Anna Veronika Wendland

Befreiungskrieg

Nationsbildung und Gewalt in der Ukraine
Cover: Befreiungskrieg
Campus Verlag, Frankfurt am Main 2023
ISBN 9783593517483
Kartoniert, 272 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Für viele Deutsche war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine der Anlass, diesen zweitgrößten Flächenstaat Europas erstmals als Akteur in der europäischen Geschichte wahrzunehmen. Doch für die Ukrainer ist dieser Konflikt nur der vorläufige Höhepunkt in einer langen Reihe von Versuchen, ihr Land als selbstständiges Staatswesen auf die Landkarte zu bringen. Anna Veronika Wendland entfaltet in diesem Buch, so kenntnisreich wie thesenstark, das gesamte Panorama der ukrainischen Geschichte von den Anfängen im mittelalterlichen Kyjiw über die frühneuzeitlichen Staatsbildungsversuche bis hin zu den katastrophalen Erfahrungen des 20. und 21. Jahrhunderts. Kriege und Gewalt spielten in der immer wieder unterbrochenen Nationsbildung der Ukraine eine genauso prägende Rolle wie die friedlichen Phasen des Sich-Arrangierens mit den Nachbarn oder sogar des Profitierens von der Oberherrschaft des russländischen Imperiums oder der Sowjetunion. In diesem Wechselspiel entwickelten die Ukrainer ihre spezifischen Verfassungstraditionen und Freiheitsvorstellungen - und wurden so von einem Bauernvolk unter fremden Herren zu einer modernen, pluralistischen Industrienation, die sich heute ihrer Haut in einem Krieg gegen die Atommacht Russland erwehrt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.10.2023

Die Lektüre dieses Buchs über den Befreiungskampf der Ukraine lohnt sich, findet Rezensent Christian Thomas, auch wenn er im Detail einige nicht allzu präzise formulierte Einwände hat. Ziel des Buchs ist eine Analyse des 1200 Jahre umspannenden Verhältnisses zwischen Russland und der Ukraine, führt Thomas aus, und zwar in einer Weise, die letztere nicht bloß als passives Opfer, sondern als Trägerin von Handlungsmacht darstellt. Widerlegt werde dabei unter anderem Henfried Münklers These, die Zeit der Stellungskriege sei vorbei, außerdem beschäftige sich die Autorin mit der historischen Rolle der ukrainischen Landschaft. Die chronologische Darstellung reicht bis ins 10. Jahrhundert zurück, wobei Thomas die derart weit zurückreichende Ursprungserzählung nicht recht glauben will. Danach gibt es über die Jahrhunderte jede Menge Mord und Totschlag, erfahren wir, ein Vertrag mit Russland aus dem Jahr 1654 biete bis heute Anlass für Konflikte, später emanzipiert sich die Ukraine als eine "dramatisch verspätete Nation" (Zitat Thomas). Der Rezensent, der sich immer mehr im Nacherzählen verliert, scheint das Buch jedenfalls mit Gewinn gelesen zu haben.