Antonio Ortuño

Die Verschwundenen

Roman
Cover: Die Verschwundenen
Antje Kunstmann Verlag, München 2019
ISBN 9783956142857
Gebunden, 240 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein. Wie ein skrupelloser Bauunternehmer mit Bestechung, Erpressung und Mord seine Ziele durchzusetzen versucht und in Kauf nimmt, dass die eigene Familie daran zerbricht: In diesem Roman zeichnet Ortuño ein erschütterndes Sittenbild des heutigen Mexiko, in dem Korruption und Gewalt allgegenwärtig sind. Der Bauunternehmer Don Carlos Flores plant in Guadalajara eine luxuriöse Wohnanlage, für die er schon einen Namen hat, Olinka, und auch Investoren. Er muss sich für dieses Projekt, das ihn und seine Familie noch reicher machen soll, nur noch den Grund und Boden aneignen. Und die Leute vertreiben, die dort wohnen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 20.06.2019

Mit "Die Verschwundenen" liest Rezensentin Sigrid Löffler Antonio Ortunos literarische Abrechnung mit seiner Heimatstadt Guadalajara - eigentlich sogar mit ganz Mexiko. Denn diese Stadt steht für den mexikanischen Journalisten und Schriftsteller quasi exemplarisch für alles, was in seinem Land schief läuft: Drogenhandel, Korruption, Wirtschaftskriminalität, Gewalt. Erzählt wird die Geschichte des mafiösen Bauunternehmers Don Carlos Flores und seines groß angelegten Bauprojektes, das zahlreiche Menschen ihr Zuhause, mehrere Bauern ihr Land und zwei Familien sogar das Leben kostet. Diese Familien haben nämlich den Fehler gemacht, sich nicht vertreiben zu lassen und stattdessen gegen den Bau der geplanten Luxusanlage zu wehren. Sie stören, also werden sie beseitigt. Dass Menschen einfach verschwinden, ist in Mexiko keine Seltenheit, weiß Löffler nach der Lektüre von Ortunos wütendem Roman.  35.000 Personen gelten derzeit als vermisst. In "Die Verschwundenen" wird am Modell Guadalajara und der Familie Flores das gesamte kranke System vorgeführt, erklärt die Rezensentin, die allerdings nicht verrät, ob sie die Geschichte auch in literarischer Hinsicht für gelungen hält.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.06.2019

Nein, außergewöhnlich gut unterhalten fühlt sich Insa Wilke nicht von Antonio Ortuños "Die Verschwundenen". Was recht vielversprechend als Gefängnisroman beginnt, der sein Potenzial allerdings nicht so recht auszuschöpfen vermag, entwickelt sich über einen angetäuschten Krimi-Plot schließlich zur Farce über Migrantenschicksale und Wirtschaftskriminalität, fasst die Rezensentin zusammen. Es geht um den armen Trottel Yeyo, der für seinen reichen, mafiösen Schwiegervater fünfzehn Jahre ins Gefängnis geht, wobei sich das Thema von Yeyos sexueller Unbefriedigtheit als "grotesk ausgewalzter unwitziger Witz" durch die Geschichte zieht, wie Wilke feststellt. Insgesamt schwerfällig, arm an Schärfe, Originalität und Leben ist das ganze, und die "manchmal etwas staksige" Übersetzung von Hans-Joachim Hartstein hilft dem Buch auch nicht unbedingt, findet die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.04.2019

Antonio Ortuno übertreibt nicht, wenn er die Macht und die brutalen Methoden der kriminellen Familienclans in Mexico beschreibt, weiß Rezensentin Eva Karnofsky aus einem Gespräch mit dem Autor. Der hat sich in seinem Roman in das Milieu der Immobilienspekulanten und Geldwäscher gewagt, das von einflussreichen Großfamilien wie dem fiktiven Clan der Flores kontrolliert wird. Die Sprache ist entsprechend derb, und Frauen werden vor allem als Objekte dargestellt, was jedoch der Lebensrealität dieser Kreise entspricht, meint die Rezensentin. Zu Beginn des Romans steht der Hauptprotagonist Aurelio Blanco kurz vor seiner Gefängnisentlassung nach einer 15 jährigen Haftstrafe, lesen wir. In dieser Zeit ist aus dem ehemaligen Laufburschen der Flores ein sanfter und gutmütiger Mann geworden ist, doch nach seiner Entlassung wird er schnell wieder der Alte. Diese Wandlung als Leser mitzuverfolgen, findet Karnofsky reizvoll und spannend. Als größte Stärke des Romans empfindet sie jedoch den aufklärerischen Aspekt des Buches, in dem die Leser viel über die Verbindungen von Kriminalität, Politik, Justiz und die oberen Gesellschaftsklassen in Mexiko erfahren.