Anne Weber

Erste Person

Roman
Cover: Erste Person
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
ISBN 9783518413531
Gebunden, 116 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Was ist das Eigene? Das Fremde? Was trennt das Ich vom Du? Vom Rest der Welt? Bei genauerem Hinsehen schwindet jede beruhige Übersichtlichkeit, zumal diese unersättliche erste Person sich über ihre Sinnesorgane fortwährend kleine Happen der Außenwelt einverleibt und alsbald zu Denk- und Lebensmaterial weiterverarbeitet. Mit illusionslosem Ernst und spöttischer Lust ergründet Anne Weber die wundersame Wirkungsweise dieser inneren Recycling-Maschine.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 01.07.2003

Böser Verriss! Stephan Maus hat die Lektüre von Anne Webers "egozentrischen Impromtus" wirklich gar keine Freude bereitet. Das Problem, hinter die Sprachmasken des Ichs zu schauen, sei ein altes. Ihn nervt Webers "Hang zum putzigen Animismus" und ihre "Metaphern aus der Rumpelkammer der französischen Romantik: unterirdische Sonnen, klaffende Abgründe, mentale Krater, Sterne hinter der Stirn". Schwer zu ertragen scheint ihm die "weihevolle Verkitschung des Schreibprozesses", die er auf ihre französische Sozialisation an der Sorbonne zurückführt: Flaubert, Baudelaire, Nerval, Barthes "und kein Ende". Am schlimmsten jedoch findet Maus die Klagen der Autorin über die Mühen des Schreibens: "Man möchte nicht lesender Zeuge der zähen Tarifverhandlungen mit den Musen werden."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.10.2002

Anne Weber unternimmt in der "Ersten Person" einen Trip ins Innere, ins Reich der Träume und Phantasien, der Angstgebilde und Zwangsvorstellungen, des Unbewussten und Vorsprachlichen, der Rezensentin Christiane Schott auf den ersten Blick völlig egoman vorkam. Bei näherer Betrachtung zeigte sich jedoch, dass das "hemmungslose Selbstgespräch" doch "keine eitle Selbstinszenierung" ist, da die "Erste Person" bei Weber "nämlich Du und Wir zugleich ist", wie Schott schreibt. "Ich sind die anderen", schlussfolgert sie daraus. Anders als bei Webers skurriler Bibelexegese "Im Anfang war" ist der Grundton dieses Buches ernster, meint Schott; aber wieder verweigere die Autorin konventionelle Erzählmuster. Seit 1983 lebt die in Offenbach gebürtige Autorin mittlerweile in Frankreich, weiß die Rezensentin und sieht Weber, die ihre Bücher zunächst auf Französisch verfasst und erst im zweiten Durchgang ins Deutsche überträgt, bereits tief in der französischen Literaturtradition verwurzelt. So erinnert sie Webers Schreibstil einerseits an die Sprachspiele Georges Perecs, andererseits "rieselt" der innere Monolog ähnlich wie bei der kürzlich verstorbenen Nathalie Sarraute.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Martin Krumbholz lässt in seiner Rezension vor allem Anne Weber sprechen, deren neuer Roman für ihn einen besonderen Reiz hat. Er zitiert reichlich aus ihrem Text, der ihm manchmal aber zu übertrieben daherkommt. Im Gegensatz zu ihrem letzten Buch hat sich die Autorin in "Erste Person" die Lust am übermütigen Fabulieren "verkniffen" und einen eher als humoristischen Essay zu bezeichnenden Roman vorgelegt, so der Rezensent. Das Spiel mit dem erzählenden Ich, das sich als solches nicht zuerkennen gibt und jegliche Übersicht über die Ganzheit der Welt zu untergraben versucht, ist ein weiterer lustvoller Versuch der Zerstörung eines Mythos, so Krumbholz. Die Methode entspringe einer "spielerischen, anarchischen Lust an der Dekonstruktion", und sei "wieder eine dieser kleinen Nickligkeiten gegen den lieben Gott und seinen Schöpfungsplan und die notwendigen Fortsetzungen des Ganzen!" Haben wir es hier mit einer "modernen Sophistin" zu tun? fragt sich Krumbholz angesichts des charmanten Stils der Autorin. Zumindest ist Weber eine der "wenigen wirklichen Humoristinnen der neueren deutschen Literatur", behauptet er.
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