebevolle Fittiche nimmt, wobei im Laufe immer unklarer wird, "wer wem Halt geben" müsse, so die Rezensentin. Ihrer Ansicht nach gelingt der Autorin mit dieser, von den Protesten gegen den Stuttgarter Bahnhofsbau im Sommer 2010 grundierten Geschichte ein auch für "Nicht-Stuttgarter" guter Einblick ins "Stuttgarter Klima". Dessen soziale Veränderungen spiegelt der Roman wie "ein Seismograf" wider, wie die Rezensentin rundum zufrieden feststellt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.03.2012

Großartig gelungen ist der Autorin Anna-Katharina Hahn dieser, von einem sich "kühl stellenden Erzählton" getragene Roman, jubelt Rezensent Martin Zingg, der viele Absätze lang die zeitlich nahe an den "Stuttgart 21"-Protesten situierte Handlung des Buchs um zwei Ehepaare in Stuttgart, von denen sich das eine kinderlose des aus der Bahn geworfenen Sohns des anderen Paars annimmt, nacherzählt. Damit ist es aber eben noch nicht getan, fügt der Rezensent eilig hinzu, denn im Roman erzähle Hahn weit mehr, als eine Handlungswiedergabe kenntlich machen kann: Alle wie beiläufig eingestreuten Details erzählen mit an diesem "Wechselbad der Gefühle", dessen beklemmende Zuspitzung Martin Zingg mit Begeisterung nachvollzogen hat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 08.03.2012

Ulrich Greiner lässt der neue Roman von Anna Katharina Hahn kalt: Die Geschichte um verschiedene Personen aus dem Stuttgarter Mittelstand, die vergeblich um eine innere Haltung ringen, findet er trist und banal wie die Charaktere selbst, wie Greiner mit erkennbarer Lust am Verriss schreibt. Immerhin bilden der Baumhäuser zimmernde Protagonist und die gelangweilten Lehrer und Ärzte treffend das sinnsuchende Mittelstandsmilieu ab, aus dem sich die sogenannten Wutbürger rekrutieren, findet Greiner. Für ihn ist es deshalb auch kein Zufall, dass die Autorin ihren Roman in Stuttgart spielen lässt. "Am Schwarzen Berg" sieht der Rezensent als Teil eines wieder aufkommenden Naturalismus, der nur die gesellschaftliche Realität widerspiegelt, ohne ihr etwas hinzuzufügen. Dabei sieht Greiner bedauernd den eigentlichen Mehrwert von Literatur verloren gehen.
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