Antonio Scurati

M. Der Sohn des Jahrhunderts

Roman
Cover: M. Der Sohn des Jahrhunderts
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2020
ISBN 9783608985672
Gebunden, 830 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Verena von Koskull. Ausgezeichnet mit dem Premio Strega. Sechs Jahre braucht Benito Mussolini, um zum einflussreichsten Politiker im krisengeschüttelten Nachkriegsitalien zu werden. Sechs Jahre, um den Faschismus als Staatstheorie zu verankern und ein autoritäres Regime zu implementieren. Ein Roman wie ein Spiegel europäischer Geschichte - und ein Mahnmal gegen die Rückkehr des Faschismus in Europa. Im Jahr 1919 gleicht Italien einem politischen Trümmerfeld. Der Erste Weltkrieg hat die italienische Regierung massiv geschwächt, sozialistische wie rechtsnationale Gruppen erleben einen noch nie dagewesenen Aufstieg und stellen politische Institutionen radikal in Frage, während frustrierte Kriegsheimkehrer durch die Straßen des Landes ziehen. Getrieben von ihrem Unmut lassen sich die ehemaligen Kämpfer bald von einem Mann einen, der sie zu gemeinsamen Aktionen gegen die politische Linke aufruft: Benito Mussolini, Gründer des Il Popolo d'Italia und ehemaliger Chef des linksextremen Flügels der sozialistischen Partei Italiens. Dem Fünfunddreißigjährigen gelingt es, sich in Zeiten politischer Unsicherheit Gehör zu verschaffen und unterschiedlichste Gruppierungen unter einem gemeinsamen Banner zu versammeln. Bis zum berühmten Marsch auf Rom 1922 und darüber hinaus wird Mussolini seine Macht in Italien rasant ausbauen und den Faschismus als Staatsideologie unwiderruflich festschreiben.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.04.2020

Kann es überhaupt gutgehen, das Leben des Duce als Roman zu erzählen? Rezensentin Maike Albath folgt dem italienischen Schriftsteller Antonio Scufati erst einmal recht gebannt, wenn er den Aufstieg Benito Mussolinis vom abgehalfterten Schreiberling zum Führer des italienischen Faschismus nachzeichnet. Aber nicht nur dass sich der Autor in einer Vielzahl von Handlungssträngen verzettelt, verleidet Albath im Laufe der siebenhundert Seiten die Lektüre. Auch dass Scurati Mussolini zu einer nahbaren Romanfigur macht, erscheint ihr fragwürdig: Hier erliegt jemand den "Verführungskräften dieses abgründigen Mannes", erkennt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.03.2020

Rezensent Andreas Kilb liest Antonio Scuratis Buch über Mussolini mit zunehmender Gleichgültigkeit. Seiner Meinung nach kommt der Autor seiner Figur und dem Drama seiner Machtergreifung nicht nahe. Laut Rezensent liegt das an hölzernen Nebenfiguren ebenso wie an der unklaren Quellenlage des Romans. Woher Scurati seine Detailinformationen rund um den "Duce" nimmt, ist Kilb nicht klar. Klar scheint ihm hingegen, dass aus den Zutaten kein tiefenscharfes Bild entsteht, sondern der Stoff bloß "diffus" wird. Dazu trägt für Kilb auch bei, dass Scurato über seinen Helden nur Banalitäten zu berichten weiß. Die Faszination, die von Mussolini ausging, fängt der Text auf die Art nicht ein, findet Kilb, auch nicht dessen menschliche Seite. Letzteres verhindert der "Schablonenblick der Kolportage", so der Rezensent. Von den Sachfehlern der Originalausgabe bleibt Kilb zwar verschont, doch das rettet den Text für ihn auch nicht mehr.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.02.2020

Ganz nahe dran an der Person des Duce findet Maike Albath den italienischen Schriftsteller - und manchmal geht ihr das auch zu weit, beispielsweise wenn ausführlich von seinen sexuellen Eroberungen und seinen Käsefüßen die Rede ist. Aber immer wieder lässt sich die Kritikerin auch gerne auf dieses schriftstellerische Abenteuer ein - sowohl auf die Thriller-Elemente des Buchs als auch die den Hergang der Erzählung beglaubigenden Dokumente. Ihrer Meinung nach funktioniert der von Scurati als Motivation für das Buch behauptete aufklärerische Impetus durchaus, nämlich zu Zeiten des Erfolgs eines Salvini den Italienern die Geschichte ihres Faschismus zu erzählen. Besonders lobt sie, dass der Aufstieg Mussolinis nicht nur aus seiner Sicht erzählt werde, sondern auf viele Stimmen - historisch beglaubigt - verteilt wurde. Übertrieben scheinen ihr dagegen die detailreich dargestellten Gewaltakte, die durch ihre Vielzahl etwas "Serielles" bekämen und sich dadurch gegenseitig eher abschwächten. Ein kleines bisschen besorgt stellt sie am Schluss dann doch noch fest, dass allein das Ausmaß der geplanten Biografie ein bisschen nahelege, dass hier durchaus auch mit dem "Faszinosum Mussolinis" kokettiert werde. 
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.02.2020

Rezensentin Jutta Person hat sich mit Antonio Scurati auf einen "faschismusgeschichtlichen Spaziergang" durch Mailand begeben, um mit dem Schriftsteller und Medientheoretiker über italienischen Faschismus im Allgemeinen und dessen neuen Roman, der Auftakt einer Trilogie, im Besonderen zu sprechen. Das Buchprojekt, der erste Teil bereits ausgezeichnet mit dem Premio Strega, ist nicht unumstritten, weiß die Kritikerin: Auf 800 Seiten erzählt Scurati vom Aufstieg des Faschismus in Italien entlang der Lebensstationen Mussolinis, anhand von Briefen, Zeitungsartikeln, Parteiprogrammen oder Tagebucheinträgen. Nicht die Tatsache, dass der Autor seinen "Dokumentarroman" mit Thrillerelementen anreicherte, brachte ihm Kritik ein, sondern der Versuch, Geschichte aus Tätersicht zu schildern und zu bewältigen, informiert Person. Dabei ist "M." weit entfernt von Jünger'scher Sensationslust und Täterfaszination, fährt die Rezensentin fort, die gerade das Aufklärerische, sorgfältig Recherchierte und die Aktualität des Romans hervorhebt. Scuratis Anspruch, der Roman solle als "Übung in Demokratie und Antifaschismus" verstanden werden, sieht Person erfüllt.